Kunst zu einem Stück des Alltags machen
Sonderveröffentlichung

Leonhard Kern und Europa Kunst zu einem Stück des Alltags machen

Rückblick: Sylvia Weber, Direktorin der Kunsthalle Würth, erzählt von der Eröffnung 2001, dem umtriebigen Museumsalltag und den Schwierigkeiten in Corona-Zeiten.

Sylvia Weber, Chefin der Kunsthalle Würth. Foto: Würth/ars

06.06.2021

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Den Bau der Kunsthalle Würth hat Sylvia Weber als Direktorin der Sammlung Würth von Anfang an begleitet. Seit 2013 ist sie Geschäftsbereichsleiterin Kunst und Kultur der Würth-Gruppe.

Erinnern Sie sich noch an den Moment als damals im Mai 2001 das rote Band durchgeschnitten wurde? Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Sylvia Weber: Zunächst war erst einmal die Erleichterung groß, dass der Bau und die Ausstellungen fertig geworden waren. Denn auch damals schon war der Termin für die Eröffnung zum baulichen Verlauf sportlich gewählt.

Zum ersten Mal wurde damals die Sammlung Würth im größeren Kontext ausgebreitet und vorgestellt. Es gab einen Überblick der Sammlung in der Kunsthalle, zum andern „The Last Judgement Sculpture“ von Anthony Caro in der Johanniterkirche und zu guter Letzt noch die Ausstellung zu Architekt Henning Larsen, letztere in Kooperation mit dem damals noch jungen Haller Kunstverein im neu erworbenen Sudhaus. Die Übergabe des Hauses durch den Architekten Henning Larsen im Globe-Theater, dann Gerhard Schröder und Reinhold Würth vor dem roten Band an der Kunsthalle Würth waren also der Auftakt eines wunderschönen, überwiegend sonnigen Wochenendes für die Kunst mit vielen, auch internationalen Gästen in Schwäbisch Hall. Und viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt feierten mit. Der Schweizer Künstler Bernhard Luginbühl trug dazu bei, indem er auf dem Grasbödele eine seiner Verbrennungen samt kleinem Feuerwerk durchführte. Ein richtiges Spektakel.

Und das Haus selbst stieß sofort auf beträchtliches Interesse, bei Kunst- wie Architekturinteressierten gleichermaßen.

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Margarete Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb, macht bei ihrem Besuch 2016 in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall Erinnerungsfotos mit dem Smartphone. Fotos: Archiv
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Malerstar David Hockney lockt 2009 bei der Eröffnung der Ausstellung „David Hockney – Nur Natur. Sammlung Würth und Leihgaben“ viele Medienvertreter nach Hall. Fotos: Archiv
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Große Kunst auf dem Vorplatz der Kunsthalle Würth lädt zum Besuch ein. Außerdem gibt es von dort einen prächtigen Blick über die Altstadtsilhouette Schwäbisch Halls. Fotos: Archiv
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Kulturstaatsministerin Monika Grütters stattet 2015 der Kunsthalle Würth und der Johanniterkirche einen Besuch ab. „Das ist ja imposant“, sagt sie als sie vor der Kunsthalle Würth aus dem Auto steigt. Reinhold Würth zeigt ihr die Ausstellung „Moderne Zeiten“. Fotos: Archiv

Wie hat sich die Kunsthalle Würth in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus Ihrer Sicht verändert?

Tja, wie verändert sich etwas, wenn 4,45 Millionen Menschen etwas miteinander teilen (lächelt). So viele Besucherinnen und Besucher hatten wir in 45 Ausstellungen tatsächlich seit Mai 2001. Man lernt voneinander und geht aufeinander zu. Außerdem ist natürlich vieles gewachsen, die Sammlung selbst von rund 5400 Werken um etwa das Dreifache auf heute über 18 500 Exponate, die Kontakte zu anderen Sammlungen und Museen wurden intensiver, das Renommee einerseits, die Akzeptanz andererseits wuchs – wo wir früher noch um die eine oder andere Leihgabe regelrecht kämpfen mussten, fällt dies heute leichter, zumal natürlich die Sammlung Würth selbst großzügig mit Leihgaben ist. Und es ist gelungen, die Kunsthalle Würth zu einer festen Adresse zu machen unter Kunstinteressierten genauso wie bei Hall-Touristen. Bei unseren rund 30 verschiedenen Kunstvermittlungsprogrammen ist für jeden etwas dabei. Dabei hat die Kernidee Kontinuität bewiesen: Kunst auf der Basis der Sammlung Würth für möglichst viele Menschen zu einem Stück ihres Alltags zu machen.

Und wie hat die Kunsthalle Würth die Stadt verändert?

Was wir als positive Resonanz erfahren, ist immer wieder die Aussage, dass sich die Kunsthalle Würth und die Stadt Schwäbisch Hall ganz wunderbar ergänzen. Sicher ließen der lebendige Museumsalltag, die Vernissagen bei meist schönem Wetter, die vielen Lesungen und Vorträge mit kunstsinnigen Experten gerade im Quartier der Katharinenvorstadt eine neue Urbanität entstehen.


Oder Ausstellungen wie „Henry Moore: Epoche und Echo, Englische Bildhauerei im 20. Jahrhundert“, die sich auch auf die andere Kocherseite ausweiteten, boten eine wunderbare Gelegenheit, das historische Stadtbild mit einzubeziehen. Andererseits jetzt wieder das gemeinsame Projekt zu Leonhard Kern mit dem Hällisch-Fränkischen Museum schafft Bewegung in der Stadt, unsere Besucher nutzen die weiteren Angebote in Schwäbisch Hall.

