Ich bin überzeugt, dass unser künftiges Heimatblatt seine Aufgaben zur Zufriedenheit unserer Leser erfüllen wird, so wie dies früher schon bei unseren beiden Heimatzeitungen der Fall war. Die wiedererstandene Tageszeitung macht es sich sicherlich zur vornehmsten Aufgabe, die Leser über alle wichtigen Ereignisse mit besonders gutem Einfühlungsvermögen aus nächster Nähe und aus eigenem Miterleben zu unterrichten. Aus diesem Grund wünschen wir dem Hohenloher Tagblatt für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben eine gedeihliche und segensreiche Entwicklung.“
Ausgesprochen wurde dieser Wunsch vor 75 Jahren von dem damaligen Gerabronner Bürgermeister Jakob Wiedmann. Zusammen mit vielen ehemaligen Lesern der früheren Heimatzeitungen „Der Vaterlandsfreund“ Gerabronn und „Fränkischer Grenzbote“ Crailsheim begrüßte er „in aufrichtiger Freude“ das neue Erscheinen des Hohenloher Tagblatts.
Zeitung für alle
Der Rubrik „Zum Geleit“ wurde in der am Freitag, 1. Juli 1949, erschienenen Zeitung ein prominenter Platz mit Rahmen eingeräumt, wurde an diesem Tag doch Hohenloher Zeitungsgeschichte geschrieben. Auch Landrat Werner Ansel und Crailsheims Bürgermeister Wilhelm Gebhardt freuten sich, dass die beiden Zeitungen nach vierjährigem Schweigen unter einem neuen gemeinsamen Titel „wieder ihre Stimme erheben.“ Sie zeigten sich überzeugt, dass dem Hohenloher Tagblatt voller Erfolg beschieden werde, wenn sich dessen Verantwortliche klar bewusst seien, dass das Hohenloher Tagblatt „eine Zeitung für alle werden und bleiben soll.“
Möge der geneigte Leser selbst entscheiden, ob seine Zeitung die vor 75 Jahren formulierten Erwartungen bis heute erfüllt hat. Inzwischen haben sich technische Herstellung, Format, Layout, Nachrichtenbeschaffung, journalistischer Anspruch, Leserinteresse und -ansprüche sowie Umfang immer wieder verändert.
Große Themen
Und was waren die wichtigsten Themen in dieser ausschließlich mit Texten bestückten und zum Einzelpreis von 15 Pfennig erhältlichen ersten Ausgabe? Der Aufmacher widmete sich einer Besprechung der Ministerpräsidenten der Bizone mit den Militärgouverneuren Hays und Robertson in Frankfurt. Dabei ging es zunächst um die Genehmigung des Soforthilfegesetzes, um die Verrechnung der Getreideimporte und Probleme der Kapitalinvestierungen und dann um die Frage des vorläufigen Bundessitzes. Die augenblickliche Lage in dieser Frage wird als „höchst unerfreulich“ beschrieben, der zu dem Thema entstandene Zwiespalt sei „nicht notwendig gewesen“. Einzelheiten darüber werden nicht genannt, nur soviel: Die Alliierten würden sich in dieser Frage keineswegs einmischen, wünschten aber bald zu wissen, wie die Entscheidung laute.
Die großen politischen Themen bestimmten schon damals die Titelseite, die ohne Bilder und mit auf vier Spalten verteilten, langen Texten in kleinem Schriftgrad einer Bleiwüste (damals wurde im Bleisatz gearbeitet) glich, in der sich der Leser zurechtfinden musste und gefordert wurde.
In „Noch kein Ergebnis in Paris“ wurde über die Sitzung der aus „acht Mitgliedern bestehenden Sonderausschusses des Konsultativrates der OPEC“ in Paris berichtet. In einem langen, auf die zweite Seite umlaufenden Kommentar befasst sich der Verfasser unter der Überschrift „Labour am Scheideweg“ mit dem „sozialistischen Experiment Englands“.
Und was war noch wichtig an diesem 1. Juli 1949? An den Berliner Westsektoren zogen am Vortag sowjetische Truppen und bewaffnete deutsche Polizei auf, um die Einfuhr von Lebensmitteln aus der Ostzone zu verhindern. Selbst kleine Mengen wurden beschlagnahmt. Und in einer kurzen Meldung auf der Titelseite war zu lesen, dass ein Bombenangriff nationalchinesischer Flugzeuge auf Schanghai nahezu 500 Todesopfer gefordert hat. Und was natürlich damals wie heute nicht fehlen durfte: die Wettervorhersage.
