„Krisensituationen machen Menschen stärker“
Sonderveröffentlichung

Start ins Berufsleben - Die besten Tipps! „Krisensituationen machen Menschen stärker“

Große Lernlücken, wackeliger Arbeitsmarkt: Die ersten Schritte der „Generation Corona“ in den Beruf werden von viel Pessimismus begleitet. Eine Trendforscherin aber macht Mut.

Resiliente Digital Natives: Die „Generation Corona“ kann der Expertin zufolge in der Arbeitswelt durchaus selbstbewusst auftreten. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/dpa-mag

27.09.2021

Lücken beim Lernstoff, Nachholbedarf in Sachen Sozialkompetenz: Die „Generation Corona“ startet während der Pandemie unter schwierigen Voraussetzungen ins Berufs- und Ausbildungsleben. Das schlägt sich auch in den Erwartungen der jungen Erwachsenen an den Arbeitsmarkt nieder.Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Pronova BKK unter 16- und 29-Jährigen zeigte: Mehr als jeder Zweite befürchtet durch die Pandemie berufliche Nachteile. Ein Drittel ist hinsichtlich der eigenen Zukunftspläne verunsichert. Viele fühlen sich traurig und haben mit depressiven Gedanken oder innerer Unruhe zu kämpfen. Dabei bringt die Generation Eigenschaften und Fähigkeiten mit, die am Arbeitsmarkt künftig eine wichtige Rolle spielen werden, erklärt die auf den Gesundheitsmarkt spezialisierte Trend- und Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen im Interview.

Frau Mühlhausen, viele junge Menschen fühlten sich in der Corona-Pandemie psychisch belastet. Wie geht man als junger Mensch jetzt am besten mit seinen Sorgen um?

Corinna Mühlhausen: Ich denke, dass es das Wichtigste ist, jetzt ganz bewusst auf sich aufmerksam zu machen. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Generation Corona werden in den nächsten Wochen ganz wichtige und positive Veränderungen in unserer Gesellschaft anstoßen. Allen voran die Destigmatisierung des Themenkomplexes mentale Gesundheit. Diese jungen Menschen tun sich leichter, sich selbst zu beobachten, ihre Gesundheit ganzheitlich zu betrachten, als Einheit aus Körper, Geist und Seele. Damit hängt eine hohe Bereitschaft zusammen, an der eigenen psychischen Gesundheit zu arbeiten. Die Generation Corona wird meiner Prognose nach eine Generation sein, deren Resilienz-Fähigkeit stark ausgeprägt sein wird.

Was hilft jetzt gegen das Gefühl, irgendwie vergessen worden zu sein?

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Expertin: Interviewpartnerin Corinna Mühlhausen ist Trendcoach und Zukunftsforscherin aus Hamburg. Foto: Matthias Moeller- Friedrich/dpa-tmn

Wir können sehen, dass das Leben jetzt durch Testen und Impfen einen Neustart hinlegt. Alle, die zurückblicken, werden sehr stolz auf das sein, was sie gemeistert haben. Die Generation Corona wird auch ein Stück weit gestärkt aus der Krise hervorgehen. Sie wird sehen: Das, was wir jetzt miteinander durchgestanden haben, ist schon einzigartig – aber wir haben es geschafft. Krisensituationen machen Menschen stärker, dramatische Sonderfälle sind natürlich ausgenommen.

In der Schule und der Berufsorientierung hat die sogenannte Generation Corona einiges verpasst und befürchtet dadurch selbst Nachteile in der Arbeitswelt. Muss man jetzt noch versuchen das aufzuholen?

Ich bin davon überzeugt, dass das gar nicht so entscheidend ist. Ich kann verstehen, dass junge Menschen Angst haben, dass das jetzt ein Malus ist, der ihnen anheftet. Ich glaube aber nicht, dass es da eine große Lücke geben wird oder Nachfragen nach dem Motto: Wo hast denn du die letzten Monate verbracht? Da kann man der Generation ruhig Mut machen. Die Arbeitgeber und Personaler wissen selbst ganz genau, wie schwer Schule und Ausbildung während der Corona-Pandemie waren und was das bedeutet hat. Das sollten wir als Gesellschaft auch kommunikativ aufgreifen. Es wäre gut, wenn Arbeitgeberverbände und Branchenvertreter sagen: „Habt Mut und kommt zu uns. Wir wissen, wie schwer das war, wir erwarten jetzt keine perfekten Zeugnisse.“ Der Fachkräftemangel ist ja nicht geringer geworden. Es bleibt dabei, dass wir gute Leute brauchen.

Ich muss meine Erwartungen an den Arbeits- und Ausbildungsmarkt jetzt also nicht ganz nach unten schrauben?

Ich glaube, dass man das nicht als Rat geben sollte. Diese Generation unterscheidet sich sehr von der vorherigen: Da gibt es einen Shift hin zu einer selbstkritischeren Perspektive. Die Generation Z ist insgesamt wieder hierarchiebereiter, und bleibt eher auf dem Boden der Tatsachen als die Millennials. Man sollte den jungen Menschen daher jetzt vielmehr zurufen: Glaubt an euch, es ist nicht alles verloren. Man sollte ihnen auf keinen Fall allen Mut nehmen. Und junge Menschen, die jetzt ihren Abschluss machen, sind vielmehr die ersten wahren Digital Natives, die in den Arbeitsmarkt starten. Sie wissen zum Beispiel genau, wo sie technische Interaktion erwarten, und wo Interaktion mit Menschen. Den Zwischenschritt zwischen Hightech und High-Touch, also dem Umgang mit Technik und mit Menschen, werden sie wie keine Generation vorher hinkriegen. Natürlich können sie diese Fähigkeiten selbstbewusst in den Arbeitsmarkt einbringen. Und die Arbeit im Homeoffice wird für sie selbstverständlich sein. Die Generation wird hier aber auch die Balance besser hinbekommen. Sie versucht es gar nicht mehr mit Work-Life-Blending wie die der Millennials, die damit kämpft, die Vermischung von Beruflichen und Privaten hinzubekommen. Die Generation Z verfolgt vielmehr die Idee von Work-Life-Splitting. Die Trennung von Beruflichen und Privatem wird mit dieser Generation smart, selbstbewusst und selbstverständlich – in der Art: „Ok, Boomer, lustig wie ihr diese Technik nutzt, wir machen das viel intuitiver.“

Wie können junge Menschen denn die Lust zur Zukunftsplanung wieder gewinnen?

Der Mut zur Zukunftsplanung hat ja auch darunter gelitten, dass so viel ausgefallen ist. Es gab keine Abschlussfeiern, keine Initiationsriten. Aber vielleicht gibt es die Möglichkeit, manches jetzt doch noch nachzuholen. Warum nicht? Man kann etwa in der Klassengemeinschaft sagen: Wenn wir wieder dürfen, dann versuchen wir, ein Fest, ein Zusammensein nachzuholen. Die Zeit kommt zwar nicht zurück. Ich glaube aber, dass das eine Möglichkeit ist, noch mal einen Schlussstrich zu ziehen und sich dann auf die Zukunftspläne zu konzentrieren. Amelie Breitenhuber, dpa