Mancher Brauch mag auf Außenstehende bizarr wirken. Immer geht es aber um die respektvolle Erinnerung an die Verstorbenen und einen persönlichen Abschied. Denn Trauernde brauchen Rituale und Orte, die ihnen helfen, den Tod zu verarbeiten.
Mexiko: die bunte Nacht der Toten
Der „Día de los muertos“ in Mexiko gleicht einem großen Karneval: Jedes Jahr in der Nacht zum 1. November ziehen Groß und Klein in oft schaurigen Verkleidungen durch die Stadt. Man sagt, an diesem „Tag der Toten“ kämen die Verstorbenen zurück auf die Erde – und das feiert man in Mexiko ziemlich ausgelassen. Altäre am Straßenrand werden zu Ehren der Ahnen mit Blumen geschmückt. Oft feiern Angehörige am Grab Ihrer Verstorbenen ein fröhliches Fest und lassen sich deren Leibspeisen schmecken. Zurück geht der Brauch, der mittlerweile auch viele Touristen anzieht, auf die Ureinwohner Mexikos.
Madagaskar: die ganze Familie feiert „Leichenwende“
In den kühlen Monaten von Juni bis September wird es unruhig auf den Friedhöfen von Madagaskar, wenn im Hochland der Inselrepublik Zeit für die traditionelle „Famadihana“ ist. Die Volksgruppen der Betsileo und Merina pflegen dort seit langer Zeit den Brauch der „Leichenwende“. Dazu werden die Toten aus den Familiengrüften geholt und neu eingekleidet. Den ganzen Tag feiern dann alle lebenden Familienmitglieder gemeinsam mit den Verstorbenen bei Musik, Tanz und einem Festmahl. So will man den vergangenen Generationen Respekt zeigen und für ein gutes Verhältnis sorgen. Das ist wichtig, weil den Ahnen auf Madagaskar eine besondere Bedeutung zukommt: Nach dem traditionellen Verständnis können die Toten zu Gott sprechen und gleichsam als Vermittler für die ganze Familie eintreten. Die Vorbereitungen für eine Famadihana dauern oft ein bis zwei Jahre. Abhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie wird das Fest alle drei bis sieben Jahre wiederholt.
Japan: Totenwache im Familienkreis
In der Ersten Nacht nach dem Ableben eines Angehörigen hält in Japan die engste Familie eine Totenwache. Der Verstorbene wird in einem weißen Kimono aufgebahrt, der einem Pilgergewand ähneln soll und den anstehenden Übergang in die Unterwelt symbolisiert. Dafür werden ihm außerdem sechs Münzen beigelegt – das Fährgeld für den Fluss zur Unterwelt. Ein Schwert auf dem Kimono soll Schutz vor bösen Geistern bieten und der Kopf des Aufgebahrten in Richtung Norden zeigen, weil auch Buddha so ins Nirvana eingegangen sein soll. Auf die nächtliche Totenwache im Familienkreis folgt meist schon am nächsten Tag die Einäscherung. Gäste der Bestattungszeremonie bringen üblicherweise Geldgeschenke mit, um die Finanzierung der kostspieligen Beerdigung zu unterstützen.
Karibik: Abschied in der neuten Nacht
Auf vielen karibischen Inseln wie Jamaica beginnt mit dem Tod eines Verwandten eine neuntägige Totenwache. So lange brauche die Seele, sich komplett vom Körper zu lösen. Diese Zeit verbringt die Familie zusammen beim Verstorbenen.
Den Höhepunkt dieses Trauerrituals bildet die neunte Nacht, in der die Hinterbliebenen ein großes Fest ausrichten. Sorgsam bereiten sie eine große Auswahl traditioneller Speisen vor, um ab Mitternacht gemeinsam mit Freunden zu feiern. Dieser Teil des Abschieds wird überaus fröhlich gefeiert, es wird dabei gegessen, getrunken, gesungen und getanzt, um das Leben des Verstorbenen zu feiern. Die Formen der „Neunten Nacht“ speisen sich gleichermaßen aus christlichen und afrikanischen Traditionen, sodass bis zum frühen Morgen Kirchenlieder wie auch traditionelle Gesänge erklingen. Erst danach findet die eigentliche Bestattung statt. pm/cr