Bunte Mischung
Die zweite Seite der Erstausgabe des Hohenloher Tagblatts war als „bunte Seite“ angelegt. Informiert wurde über die Zahl der Vertriebenen in Württemberg-Baden (695.618), über Heimkehrertransporte im Mai (24 Transporte mit 4153 Personen), über das größte Flottenmanöver aller Zeiten (über 1000 Kriegsschiffe mit 22.000 Mann aus Einheiten der britischen, französischen, holländischen und belgischen Flotte). In Stuttgart wurde die Deutsche Postgewerkschaft gegründet und in der Staatsoper „Der Rosenkavalier“ aufgeführt.
Lokale Inhalte
Und was war im Altkreis Crailsheim das wichtigste Ereignis? Die Sitzung des Kreisrates. Damals wie heute waren Krankenhäuser ein großes und viel diskutiertes Thema, wenngleich in anderen Dimensionen: Die vorläufigen Verpflegungssätze für Crailsheim lagen bei 5.20 DM, für Gerabronn bei 4.10 DM. „Crailsheim braucht dringend Möbel und Bettwäsche, die Heizanlage muss verbessert und das ganze Gebäude instandgesetzt werden“, ist in dem Bericht nachzulesen. Und im Krankenhauswesen von einst waren noch ganz andere Aufgaben zu bewältigen. So gab der Kreispfleger unter anderem bekannt, dass in Zukunft eine Rentabilitätsberechnung der Gartenerzeugnisse und die der Hühner und Schweinehaltung fortgesetzt wird.
Des Weiteren beschäftigten sich die Kreisräte mit Themen wie Beschälplatte und Jagdsteuer, Kreisumlage und sozialer Wohnungsbau, Wiederaufbau des Alten Schlosses für die Unterbringung der zurzeit im gesamten Stadtgebiet liegenden Ämter.
Und was hat sich seinerzeit in der Sportwelt abgespielt? „Der letzte Großkampf vor dem Endspiel“ lautete die Überschrift für die Neuauflage des Vorrundenschlusspiels zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Kaiserslautern. Die „Tour de France“ wurde als „Das Radrennen der Superlative“ eingestuft und der Deutsche Fußballbund stand vor seiner Wiedergründung.
Weitere Rubriken
Ein fester Bestandteil der Zeitung seit 75 Jahren ist der Roman. „Kampf um Belle“, eine Geschichte aus den kanadischen Bergen von Hendryk Oyen, war für die Leser eine willkommene Abwechslung vom Alltag und Ausflug in eine andere Welt.
Bis heute unverändert gehören Wirtschaftsthemen zu Schwerpunkten in der Berichterstattung. Die Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken in Schrozberg hat im Jahr 1948 rund 4,6 Millionen Kilogramm Milch zu Butter, Käse und Quark verarbeitet beziehungsweise nach Stuttgart geliefert und an die Verbraucher abgegeben, wie den bei der Generalversammlung vorgetragenen Berichten zu entnehmen war. „Zu Beginn forderte der Vorsitzende die Milcherzeuger zu unbedingter genossenschaftlicher Treue auf“ ist weiter nachzulesen.
Die Meldungen auf dieser Seite befassten sich mit der Bildung eines gemischten Chores in Onolzheim, mit explosiven Fundsachen in Oberregenbach und Eichenau (drei Granaten), Flüchtlingsversammlungen im Kreisgebiet und einem schwer verletzten Traktorfahrer in Hornberg. Dekan Matthes machte sich unter der Überschrift „Ich kann nicht ansehen das Sterben des Kindes!“ Gedanken zum Tag des Inneren Mission.
