Handballmannschaft bei TuS Metzingen: Der Chef, der gar keiner sein will
Sonderveröffentlichung

TusSies in der Saison 2022/2023 Handballmannschaft bei TuS Metzingen: Der Chef, der gar keiner sein will

Werner Bösch - Der Österreicher hat das Traineramt von Edina Rott übernommen, sieht sich eher als Teamplayer denn als Cheftrainer. Das Spielsystem der TusSies wird sich nicht grundlegend ändern - weil es ja bisher gut geklappt hat. 

Werner Bösch im Kreise seines Teams, das mit viel Spaß bei der Arbeit ist – der Trainer selbstverständlich auch. Foto: Thomas Kiehl

09.09.2022

Es sei in der Tat so gewesen, wie eine Schweizer Zeitung geschrieben hat. Werner Bösch hat sich bei der TuS Metzingen als Trainer ins Gespräch gebracht. Nicht einfach auf Verdacht, sondern weil Manager Ferenc Rott schon sehr früh kundgetan hatte, dass die Nachfolge auf der Trainerbank zu regeln sei. Seine Frau Edina saß dort, der Manager daneben, es gab zu Hause wenig andere Themen – und damit musste Schluss sein. Werner Bösch war sehr interessiert an einem Job in der Handball-Bundesliga der Frauen, er kennt den TusSies-Manager schon seit Jahren, flugs war ein Kontakt hergestellt und die Chemie hat gestimmt. Jetzt ist der Österreicher in Metzingen.

Ein Wechsel, der sich für den neutralen Beobachter nicht unbedingt abgezeichnet hat, wirkte Werner Bösch doch sehr erfolgreich im Schweizer Männerhandball. Als Cheftrainer führte er den HSC Kreuzlingen in die erste Liga. Die Kadetten Schaffhausen unterstützte er als Assistenz- und Individualtrainer, wurde Schweizer Meister. Der Vertrag in Kreuzlingen war sogar schon verlängert, ehe der EHF-Mastercoach um Auflösung bat. Zu reizvoll war der Job bei der TuS Metzingen. Und der Frauenhandball ist kein Neuland für Bösch. Den LC Brühl St. Gallen hat er übernommen nach Abschluss des Studiums der Sportwissenschaften – und viele Erfolge gefeiert.

Was ist aber nun der Unterschied zwischen Frauen- und Männerhandball? „In jeder Gruppe gibt es individuelle Charaktere, sie gilt es zu bestärken, sowohl im Frauen-, als auch im Männerhandball. Die Ausprägungen in kritischen Situationen sind aber definitiv anders“, wagt der Sportwissenschaftler einen Vergleich, den er aber gar nicht ziehen will. Ansonsten ist es ganz einfach Handball. Noch einmal Bösch: „Es sind die gleichen Deckungssysteme, die gleichen Auslösehandlungen. Der Mann ist mit drei Schritten über das halbe Feld, die Frau hat da ein Drittel geschafft. Diesen Unterschied gibt es schon.“

In Sachen Deckungssystem hält der Österreicher bei den TusSies an Althergebrachtem fest. Es gibt eine 6:0, offensiver interpretiert als zuvor. „Wenn ich zu 80 Prozent damit zufrieden bin, kommt die 5:1 hinzu“, sagt Bösch, der früher in Brühl sogar die 3:2:1 werkeln ließ, die eher aus dem Männerhandball bekannt ist. „In der aktuellen Ausprägung der Angriffstaktik ist sie aber nicht mehr so zu spielen. Der siebte Feldspieler kann da einiges durchkreuzen“, so der Taktikfuchs. Was er bei der TuS in Sachen Defensive angetroffen hat, war recht gut, das gelte es auf hohem Niveau zu stabilisieren.

