Ein Ort für die Lebenden
Sonderveröffentlichung

Wegbegleiter Ein Ort für die Lebenden

Grabstätten werden als Orte wahrgenommen, an denen die Toten liegen. Zeit, die Perspektive zu ändern.

Ein Grab ist im Grunde auch ein kleiner Garten - und man kann auf ihm anbauen, was einem selbst am besten gefällt. Zum Beispiel auch Kräuter. Fotos: Christoph Killgus/Verlag Eugen Ulmer/Ina Fassbender/dpa-mag

05.10.2022

Ist ein Friedhof ein trauriger Ort? Nicht unbedingt. Das Verhältnis der Hinterbliebenen kann sich durchaus ändern: Das Grab kann ein kleiner Garten sein, den man sich schön macht und wo man auch mal eine Auszeit vom Alltag findet. Daher spricht Christoph Killgus auch vom Grabgarten. „Während ein großer Garten, den man vielleicht von Oma und Opa erbt, auch mal zur Last wird, weil er viel Arbeit macht, kann so ein kleines Beet etwas Leistbares sein. Und etwas, was Freude machen kann“, sagt der Buchautor und Gartenbau-Ingenieur aus Filderstadt. Er rät in seinem Buch „Gräber persönlich gestalten“ sogar dazu, Obst und Gemüse darauf anzubauen.

Nachrichten-Steine für die Verstorbenen

Ist das nicht makaber? Ganz im Gegenteil, findet Killgus. Denn die Pflege einer Grabfläche ist weiterhin vor allem Trauerarbeit. „Das gilt in ganz besonderer Weise in der ersten Zeit nach dem Todesfall.“ Dann sei es für viele hilfreich, regelmäßig zu einem Grab zu gehen und sich dem, der gestorben ist, verbunden zu fühlen, so Killgus. Man verbringt beim Gärtnern dort Zeit mit sich selbst, kann nachdenken, darf weinen. Zugleich ist die Grünpflege am Grab eine mechanisch einfache Arbeit. Auch persönliche Gegenstände oder gar Nachrichten zum Beispiel auf Steinen auf dem Grab können hilfreich sein. Als Buchautor hat Killgus sich viel mit Erinnerungskultur auf Friedhöfen beschäftigt. Mit der Zeit gehen viele Trauernde auch seltener zum Grab. Das sei ganz natürlich, wenn man die Trauer verarbeitet. Viele nehmen den Friedhof dann auch als Ort für eine Auszeit wahr, für eine kleine Pause vom Alltag. dpa/ka