Herr Walter, warum geht Stress auf die Ohren?
Uso Walter: Man muss unterscheiden zwischen den Auswirkungen auf das Ohr und das Hören. Das sind zwei verschiedene Dinge. Bei langfristigem Stress kann es etwa zu einer Mangeldurchblutung im Ohr kommen, wodurch es auf Dauer Schaden nehmen kann. Viel unmittelbarer und häufiger verändert Stress aber die Hörverarbeitung.
Wie äußert sich das?
Man wird geräuschempfindlich, bekommt einen Tinnitus, versteht schlechter. Das große Problem ist: Viele bringen solche Symptome nicht mit Stress zusammen, weshalb sie sich oft lange Zeit nicht zu helfen wissen. Es hilft, sich klar zu machen: Die Hörverarbeitung ist wie ein Filter, der durch Stress durchlässiger wird. Man hört also mehr Störgeräusche, die normalerweise gefiltert werden, und hört weniger von dem, was man eigentlich hören möchte.
Was hilft dann?
Grundsätzlich hilft es, den Stress zu reduzieren. Man kann sagen: Wenn man selbst ruhiger wird, wird auch das Hören ruhiger. Und das Filtern von Störgeräuschen klappt besser. Was ebenfalls helfen kann: Sich bewusst auf bestimmte Geräusche und Sprachreize zu konzentrieren und so die Differenzierungsfähigkeit zu trainieren – Hören findet nämlich zum Großteil im Kopf statt. Diese Mechanismen der unterbewussten Hörverarbeitung lassen sich verändern. Sie werden beeinflusst von Stress und Emotionen. Deshalb ist auch so wichtig, im Alltag für Ausgleich und Entspannung zu sorgen und sich nicht über alles aufzuregen. Wenn man bei stressbedingten Hörproblemen nicht rechtzeitig gegensteuert, können sich diese zunehmend verschlechtern. dpa