Da passte es natürlich gar nicht, dass mit Neuzugang Julia Behnke die Abwehrchefin in den ersten Wochen fehlte, nachdem Probleme im operierten Knie aufgetaucht waren. „Sie ist ein extrem wichtiger Baustein im Team, die Leaderin, die vorangeht“, so Werner Bösch zu seiner Schlüsselspielerin. Der Aufbau verlief planmäßig, langsam kehrte „Jule“ aufs Feld zurück, mit akribischer Belastungssteuerung. Man braucht die ehemalige Nationalspielerin – mehr als jede andere. Alles ist bei ihr auf den Saisonstart ausgerichtet.

Ob er denn mit dem Kader zufrieden sei? Bösch antwortet etwas ausweichend: „Aus Trainersicht gibt es immer und überall Bedarf. Man hat lieber zwei mehr als eine weniger. Wenn alle gesund und fit sind, ist das Team aber sehr gut.“ Weil es auf halbrechts mit Maren Weigel nur eine „Fachkraft“ gibt, musste man am taktischen Grundsystem feilen. Marte Juuhl Svensson und Sandra Erlingsdóttir sind ähnliche Typen auf der Mitte, das gilt es, als Vorteil herauszuarbeiten. Auf der Torhüterposition wollte Werner Bösch einen anderen Typ neben der sehr impulsiven Rebecca Nilsson. Zwei standen zur Wahl, genommen wurde Lea Schüpbach. Unter anderem, weil sie Bösch aus seiner Zeit beim LC Brühl St. Gallen kennt, wo sie seiner Mannschaft als Keeperin von Spono Nottwil das Leben sehr schwer machte.

Spielerinnen besser machen

Böschs Anliegen ist es, die Spielerinnen weiterzuentwickeln, besser zu machen. „Die Mädels ziehen mit, das ist selbstverständlich. Allgemein ist es so, dass die Frauen mehr, intensiver und professioneller bei der Sache sind. Man muss sie eher bremsen, weil sie wenig auf ihren Körper hören, regenerative Maßnahmen vernachlässigen“, sagt jener, der das prima beurteilen kann.

Die Neuzugänge seien sehr gut aufgenommen worden. „Das hat relativ wenig mit dem Trainer zu tun. Das Teambuilding erfolgt von innen, da muss man von außen höchstens ein bisschen nachsteuern“, verrät Werner Bösch.

In Sachen Sprache würde er indes gerne den Hebel ansetzen. Die Teamsprache ist Deutsch, ein Trio habe da noch Nachholbedarf, der Rest könne es sehr wohl. „Manche trauen sich nicht, weil sie vielleicht auch keine richtige Notwendigkeit sehen“, vermutet der Trainer. Die Verständigung auf dem Feld stellt indes gar kein Problem dar.

Werner Bösch hat mit Manel Cirac einen Co-Trainer an der Seite, den er nicht genug loben kann. ,,Ich freue mich, einen so engagierten und motivierten Mittrainer zu haben. Es läuft überragend", so der „Chef", der diese Bezeichnung aber gar nicht hören will. ,,Ich bin nicht der, der vorne stehen muss, sehe eher das Trainerteam." Das teilt sich die Aufgaben, wechselt sich ständig ab. Es gibt keine eingefahrenen Gleise - weil jeder alles kann. Sie wollen die Tussies voranbringen, Bösch zeigt sich, befragt zu einer etwaigen Platzierung am Saisonende, allerdings realistisch: „Es bleibt im gleichen Rahmen wie zuletzt, zwischen Platz zwei und fünf."

Bei der TuS wird gute Arbeit geleistet auch abseits des Trainingsbetriebs. Beeindruckt hat Werner Bösch sehr, dass für seine Freundin, die am 1. September nach Metzingen gekommen ist, im Handumdrehen ein Arbeitsplatz gefunden war. ,,Es war überragend, wie schnell das über das Netzwerk der TusSies geklappt hat. So etwas habe ich noch nie erlebt." Auch das hat Werner Bösch in seiner Einschätzung bestärkt, dass er mit dem Wechsel zur TuS Metzingen alles richtig gemacht hat. Für das Netzwerk auf der Platte ist er dann zuständig - zusammen mit seinem Trainerteam. Wolfgang Seitz