Sonderveröffentlichung

Ulmer Denkanstöße Ein Kick nach dem anderen

„Intensität“ lautet das Motto der diesjährigen Denkanstöße im Ulmer Stadthaus. Wir leben gerne intensiv, am besten immer schöner, höher und weiter - doch irgendwann kann die ständige Optimierung auch an ihre Grenzen stoßen.

09.03.2020

„Carpe Diem – nutze den Tag“ - ein schlauer Spruch, der einem immer wieder begegnet, auf Postern, Bildschirmschonern oder Tassen. Nicht wenige sehen heutzutage in diesem Spruch eine Art Lebensmotto, denn ihnen erscheint das Leben erst lebenswert, wenn ein Kick dem nächsten folgt. Wer regelmäßig in sozialen Netzwerken unterwegs ist, kann anderen beim täglichen Streben nach dem nächsten Kick regelrecht zusehen: der Sprung in das blaueste Meer, die Fahrt mit dem schnellsten Auto, das Essen der exotischsten Speisen oder Figur-Vollendung in einer perfekten Yoga-Pose. Intensität, so kann man wohl sagen, ist ein Versprechen der Moderne.

Das unstillbare Verlangen des Menschen nach Glück durch andauernde Steigerung der Lebensintensität. Nicht nur immer mehr erfreuliche Erfahrungen soll das gute Leben bringen, es soll auch immer intensiver sein. Dabei ist das Streben nach Intensität keineswegs nur negativ, äußert sich darin doch eine lebensbejahende Haltung, die alle Bereiche durchdringt: Intensivierung der Wahrnehmung, Intensivierung des Körpergefühls, Intensivierung von Achtsamkeit oder Steigerung der emotionalen Intensität.

Ich will mehr, mehr und nochmal mehr!

Dieses ständige Streben nach Optimierung birgt aber auch Risiken: Alles muss perfekter, beschleunigter, produktiver, maximaler und optimierter werden. Doch was, wenn man nicht die nächste Stufe erreicht, wenn der Kick ausbleibt? Die maßlose Steigerung treibt das Versprechen der Moderne an eine Grenze: Überforderung, Erschöpfung, Zerstörung von Mensch und Natur, greifbar etwa in Phänomenen wie Freizeitstress und Burnout. Ausbeutung oder Umweltkrisen sind die Folge. Die ständige Suche nach dem Kick bringt so statt der erhofften Erfüllung schnell die Ernüchterung und Erschöpfung. Dazu kommt, dass Intensität sich nicht unendlich steigern lässt, jede Steigerung hat eine natürliche Grenze, jeder Kick wird irgendwann zur Routine.

Die vielen Facetten der Intensität

Intensität mit all ihren Facetten - so lautet das Motto der diesjährigen Denkanstöße im Ulmer Stadthaus. An vier Tagen gibt es Vorträge und Dis-Diskussionen zum Thema Intensität - die oftmals ein Wechselspiel der Emotionen verheißt. Dabei besteht die Veranstaltung im Stadthaus aus zwei Teilen. Am Freitag werden die positiven Aspekte aufgezeigt, der Flow, der Kick, das Glück, das man dabei empfindet, und auch die oftmals damit einhergehende Persönlichkeitsentwicklung. Dazu gibt es auch ein Gastspiel der Theaterei Herrlingen mit dem Stück „Emmas Glück“ am Freitag um 20.30 Uhr.

Die Schattenseiten der Intensität wie Überforderung, Depressionen, Sucht und Angst werden bei den Vorträgen und Referaten am Samstag genauer beleuchtet.

Der Eintritt zu den verschiedenen Veranstaltungen der Denkanstöße ist frei. Alle Einnahmen aus freiwilligen Spenden der Veranstaltung werden der Suchtberatung der Caritas Ulm-Alb-Donau zugutekommen.

Info Die Ulmer Denkanstöße sind vom 11.-14. März im Ulmer Stadthaus. Das gesamte Programm siehe unten, weitere Informationen auch im Internet unter www.ulmer-denkanstoesse.de.

