„Es wird in den nächsten Jahren einen gewaltigen Technologiesprung geben.“
Sonderveröffentlichung

Kraftfahrzeug und Verkehr „Es wird in den nächsten Jahren einen gewaltigen Technologiesprung geben.“

Der Mobilitäts- und Technikwandel stellt die Kfz-Branche vor eine Herausforderung. Ludger Wendeler, Obermeister der Kfz-Innung Göppingen, blickt dennoch optimistisch in die Zukunft.

Innungsobermeister Ludger Wendeler ist optimistisch, dass die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden. Foto: Innung

16.08.2021

Herr Wendeler, das Ende für den Verbrennermotor ist beschlossene Sache. Viele Hersteller haben bereits angekündigt, künftig nur noch auf den elektrischen Antrieb zu setzen. Wie bewerten Sie das?Ludger Wendeler: Die Fahrzeuge müssen noch sauberer werden, das steht außer Frage. Die Kfz-Branche hat sich dabei schon immer für Technologieoffenheit eingesetzt und dafür plädiert, auch Alternativen zum Elektroantrieb nicht außer Acht zu lassen. Synthetische Kraftstoffe wären beispielsweise geeignet, auch Bestandsfahrzeuge mit Verbrennermotor „sauberer“ zu machen – von ihnen sind immerhin 48 Millionen auf deutschen Straßen unterwegs. Die Politik in der EU hat sich aber nun für den Elektromotor entschieden, um die Klimaziele zu erreichen und die Branche hat entsprechend reagiert. Nach wie vor gibt es bei Herstellern und auf Länderebene aber Projekte zu alternativen Antrieben.

Welche Vorteile bringt der Elektroantrieb mit sich?

Der Elektroantrieb hat im Vergleich zur Brennstoffzelle, zum Wasserstoff und auch zum Verbrennermotor die höchste Effizienz. Das heißt, dass hier der größte Anteil an Energie in Leistung umgesetzt wird. Für den breiten Individualverkehr wäre die Technologie also durchaus zukunftsfähig, sofern es genügend Strom gibt und sich auch die Technologie der Batterien entsprechend entwickelt.

Vor allem die fehlende Ladeinfrastruktur bereitet Kritikern Kopfschmerzen. Wie sehen Sie das?

Hierzu hat sich die EU leider nicht klar geäußert. Tatsächlich sehen wir jetzt schon, dass die bisherige Ladeinfrastruktur im privaten Bereich an ihre Grenzen stößt, weil die Energieversorger nicht genügend Leistung zur Verfügung stellen können und auch der Ausbau öffentlicher Ladesäulen geht zu langsam voran. Woher der benötigte Strom kommen soll, wenn ab 2035 nur noch Elektrofahrzeuge zugelassen werden und wie die Infrastruktur dann aussieht, ist noch eine spannende Frage.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die problematische Herstellung und Entsorgung der Batterien.

Die Lithium-Ionen-Technik ist in meinen Augen nicht wirklich zukunftsfähig in Anbetracht der Reichweite, des Gewichts der Akkus und der verwendeten Rohstoffe wie Kobalt und Lithium. Es wird aber mit Hochdruck an der Batterietechnologie geforscht. Ich bin davon überzeugt, dass es hier in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen großen Sprung gibt und Batterien entwickelt werden, die sich nicht nur schneller laden lassen und eine größere Reichweite ermöglichen, sondern die auch in Bezug auf ihre Herstellung und Entsorgung einen kleineren ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

Ab 2035 sollen nur noch reine Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Ist das realistisch?

So ist es von der Politik zumindest vorgesehen. Wir sehen aber, dass sich auch die Kunden immer mehr darauf einstellen. So lag der Anteil an Elektro- und Hybridfahrzeugen, die im ersten Halbjahr 2021 im Landkreis zugelassen wurden, schon bei fast 41 Prozent, bundesweit bei etwa 40 Prozent. Für andere Einsatzbereiche wie Nutzfahrzeuge und große Lkw müssen mit Sicherheit aber andere Lösungen gefunden werden: Um einen 40-Tonner zu bewegen, müsste allein die Batterie schon acht Tonnen wiegen. Das ist nicht praktikabel.

Auf welchen Antrieb setzt man am besten, wenn man heute ein Auto kaufen möchte?

Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, denn eine Empfehlung hängt ganz stark davon ab, wie das Fahrzeug genutzt werden soll. Handelt es sich beispielsweise um einen Zweitwagen mit wenig Kilometerleistung, der überwiegend im Nahverkehr gefahren werden soll, kann ein Elektrofahrzeug heute schon eine gute Alternative sein, wenn man die Lademöglichkeit hat. Für Vielfahrer, die im Jahr um die 100 000 Kilometer unterwegs sind, macht in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Ökobilanz eigentlich nur der Diesel Sinn. Zwischen diesen beiden Wegen kann ein Hybrid die Lösung sein. Richtig eingesetzt und regelmäßig geladen sind Hybride eine gute Brückentechnologie bis zum Jahr 2035, die Reichweite mit den Vorteilen des elektrischen Fahrens verbindet. Sie eignen sich außerdem für alle, die sich dem Thema Elektromobilität annähern wollen.

Und wer noch einen Verbrenner haben will?

Auch wer sich jetzt noch einen Verbrenner leisten möchte, macht nichts falsch, denn dieser hat nachher Bestandsschutz. Die Kunden haben also freie Wahl. Unsere Innungsbetriebe beraten hier gerne und unterstützen auch bei der Bedarfsanalyse. Fällt die Entscheidung zugunsten eines Hybrids oder Elektrofahrzeugs, vermitteln wir außerdem Kontakte zu Elektrikern, wenn es um das Thema Ladeinfrastruktur geht. Dafür werden wir auch die Zusammenarbeit mit der Elektro-Innung vertiefen.

