Nachhaltigkeit - selten hat ein Begriff so schnell und tiefgreifend macht. In relativ Karriere kurzer Zeit ist der Fachterminus zu einer vieldeutigen Metapher bei aktuellen Problembeschreibungen geworden. Und längst ist er in fast allen Themenspektren zu finden. Er gehört in jede Rede über die Zukunft und dient Politikern als Slogan.
Wer an die Wurzel der Nachhaltigkeit gehen möchte, begibt sich wohl am besten in den Wald. Von dort stammt der Begriff ursprünglich: Vor 300 Jahren formulierte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz als Erster das Prinzip der Nachhaltigkeit. Nicht mehr Holz aus dem Wald zu nehmen, als auch wieder nachwächst - an diesem Prinzip hat sich nichts geändert. Nach wie vor haben Forstleute den Begriff quasi in den Genen, müssen eine langfristige Sicht auf den Wald haben.
Der deutlich spürbare Klimawandel erschwert diese langfristige Planung. Jede Forstgeneration hat ihre Herausforderung“, sagt Bernd Schramm. Der 59-jährige Hospitalförster ist Herr über mehr als 2000 Hektar Forstfläche. Bei einem Rundgang durch den Wald bei Sittenhardt fallen zunächst einige Holzpolter am Wegesrand auf. Die geschlagenen Stämme sind vermessen, gekennzeichnet und warten auf den Abtransport. Der Wald liefert Holz - etwa zum Bauen, für Böden oder als Massivholzmöbel, "eine stofliche Verwertung“, erklärt Schramm. Er spricht von der angestrebten , Kaskadennutzung", also einer Mehrfachnutzung eines Rohstoffs in aufeinanderfolgenden Stufen, bevor er schließlich entsorgt beziehungsweise per Verbrennung ,,energetisch genutzt wird.
Bei aller Tun und Lassen - auch Letzteres ist ein wichtiger Aspekt - im Wald müssen die Forstleute wirtschaftlichen Nutzen und Ökologie im Blick haben, möglichst in ein nachhaltiges Gleichgewicht bringen. „Wir haben ein jährliches Zuwachsziel von 18 000 Festmetern", sagt Schramm. Diese Menge Holz könnte also theoretisch auch jedes Jahr aus dem Wald genommen werden.
Die Fichte ist vom einstigen Brotbaum zum Notbaum geworden.
Bernd Schramm
Hospitalförster in Schwäbisch Hall
Allerdings haben Stürme, Käferbefall und Trockenheit dem Wald in den letzten Jahren heftig zugesetzt. ,,Früher lag der Fichtenanteil bei 70 Prozent, inzwischen sind wir bei 23 Prozent". Schramm sagt: „Die Fichte ist vom einstigen Brotbaum zum Notbaum geworden"
Seit Jahren wird allerorts am Waldumbau gearbeitet, das heißt, den Forst klimastabil zu machen. Dabei setzen Schramm und sein Team vor allem auf Naturverjüngung. „Man geht davon aus, dass die jungen Pflanzen, die direkt vor Ort keimen und wachsen, auch besser mit Extremereignissen zurechtkommen", er- klärt der Hospitalförster. Um einen möglichst vielfältigen Baumarten-Mix zu bekommen, wird hie und da dennoch zusätzlich gepflanzt zum Beispiel mit Douglasie und Weißtanne, mit Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Roteiche, Speierling, Elsbeere, Kirsche oder Esskastanie.
„Die Mischung macht's", sagt Schramm, und das betrifft auch das Alter der Bäume. Früher wirtschaftete man im Altersklassenwald, der dann flächenweise abgeerntet wurde. ,,Doch heute geht es darum, einen Dauerwald zu schaffen: Ziel ist, nie wieder einen blanken Waldboden zu haben."
Einzelne große Bäume werden geschlagen. Und in der Regel stehen die Jungpflanzen, die dann mit mehr Licht richtig loswachsen wollen, nebenan schon in den Startlöchern. An einer etwas lichteren Stelle im Wald sind beim Rundgang ein paar gerade mal kniehohe Tannen, Douglasien und Fichten zu sehen. Auffällig. Die zarten Spitzen einiger kleiner Tannen sind angeknabbert Wildverbiss. Rehe schätzen Tanne und Douglasie mehr als die Fichte. ,,Deshalb braucht es die Jagd, damit die Bäume eine Chance haben - das muss in Einklang miteinander gebracht werden."
Als Spaziergänger sollte man sich nicht wundern, dass es immer wieder im Wald ,so unaufgeräumt“ aussieht. Herumliegende Wipfelstücke, Wurzelstöcke und tote Bäume haben eine wichtige Aufgabe: „Das Totholz ist Lebensraum für Tiere, Pilze und Flechten. Wie Blätter und Zweige wird es zersetzt, so bleiben die Nährstoffe im Wald erhalten - das ist Bodennachhaltigkeit“, sagt Schramm. Zu- weilen trifft man auch auf ausgewiesene Habitatbaumgruppen. „Die erkennt man daran, dass Bäume mit einer weißen Wellenlinie um den Stamm markiert sind.“ Diese stillgelegten Bereiche sind Refugien, in die niemand eingreift. Dort sollen sich ungestört besondere Lebensräume entwickeln können. Nichtstun gehört bisweilen auch einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung.
Konzept gegen hemmungslose Ausbeutung
Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft und wurde im frühen 18. Jahrhundert vor dem Hintergrund einer zunehmenden Holznot definiert. 1713 verwendete ihn Carl von Carlowitz (1645-1714), Oberberghauptmann in Kursachsen. Schon im Mittelalter wurden die Kapazitäten der Wälder in vielen Regionen Mitteleuropas überschritten. Daraus entstand regional die eigentliche Forstwirtschaft und löste die bis dahin vorherrschende unkontrollierte Ausbeutung der Wälder ab. Ziel der Nachhaltigkeit ist es, ein Gleichgewicht zwischen Nutzung und Regeneration der Ressourcen zu schaffen. blo