Werbung für Gardinen
Noch einen bescheidenen Umfang hatte der Anzeigenteil, in dem Seilerwaren für die Landwirtschaft, das Baugewerbe und die Industrie sowie geflochtene Wäscheleinen und Gardinenkordeln angeboten wurden, auf die Große Rinderleistungsschau mit 270 Bullen und Kühen in Blaufelden hingewiesen, zur Kinoaufführung von „Der unbekannte Sänger“ eingeladen, „Vorzügliche Lagerbiere“ angepriesen und „wegen Anschaffung eines Lastzuges“ ein vierjähriges Ostfriesenpferd sowie ein neuer Wagen zum Verkauf ausgeschrieben wurden. Wolfgang Rupp
Glückwunsch
Zum 75. Jubiläum des Hohenloher Tagblatts möchte ich meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen und mich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich schätze am Hohenloher Tagblatt besonders die ausführliche Berichterstattung über kommunale Themen, die unsere Bürgerinnen und Bürger bewegen. Damit leistet das Hohenloher Tagblatt einen wichtigen Beitrag zur Information und Aufklärung der Bevölkerung und trägt maßgeblich zur Meinungsbildung und zur demokratischen Teilhabe bei.
Nah an den Menschen
Editorial
Als das Hohenloher Tagblatt vor 75 Jahren erstmals erschien, war es für die Menschen im heutigen Altkreis Crailsheim die einzige Informationsquelle, die den Fokus auf die Region richtete: Es brachte ihnen zuverlässig Tag für Tag die Nachrichten aus der Region und aus aller Welt nach Hause, berichtete über lokale Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport, ordnete ein, kommentierte, porträtierte Menschen und unterhielt mit bunten Geschichten. Wobei bunt hier nicht wörtlich zu verstehen ist: Gedruckt wurde damals nämlich ausschließlich in Schwarz und Fotos gab es noch gar nicht auf den Zeitungsseiten.
Durch die Digitalisierung ist die Medienwelt um ein Vielfaches komplexer geworden. Auch das Hohenloher Tagblatt hat sich verändert – nicht nur mit einer modernen Optik, zu der selbstverständlich jetzt auch Farbe und Fotos gehören, Rubriken, Serviceseiten und Sonderformate. Die gedruckte Zeitung gibt es inzwischen auch als E-Paper, lesbar bereits am Vorabend. Darüber hinaus produzieren die Redakteurinnen und Redakteure, die von reinen Print- zu Multimediajournalisten geworden sind, exklusive Online-Beiträge zu aktuellen Themen, die über den Tag verteilt publiziert werden. Und die Entwicklung geht weiter: Es gibt bereits erste Experimente mit Künstlicher Intelligenz.
Bei allen Veränderungen hat das Hohenloher Tagblatt seinen ureigenen Auftrag nicht vergessen: Lokalzeitung für die Menschen in der Region zu sein. Sie auf dem Laufenden zu halten über die Themen, die im Gemeinderat kontrovers diskutiert werden. Die Hintergründe zu liefern, warum die hausärztliche Versorgung in Gefahr und die Finanzierung der Krankenhäuser so schwierig ist. Zu erklären, was der ländliche Raum zum Klimaschutz beitragen kann. Vor einer Wahl die Kandidaten vorzustellen und ihre Stärken und Schwächen zu beleuchten. Und nach der Wahldas Ergebnis zu analysieren. Sportliche Erfolge zu feiern, wirtschaftliche Entwicklungen sowie gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse zu würdigen und die Menschen zu porträtieren, die hier im Hohenloher Land Großes geleistet oder im Stillen gewirkt oder 100 Jahre alt geworden sind.
Das Hohenloher Tagblatt ist seit nunmehr 75 Jahren nah dran an den Menschen in Hohenlohe. Und das wird es auch in Zukunft immer sein.
Was war im Jahr 1949 los?
Jahrestage
Januar: Der Crailsheimer Gemeinderat beschließt den Bau einer Schwemmkanalisation der Kläranlage sowie die Erweiterung der Leonhard-Sachs-Schule.
Februar: Ein Heimkehrertransport mit 350 Kriegsgefangenen aus Polen kommt auf dem Crailsheimer Bahnhof an.
Juli: Fischsterben in der Jagst bei der Heldenmühle.
August: Wiederaufnahme der Gasversorgung in Crailsheim und Einweihung des neuen Sportplatzes des VfR Altenmünster am Wasserturm.
September: Einweihung der wiedererrichteten Jagstbrücke und erster Volksfestumzug nach dem Krieg. Motto: „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“.
Oktober: Richtfest Erweiterungsbau des Krankenhauses.
Dezember: Inbetriebnahme des neuen Bahnhofsgebäudes.