Von Heike Siegemund
Mit der Diagnose Krebs verändert sich das Leben – das weiß auch Wolfgang Marasek aus Eybach, der an Blasenkrebs erkrankt war. „Ich bin operiert worden, kam aus dem Krankenhaus und der Anschlussheilbehandlung zurück – und habe dann niemanden gefunden, mit dem ich sprechen konnte über die Krankheit und darüber, wie es mir geht“, erinnert sich der heute 62-Jährige an das Loch, in das er damals fiel. Schließlich wandte er sich an seinen Nachbarn Hans-Peter Fleischer, der vor einigen Jahren ebenfalls Krebs hatte – bei ihm war es Prostatakrebs. Beiden wurde daraufhin klar: In der Geislinger Region fehlt eine Gruppe für an Krebs erkrankte Menschen, in der sich diese über ihre Probleme und Ängste austauschen können. So beschlossen die beiden Männer, die „Selbsthilfe Krebs Geislingen“ zu gründen.
Vom Ulmer Selbsthilfebüro Korn (Koordinationsstelle Regionales Netzwerk), das etwa 200 Selbsthilfegruppen in der Region Ulm/Neu-Ulm verwaltet, erhielten Marasek und Fleischer alle nötigen Infos zur Gründung. Und so wurde die Geislinger Gruppe Ende September 2015 ins Leben gerufen. „Das Selbsthilfebüro Korn begleitet uns seither konstant, vermittelt uns Kontakte, bietet Lehrgänge an und unterstützt uns auch beim Beantragen von Geld“, sagt Marasek.
Zwischen zehn und 45 Frauen und Männer nehmen mittlerweile das Angebot der „Selbsthilfe Krebs Geislingen“ in Anspruch, besuchen die monatlichen Gruppentreffen, die immer am letzten Mittwoch eines Monats um 19 Uhr im Geislinger Mehrgenerationenhaus stattfinden. Dabei sprechen sie zum Beispiel über die Nebenwirkungen durch die Chemotherapie, über psychische Probleme oder über die Angst vor dem Tod, berichtet Fleischer. Aber auch über fröhliche Themen, über Alltägliches oder Erlebnisse im Urlaub tauschen sich die Gruppenmitglieder aus. „Es kann alles angesprochen werden, auch die Themen Entspannung, Ernährung, sportliche Aktivitäten. Das Thema Selbsthilfe hat keinen Anfang und kein Ende“, erklärt Marasek und der 67-jährige Hans-Peter Fleischer ergänzt: „Es herrscht eine familiäre Atmosphäre“.
Sollten Kontakte zu Experten gewünscht werden, können Marasek und Fleischer auch hier weiterhelfen. Letztlich gehe es aber auch darum, sich gegenseitig zu unterstützen und Mut zu machen, sich zu motivieren, das Leben trotz der Erkrankung zu genießen, den Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen und nicht nur über die Leiden und Ängste nachzudenken. Durch die Gruppe sollen die Betroffenen lernen, im Alltag besser zurecht zu kommen und gemeinsam etwas erleben, das man alleine nicht erleben könnte oder möchte. Willkommen sind Betroffene aller Krebsarten, die Unterstützung zur Krankheitsbewältigung suchen oder ihre eigenen Erfahrungen weitergeben möchten, aber auch Angehörige und am Thema Interessierte.
Viermal im Jahr besuchen externe Experten die Gruppe und referieren zu speziellen Themen, zum Beispiel zu innovativen Therapieverfahren zur Behandlung von urologischen Tumoren, zum Thema „Medikamente zur Schmerztherapie“ oder zur „Modernen Therapie – Löst der Roboter alle Probleme?“. Dazu werden Ärzte und Fachleute eingeladen. „Wir haben uns ein Netzwerk aufgebaut, auf das wir stolz sein können“, betont Marasek und verweist auf die Alb-Fils-Kliniken, das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, die Unikliniken Ulm, Tübingen und Heidelberg sowie Kontakte zu anderen Krebs-Selbsthilfegruppen. Darüber hinaus besucht Hans-Peter Fleischer regelmäßig Vorträge, die bei Patiententagen in den Krebszentren Ulm und Tübingen stattfinden, um die dort erhaltenen Informationen an die Geislinger Gruppe weitergeben zu können.
Die Gruppe „Selbsthilfe Krebs Geislingen“ bietet darüber hinaus offene Yogastunden an. Dabei wollen sich die Betroffenen mit professionell angeleiteten Übungen ganzheitlich stärken und so zu einer Gesundung beitragen, sagt Fleischer, der selbst regelmäßig Yoga praktiziert.
Grillfeste, Ausflüge, Weihnachtsfeiern – auch dies gehört zum Angebot der Geislinger Gruppe. Mit Blick in die Zukunft wollen Marasek und Fleischer eine Ernährungsberatung auf die Beine stellen. Außerdem soll das Thema Sport nach Krebs mehr in den Fokus rücken.
Außensprechstunden der Krebsberatungsstelle
Seit etwa einem Jahr gibt es wöchentliche Außensprechstunden der Krebsberatungsstelle Ulm, die dienstags jeweils im Wechsel im Altenstädter Rathaus in Geislingen und im Gesundheitsamt in Göppingen stattfinden. Die Gruppe „Selbsthilfe Krebs Geislingen“ war mitunterstützend tätig, dass der Landkreis Göppingen diese Sprechstunde finanziert, betont Wolfgang Marasek. Der Förderverein psychosoziale Krebsberatung im Landkreis unterstützt die Außensprechstunden.
Termine kann man unter der Telefonnummer 0731 / 88 01 65 20 vereinbaren. Dieses Angebot richtet sich an Betroffene und deren Angehörige. Sie erhalten allgemeine Informationen, werden psychosozial und psychoonkologisch beraten und betreut. Außerdem gibt es Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheit und der persönlichen Lebenssituation; dies umfasst auch Hilfestellungen bei sozialrechtlichen Fragen und die Vermittlung wohnortnaher Hilfsangebote.