Buchbindewerkstatt "Buch-Binde-Kunst": Aus Liebe zum Buch
Sonderveröffentlichung

Stadtteil Weststadt Buchbindewerkstatt "Buch-Binde-Kunst": Aus Liebe zum Buch

In ihrem Laden in der Ulmer Weststadt geht Anke Eichhorn einem besonderen Beruf mit viel Leidenschaft nach: der Buchbinderei

Mit Hilfe der Pappschere kann Anke Eichhorn Pappe und Einzelbögen auf das richtige Maß bringen. Fotos: Petra Starzmann

09.07.2023

„Ich finde es sehr schön“: Anke Eichhorn lebt und arbeitet gerne in der Weststadt. Dabei reiht sich die Buchbindemeisterin ein in eine Tradition, die seltener wird. Einst waren es viele Handwerksbetriebe in der Weststadt. Auch in der Römerstraße, wo sie ihre Buchbindewerkstatt „Buch-Binde-Kunst“ betreibt. „Hier um die Ecke gibt es noch eine Schlosserei. Früher waren es viel mehr kleine Betriebe in der Weststadt“, erzählt die gebürtige Bielefelderin, die seit 35 Jahren in der Weststadt lebt. In Ulm, und nun speziell in der Weststadt, gefällt es ihr sehr gut: „Ich gehe gerne zu Fuß. Von hier aus ist man schnell in der Innenstadt, zum Einkaufen und im Grün. Ich gehe oft an die Donau. Der Park bei der Martin-Luther ist nahe, ebenso die Ehinger Anlagen. Außerdem finde ich die Kulturangebote gut, etwa im Weststadthaus.“

Bitte klingeln!

Seit 2009 kann die Buchbindemeisterin ihre Werkstatt gut fußläufig erreichen. Damals siedelte sie mit „Buch-Binde-Kunst“ von Neu-Ulm um in die Römerstraße 3. Damit kam ein nahezu vom Aussterben bedrohtes Handwerk in den Ulmer Westen. Wer kommt, muss zu den Öffnungszeiten an der Türe klingeln. „Es ist ein Wohnhaus, da kann man nicht immer die Türe auflassen“, sagt Eichhorn. Geklingelt wird öfter, da die wechselnden Schaufensterauslagen das vorbeigehende Publikum neugierig machen. Wer in die Werkstatt kommt, kann Eichhorn bei ihrem Handwerk über die Schulter schauen. 

Zu ihren Schwerpunkten gehören Bücher reparieren und Fachzeitschriften binden, dazu fertigt sie individuelle Geschenkartikel wie Tagebücher, Postkarten oder kreative Notizblöcke. Um eine Vorstellung zu bekommen, hält die Buchbindemeisterin fertige Exemplare bereit. Dabei ist Eichhorn nicht nur eine professionelle Handwerkerin, sondern auch kreativ. Sie arbeitet über klassische Buchbindematerialien wie Papier oder Leder hinaus mit Kleidungsstoff zum Überziehen von Büchern. Eines davon hat Instrumentendekor - das dürfte Musikliebhaber erfreuen. Ein anderes Buch ist im Stil eines mittelalterlichen Beutelbuchs gefertigt. Im Stil will heißen: Die Optik ist die eines Beutelbuchs, die Bindung ist von moderner Art, da sie besser handzuhaben ist. Gut läuft ihr Notizblock, der „aus eckig rund macht“ - eine besondere Art des Notizblocks, den Firmen gerne mit ihrem Logo als Geschenk an Kunden geben.

Vom Neuen zum Alten: Eichhorn zeigt ein Buch, das sie reparieren wird. Dabei erinnert sie sich: „Mein ältestes Buch, das ich repariert habe, war ein Codex von 1672. Dabei musste ich aus dem Einbanddeckel das Papier lösen. Es kam überraschend ein Pergamentblatt von 1100 zum Vorschein. Das war mein Highlight.“ Leider würden die Leute heute oft andere Prioritäten setzen, als ihre Lieblingsbücher reparieren zu lassen. Dafür fährt sie öfter längere Strecken zu den Kunden, bis zu 400 Kilometer. Nichtsdestotrotz ist sie enthusiastisch, wenn es um ihre Arbeit geht. Dazu gehört inzwischen auch ein Produkt, das ihre Buchbindekunst bereichert: Eichhorn bietet selbst gefertigte Kerzen in vielen Farben und Formen an. „Da habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht“, schwärmt sie. Petra Starzmann