Was bedeutet die Transformation für die Autohäuser und Werkstätten?

Die Autohäuser und Werkstätten werden in die Infrastruktur und in die Ausstattung investieren müssen. So werden für die neuen Antriebe hochvoltfähige Reparaturplätze benötigt, außerdem Ladesäulen in den Werkstätten und spezielle Lagerbereiche für Batterien.

Offen ist noch die Frage, ob die Batterien wie bisher in den Werkstätten nur ausgebaut und zur Reparatur an die Hersteller geschickt werden oder ob die Batterien in Zukunft direkt vor Ort gewartet werden. Dies hat auch großen Einfluss auf die zukünftige Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter, die ohnehin an die neue Technologie angepasst werden müssen.

Sind diese Investitionen für kleine und freie Werkstätten überhaupt zu stemmen?

Auch sie werden sich verändern müssen, obwohl es für einige eine Herausforderung wird, vor allem wenn sie keine Herstellerunterstützung haben. Es gibt jedoch Werkstattsysteme, an die man sich anschließen kann und die bei der Transformation Unterstützung bieten. Außerdem werden die Fahrzeuge mit Verbrennermotor auch nicht von heute auf morgen von unseren Straßen verschwinden und ich kann mir sogar vorstellen, dass ihr Verkauf vor 2035 noch mal eine Renaissance erlebt. Im Durchschnitt wird ein Fahrzeug etwa zehn Jahre gefahren und deswegen gehen wir davon aus, dass Verbrennerautos mindestens noch weit bis ins Jahr 2045 hinein auf den Straßen zu finden sind. Es wird also noch viele Jahre ein großes Wartungspotenzial in diesem Bereich geben, von dem die kleineren Werkstätten profitieren werden.

Die Mobilität wird sich weiter wandeln. Steht irgendwann das Auto selbst vor dem Aus?

Diese Frage beantworte ich mit einem klaren „Nein“. Zwar wird sich die Technologie immer weiter verändern und sowohl Hersteller und Autohäuser als auch Politik und Gesellschaft fordern, aber das Auto selbst wird auch in Zukunft wichtig bleiben. Daniela Strohmaier

Zur Person

Ludger Wendeler ist Obermeister der Kfz-Innung Göppingen und Vizepräsident des Kfz-Landesverbands. Zudem ist er geschäftsführender Gesellschafter von Burger Schloz Automobile.

Ausbildung: beste Perspektiven im Kfz-Handwerk

Das Auto ist niemals „out“ – und die beruflichen Aussichten in der Kfz-Branche bleiben besonders gut.

Kreis Göppingen. „Mit einer Ausbildung im Kfz-Handwerk ist der Arbeitsplatz sicher“, ist Innungsobermeister Ludger Wendeler überzeugt. „Mobilität wird schließlich immer wichtig sein. Und eine gute Ausbildung öffnet alle Türen zu einer vielversprechenden Karriere.“ Wer zum Beispiel nach der Ausbildung noch die Meisterschule erfolgreich abschließt, ist seit 2020 dem akademischen Bachelor gleichgestellt – und profitiert darüber hinaus von praktischer Erfahrung, die während des Studiums kaum zu sammeln ist.

Ausbildung am Puls der Zeit

Die Technologie der Fahrzeuge ist im Wandel, das betrifft sowohl die Antriebe als auch die Ausstattung, die immer elektronischer wird. Um mit dem Stand der Technik mitzuhalten, werden auch die Ausbildungsinhalte stetig an die neuen technischen Gegebenheiten angepasst. Ludger Wendeler weiß: „Die Zeiten, in denen man täglich ölverschmiert nach Hause kommt, sind passé. Natürlich wird die Arbeit in der Werkstatt bis zu einem gewissen Grad immer körperlich bleiben, insgesamt wird sie aber sauberer. Wichtiger wird dafür das Interesse am Umgang mit Computern, Analyseprogrammen und Elektronik.“

Freie Ausbildungsplätze im Landkreis

Bei einem Schnupperpraktikum in einem Innungsbetrieb erfährt man am besten, ob einem die Arbeit im Kfz-Handwerk zusagt. Ludger Wendeler rät, sich aber nicht zu lange Zeit zu lassen: „Wer sich für eine Karriere im Kfz-Handwerk entscheidet, bewirbt sich am besten jetzt schon beim Betrieb seiner Wahl für das Ausbildungsjahr 2022.“ Aber auch für dieses Ausbildungsjahr gibt es noch Möglichkeiten: „Einige wenige Ausbildungsstellen sind noch unbesetzt und Kurzentschlossene haben die Chance, schon in wenigen Wochen in ihr Berufsleben starten zu können.“

Info

Informationen zu den Ausbildungsmöglichkeiten in der Kfz-Branche findet man ausführlich auf der Internetseite www.autoberufe.de. Informationen zu Ausbildungsbetrieben in der Region gibt es auch bei der Kfz-Innung Göppingen.

Zulassungszahlen

686 Neufahrzeuge
wurden im Juli im Landkreis Göppingen zugelassen (Juni: 765). Davon waren 95 Elektrofahrzeuge (122), 201 Hybridfahrzeuge (196) und davon 121 Plugin-Hybridautos (109).

2530 Gebrauchtwagen, die im Juli zugelassen wurden, zählt das Landratsamt Göppingen (Juni: 2373).

Autos mit Verbrennermotor werden nicht von heute auf morgen verschwinden.