Stricken und Sticken mit Zwing in Schwäbisch Hall: Plötzlich Herzenssache
Sonderveröffentlichung

Zwing Schwäbisch Hall Stricken und Sticken mit Zwing in Schwäbisch Hall: Plötzlich Herzenssache

Michaela Stein führt das Traditionsgeschäft Zwing in fünfter Generation. Ab dem 2. November feiert sie das 131-jährige Bestehen. FOTO: CLAUDIA LINZ

29.10.2022

Michaela Stein feiert mit ihren Kundinnen und Kunden den 131. Geburtstag des Fachgeschäftes Zwing in Schwäbisch Hall.

Abgemachte Sache war es nicht, dass Michaela Stein den elterlichen Betrieb übernehmen würde. Nach dem Abitur machte sie zunächst eine Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskauffrau in einem großen Industrieunternehmen. Dann packte sie die Neugier aufs Studentenleben und sie entschied sich für Textil-BWL. Nach einer marktwirtschaftlichen Analyse des Standorts Schwäbisch Hall und des Fachgeschäft Zwing jedoch erwachte in ihr der Wunsch, das Wirken ihrer Vorfahren weiterzuführen, mit ihr in der fünften Generation.

Der Name ,,Zwing" geht zurück auf Andreas Gottfried Zwing, der in der Zeit der Revolutionskriege von Napoleon Bonaparte lebte. Er ist Michaela Steins Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater. Zwings waren ursprünglich Schuhmacher. Dass Kurz- und Wollwaren ins Sortiment aufgenommen wurden, lag an dem Weitblick, der Tatkraft und dem Selbstvertrauen einer Frau: Rosalie Zwing. Sie, die selbst eine Leidenschaft für Stricken und Sticken hatte, erkannte den Bedarf für Handarbeitsmaterialien in Schwäbisch Hall. Zusammen mit ihrer Tochter Luise gründete sie am 1. Oktober 1891 ein Spezialgeschäft für Handarbeiten in der Haalstraße 11. 1952 stieg Erich Angerer ein, nachdem er Luises Tochter Lotte Zwing geheiratet hatte.

Kochkurs vom Chef als Mitgift

Erich Angerer war gelernter Koch, tauschte Topf und Kochlöffel mit Nadel und Faden und stürzte sich mit Feuereifer ins Geschäft. Haarklein und akribisch schrieb er alles auf, was sich zutrug, verfasste Gedichte und Geschichten. ,,Die zahllosen, von Hand geschriebenen Seiten und die vielen Fotos sind ein zeitgeschichtlicher Familienschatz",freut sich Michaela Stein über die literarische Ader, die Sorgfalt und die Genauigkeit ihres Großvaters. Ein Kuriosum: Erich Angerer gab allen seinen Mitarbeiterinnen eine ganz besondere Mitgift mit in die Ehe. „Wer heiraten wollte, musste vorher bei ihm das Kochen lernen", erzählt Michaela Stein. ,,Erst dann durften die Frauen vor den Traualtar treten." Auf Erich Angerer folgte Peter Angerer, Michaela Steins Vater.

In der 131-jährigen Geschichte wurden über 50 Mitarbeitende ausgebildet. Das Gute aus der Vergangenheit wurde beibehalten, um Trends erweitert und das Sortiment an die Bedürfnisse der Kunden angepasst. Peter Angerer nahm zum Beispiel Nähmaschinen ins Programm auf. Michaela Stein wiederum hat das Fachgeschäft ab 2005 nach ihren Vorstellungen modernisiert. Sie entschied sich dafür, das Angebot um Stoffe zu erweitern, bietet Strick- und Nähkurse sowie eine Vielzahl von Näh- und Overlockmaschinen an. Größtes Plus sei die hohe, über Jahrzehnte gewachsene Beratungsqualität, für die Michaela Stein immer wieder Wertschätzung vonseiten ihrer Kundinnen und Kunden erfährt. Den Schritt, die Familientradition weiterzuführen, hat die 46-Jährige nie bereut. ,,Für mich ist das eine Herzenssache", sagt sie, und bezeichnet den ,,Zwing", der unsichere Zeiten durch zwei Kriege und die Corona-Pandemie überlebt hat, als den ,,Fels in der Brandung". Und so gibt es nach wie vor auch Kurzwaren in Hall, zum Beispiel rund 50 000 lose Knöpfe. dia

Info - Zum Jubiläum, das aufgrund der ein Jahr später gefeiert Corona-Pandemie  wird, gibt es im November Rabattwochen, Aktionstage, ein Glücksrad und Strickkurse, unter anderem einen, in dem Männer Island-Pullis stricken. Nähmaschinenhersteller sind da und ein Kreativwettbewerb wird veranstaltet.