"Ich bin gern am Shop oder in der Cafeteria, um unserem Publikum mög - lichst nah zu sein.

45 Ausstellungen gab es in den vergangenen 20 Jahren in der Kunsthalle Würth – welche davon war das wohl herausforderndste Projekt?

Ganz sicher das aktuelle – allerdings keineswegs wegen der Ausstellung selbst, sondern ob der vielen Unwägbarkeiten der Pandemie. Ansonsten hatte noch fast jedes Projekt eine schwierige Besonderheit: mal die Beschaffung der Leihgaben, mal der Katalog, mal das Wetter oder andere Katastrophen (lacht).

Haben Sie eigentlich einen Lieblingsort, einen Lieblingsplatz in der Kunsthalle Würth?

Mir gefällt es überall, weil am Ende eines Ausstellungsaufbaus jedes Werk für eine Zeit seinen richtigen Platz gefunden hat. Natürlich hat man aber in jeder Ausstellung Lieblingsecken, es gibt immer Kunstwerke, die einen besonders berühren, auch wenn es stets um das Ganze geht. Tatsächlich bin ich aber heute noch selbst gern am Shop oder in unserer Cafeteria, um unserem Publikum möglichst nah zu sein und dessen Reaktionen zu spüren.

Und wie sieht es mit einem Lieblingskünstler beziehungsweise einer Lieblingskünstlerin aus?

Immer diejenigen, deren Werke wir gerade zeigen (lächelt), denn die meisten Kunstwerke verändern etwas in uns, wenn man sich drauf einlässt. Zu manchen findet man den Zugang schneller, bei anderen schaut man zweimal hin.

Die Pandemie-Situation ist auch eine harte Prüfung für die Kunsthalle Würth – was hat sich damit für Sie geändert?

Tatsächlich sind Umplanungen und Neuplanungen ein riesiger Aufwand – in der Kulturbranche plant man in der Regel mindestens 24 Monate im Voraus. Deshalb waren die kurzfristigen Reaktionen auf die Pandemie schwierig, der zweite siebenmonatige Lockdown für die Kultur jedoch auch. In der Zeit haben wir uns tatsächlich in der Digitalisierung vorangebracht. Man kann uns heute virtuell besuchen oder sich über die App und digitale Rundgänge einen Einblick in die Ausstellungen verschaffen, ohne dass man vor Ort war. Doch jetzt heißen wir im ganzen Team gerne wieder unser Publikum in allen Häusern von Herzen willkommen und laden hier wie dort zum Kunstgenuss in jedem Format. Die Begegnungen, das Wiedersehen ist wichtig.

Denken Sie, dass es eine Rückkehr zu Normalität geben wird?

Mit Prognosen tut man sich immer schwer, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen, sagte Karl Valentin. Ich zähle hier auf unser Publikum, denn nur ein Haus mit Gästen kann die oder eine neue Normalität zurückbringen. Für Ausstellungen und die Veranstaltungen dazu jedenfalls ist gesorgt. Dafür bin ich vor allem dem ganzen großartigen Team dankbar, dass es in dieser Zeit so engagiert dabeiblieb.

Der 20. Geburtstag konnte im Mai nicht groß gefeiert werden – werden Sie das noch nachholen können?

Das Nachholen ist so eine Sache, wenn man neuen Termine auch eine Chance geben will. Es ist schon was dran an der Redensart, man soll die Feste feiern wie sie fallen. Wir werden deshalb lieber mit begleitenden Veranstaltungen das ganze Jahr zu einem Jubiläumsjahr machen. Und dabei nicht vergessen, dass ja auch das Museum Würth in Künzelsau noch dieses Jahr 30. Geburtstag hat. Für die vielen inspirierenden Begegnungen an beiden Orten und für die Möglichkeiten auch weiterhin ein Zeichen für die Kraft der Kunst zu setzen, sind wir Reinhold Würth und dem Unternehmen außerordentlich dankbar. Das ist doch letztlich für uns alle das größtes Geschenk zum Jubiläum. Oder nicht?

Wenn Sie mal 20 Jahre in die Zukunft blicken, also ein bisschen in die Kristallkugel: Wie wird die Kunsthalle Würth im Jahr 2041 aussehen?

Da bin ich dann 80 (lacht) und hoffe, dass die Kunsthalle Würth immer noch tolle Ausstellungen mit freiem Eintritt zeigen wird, zu denen sie ihre Besucherinnen und Besuchern – auch mich – einladen kann und auch sonst mit der Zeit gegangen ist.

Die Kontinuität des Kultur-Engagements und der Sammlung Würth ist dank Reinhold Würth so fest im Unternehmen Würth verankert, dass die Besucherinnen und Besucher wohl auch 2041 noch in der Kunsthalle Würth mit internationaler Kunst inmitten beeindruckender Architektur und Stadtkulisse rechnen dürfen oder auf den einen und anderen renommierten Kunst- oder Literaturschaffenden und ihre kunstsinnigen Experten und Vermittler treffen werden.

Ein Vorbote der Zukunft sind hier sicher die Pläne zur Erweiterung der Kunsthalle Würth, die wir aktuell gemeinsam mit der Stadt Schwäbisch Hall und den Architekten verfolgen und die das Haus etwas modernisieren, großzügiger machen, noch besser erschließen werden und sich unseren und den Besucherbedürfnissen anpassen. Bettina Lober