Um dem meistgehörten Argument gegen das Singen gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, kann Musiker Rolf Zuckowski gleich mit einem seiner Klassiker antworten: „Du sagst, Du kannst nicht singen? Gelogen! Gelogen!“ Auch für diejenigen, die sich nicht immer trauen, lauthals einzustimmen, wenn die ersten Weihnachtslieder erklingen, hat er Tipps parat.
Wie kann man Kinder und auch Erwachsene zum Singen motivieren, gerade wenn sie ein bisschen schüchtern sind?
Rolf Zuckowski: Es ist für den Anfang wichtig, die richtigen Lieder auszusuchen. Das sind Lieder, die auch ohne musikalische Begleitung funktionieren. Kinder mögen es besonders gerne, wenn sich Teile des Liedes häufig wiederholen. Oder auch so fröhliche Ruflieder, wie etwa „Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus“, bei denen man den Text schnell auswendig lernen kann, sind gut geeignet.
Wenn sich Erwachsene nicht trauen zu singen, sollten Sie sich mit den Zeilen aus „Du kannst nicht singen“ anfreunden. In dem Lied versuche ich zu verdeutlichen, dass jeder Mensch seine individuelle Stimme hat und dass in dieser Stimme sehr viel drin ist, auch wenn nicht alle Töne stimmen sollten.
Auch das Lied „In der Weihnachtsbäckerei“, das ich mir auf einer Autofahrt ausgedacht habe, auf dem Weg zu meiner Familie, die gerade Plätzchen gebacken hat, ist so ein Lied, dass man gut auswendig singen kann, während man gerade in der Küche backt. Vielleicht sollte man mit den Kindern auch einfach dort singen, wo einem gerade danach zumute ist. Das kann sowohl in der Küche als auch auf langen Autofahrten sein. Wenn die Eltern singen, stimmen die Kinder häufig mit ein.
Wie kann eine Familientradition zum Singen etabliert werden?
Rolf Zuckowski: In meiner Familie kann man sich Weihnachten, Geburtstage oder auch einen Abschied ohne Lieder gar nicht vorstellen. Aber jede Familie kann das auf ihre ganz eigene Art etablieren und eine Tradition entwickeln. Das beginnt bei „Happy Birthday“ oder auch „Wie schön, dass du geboren bist“ an Geburtstagen, bei denen die Kinder erst besungen werden und dann mit steigendem Alter mitsingen. Dann baut man sich ein kleines Repertoire auf für besondere Gelegenheiten, bei denen man dann eben ein bestimmtes Lied anstimmt. Man kann sagen, dass es diesen Anlass nun eben nur noch mit Musik gibt. Sei es beim Anzünden der Kerzen am Adventskranz, beim Plätzchen backen oder vor der Bescherung unter dem Weihnachtsbaum. Dann muss allerdings immer eine Person – das kann auch ein Kind sein – so eine Art Führung übernehmen als Vorsänger oder Vorsängerin. Wenn Kinder diese Vorsängerrolle übernehmen, dann ziehen die Erwachsenen oft noch mehr mit, aus Solidarität mit den Kleinen.
Sie haben Ihre Stiftung „Kinder brauchen Musik“ genannt. Welche Bedeutung hat Singen für die kindliche Entwicklung?
Rolf Zuckowski: Kinder, die singen, aktiv musizieren oder auch im Chor eine Rolle spielen, die entwickeln ihre Persönlichkeit singend und spielend weiter. Es spielt eine große Rolle bei dem, was sie sich im Leben insgesamt zutrauen und auch bei dem, was ihnen andere zutrauen. Das finde ich für Kinder eine ganz wichtige Erfahrung, dass sie in der Musik lernen zu sich selbst zu finden und sich auch weiterzuentwickeln.
Neben der Erforschung der eigenen Persönlichkeit kann Musik Kindern jedoch auch helfen, Teil einer Gemeinschaft zu werden, sei es im Chor, einem Orchester, einem Ensemble oder bei einem Kindermusical. Gemeinsam zu singen und zu musizieren, ist gemeinschaftsbildend. Aktives Singen und Musizieren macht Kinder zudem geduldiger, aufmerksamer, hellhöriger, aufgeweckter, geselliger, auftrittssicherer, entspannter und letztendlich glücklicher. Interview von Eva Boller, dpa