Emmas Glück

Die Theaterei Herrlingen spielt im Stadthaus

Ein Kick nach dem anderen-2
Emma geht das Leben ganz pragmatisch an.

Auf einem abgelegenen, heruntergekommenen Bauernhof lebt die eigenwillige Emma mit ihren Schweinen. Gegen alle Anfeindungen der Außenwelt behauptet sie sich selbstbewusst und mit gesundem Pragmatismus. „Lieber Gott, mach mich reich oder glücklich“, lautet ihr tägliches Gebet. Mit einem großen Knall scheint beides eines Nachts in Erfüllung zu gehen... Ein Solostück von Claudia Schreiber am Freitag, 13. März, um 20.30 Uhr.

Abenteuer und Kriminalfälle

Die Redner bei den Denkanstößen reißen das Publikum mit und sorgen so auch für neue Impulse.

Ein Kick nach dem anderen-3
Dr. Christian Peter Dogs erklärt Intensität in der Medizin.
Ein Kick nach dem anderen-4
Giesela Friedrichsen wird über Intensität im Recht referieren.
Ein Kick nach dem anderen-5
Lukas Irmler erzählt über seine Abenteuer als Slackliner.
Ein Kick nach dem anderen-6
Prof. Dr. Paul Kirchhof hält den Abschlussvortrag.

Lukas Irmler, Sklackliner aus Freising, war schon bei Stern TV, dem Kika oder im ZDF Fernsehgarten zu sehen. Vor 14 Jahren entdeckte Lukas das Slacklinen für sich – ein Sport, bei dem man ein Kunstfaserband spannt und darauf balanciert. Nachdem er seinen Bachelor abgeschlossen hatte, beschloss er, seine Passion zu leben, und ist seither professioneller Slackliner. Er bereist die Welt und kommt an die grandiosesten Winkel des Planeten. Von seinen Abenteuern erzählt er bei seinem Vortrag „Die Intensität des Moments“ am Freitag, 13. März, um 15 Uhr.

Dr. med. Christian Peter Dogs definiert sich nach einer umfangreichen Facharztausbildung in verschiedenen psychiatrischen, neurologischen und psychosomatischen Kliniken als Arzt, der aus dem Leben kommt und nicht aus dem Lehrbuch. Zur Finanzierung seines Studiums arbeitete er als Müllarbeiter, Tennistrainer, Masseur, Bademeister und als Animateur und Reiseleiter - für ihn wichtige Bausteine seiner Ausbildung. Seine These: Unsere Gesellschaft entwickelt sich zu einer Gemeinschaft, in der fast jeder Dritte psychisch krank war, ist oder werden wird. Menschen werden von der Fachwelt psychisch krank geredet und eine ganze „psychosomatische Industrie“ lebt gut davon. Impulsreferat am 14. März um 14 Uhr.

Gisela Friedrichsen ist freie Gerichtsreporterin, unter anderem für Zeitungen wie „Die Welt“ sie wird bei ihrem Impulsreferat Intensität im Bereich des Rechts aufzeigen. Die Strafjustiz kennt den Ausdruck „Intensivtäter“: Delinquenten, die aus Strafe nichts lernt. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte haben immer wieder mit Menschen zu tun, die nicht strategisch überlegt Taten begehen, sondern die in höchster Erregung oder aufgrund einer Persönlichkeitsstörung

Prof. Dr. Paul Kirchhof war unter anderem Richter des Bundesverfassungsgerichts und Präsident des Deutschen Juristentages. Seine Vortragsthese: Der moderne Mensch gestaltet sein Leben im Bemühen um stete Verbesserung. Im Wirtschaftsleben strebt er nach größtmöglichem Gewinn oder versucht, im Wettbewerb den Konkurrenten zu überbieten. Dies überfordert den Menschen, macht ihn süchtig und drängt ihn in Spiel und Wette. Wir müssen uns zur Freiheit neu qualifizieren. Abschlussvortrag am 14. März um 17 Uhr.