Ein Christbaum ohne funkelnde Kugeln, in denen sich das Licht bricht? Heute für die meisten Menschen vermutlich eine ungewohnte Vorstellung. Doch bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts schmückten die Menschen ihren Christbaum mit Äpfeln, Nüssen oder Gebäck. In Schwaben wurden zum Beispiel gerne selbstgebackene Springerle an den Baum gehängt. Auch Strohsterne oder kleine Basteleien aus Papier verschönerten die Äste.
Von Thüringen in die Welt
Der Legende nach wurden die Christbaumkugeln im Jahre 1847 von einem armen Glasbläser im thüringischen Lauscha erfunden, der sich keine teuren Äpfel oder Nüsse als Schmuck leisten konnte. Fakt ist: Die Christbaumkugeln stammen tatsächlich aus Thüringen. Bis heute erhalten ist das Auftragsbuch eines Glasbläsers aus dem Jahre 1848, in dem zum ersten Mal ein Auftrag über die Fertigung von sechs Dutzend „Weihnachtskugeln“ vermerkt ist. Gute 30 Jahre später exportierte der amerikanische Unternehmer Frank Winfield Woolworth (Gründer der Kaufhauskette Woolworth) die ersten Christbaumkugeln in die Vereinigten Staaten. Dadurch stieg der Absatz rasant an. Der Erfolg war so groß, dass durch ihn sogar die Auswirkungen von Inflation und Wirtschaftskrise in Deutschland gemildert werden konnten. Zunächst waren die Thüringer bei der Herstellung konkurrenzlos, doch vor dem Ersten Weltkrieg stieg eine Wiener Firma in das Geschäft ein, und ab den 1920er-Jahren gab es weitere Hersteller von Glasschmuck in Gablonz. Ihr Christbaumschmuck erreichte bald ebenfalls größere Beliebtheit; er unterschied sich deutlich von den Thüringer Produkten, denn hier wurden Objekte aus Glasperlen angefertigt, vor allem Sterne. In der DDR übernahmen die„Volkseigenen Betriebe“ die Herstellung durch maschinelle Massenproduktion. In der Bundesrepublik Deutschland kamen seit den 1950er-Jahren zunehmend Kugeln aus Kunststoff in Mode, die weniger zerbrechlich waren. In der Glasbläserstadt Lauscha wird heute noch in traditioneller Handwerkskunst der gläserne Schmuck hergestellt.
Buchtipp
Wer die Geschichte der Christbaumkugeln und ihren Siegeszug vom kleinen Örtchen Lauscha in Romanform nachlesen möchte:
Die Glasbläserin
Petra Durst-Benning
Verlag: List
ISBN: 978-3548613338
Taschenbuch: 12,99 Euro