Region gilt als „überversorgt“
Wenn nun die Ärzte Susanne Dinkelacker und Matthias Hudek die Genehmigung für die Granheimer Arztpraxis erhalten sollten, gibt es zumindest laut dieser Quote genug Ärzte im „Mittelbereich“ Ehingen, der sich von Oberdischingen bis Emeringen erstreckt und rund 52 000 Einwohner umfasst. Dort ist ein Hausarzt pro 1706 Einwohnern festgelegt. Eine politisch definierte Zahl, die sich allein an den Kosten orientiert. In dem Bereich liegt demnach zum 30. Juni 2021 sogar eine Überversorgung vor: 32,75 Vertragsärzte gibt es im Planungsbereich, das Soll läge bei 31: „Die Patienten vor Ort sehen das unter Umständen ganz anders“, betont Sonntag.
Deutlich großräumiger als bei den Hausärzten erfolgen die Planungen für Fachärzte – je spezialisierter ein Arzt ist, desto größer wird der Bereich. Als überversorgt gilt demnach der Alb-Donau-Kreis unter anderem bei Chirurgen und Orthopäden (Versorgungsgrad 170 Prozent), Frauenärzten (114,8 Prozent), Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (117,8 Prozent), Hautärzten (123,5 Prozent) sowie Kinder- und Jugendärzten (110,9 Prozent). In diesen Fachbereichen sind Neuansiedelungen im Kreis derzeit nicht möglich.
Ein Problem, das sich für viele Patienten aufzeigt: Vor allem, aber nicht nur die Fachärzte sitzen häufiger in größeren Städten, die Wege sind mitunter weit. Eine Sorge, die die CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer (Wahlkreis Ulm) durchaus vernimmt: Viele ältere Mitbürger treibe die Sorge um, dass sich die medizinische Versorgung in den kommenden Jahren im ländlichen Raum verschlechtern könnte. „Ich kann diese Sorgen gut nachvollziehen“, sagt Kemmer. Eine Maßnahme, die Kemmer nennt, sind „finanzielle Anreize zur Praxisgründung“, sobald in einer Region Unterversorgung drohe.
Für kleinere Planungsgebiete
Aber nicht nur. Kemmer plädiert auf Nachfrage unter anderem auch dafür, die Planungsgebiete kleiner zu fassen: Der Bedarfsplan lasse regionale Abweichmöglichkeiten zu, etwa hinsichtlich der Verkehrsanbindung. „Die Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen dieses Steuerungsinstrument nicht konsequent. Daher braucht es verbindliche Regelungen und kleinere Planungsgebiete.“ Befürworter dieser Lösung wollen damit verhindern, dass sich der Großteil der Ärzte in größeren Städten niederlässt, wenn es auch Plangebiete ohne eine größere Stadt gibt.
In ein ähnliches Horn stößt auch die Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis (SPD), scheidende Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ulm: „Wir brauchen eine andere regionale Aufteilung, damit die Konzentration in Ballungsgebieten nicht mehr so offensichtlich ist.“ Auch ihr schwebt eine „kleinräumigere Quotierung“ vor. Ein Schwerpunkt der Niederlassung von Ärzten in Ulm bringe den Bürgern auf dem Land nichts, so gut seien di Verkehrswege nicht. Ohne die entsprechende Steuerung ziehe es Ärzte umso mehr in größere Städte, wo ein Praxis-Standort als lukrativer gelte.
Auch Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter für die Grünen im Wahlkreis Ulm ist dafür, diese Bereiche anders aufzuteilen. Das Problem sieht er vor allem bei der Facharzt-Versorgung. „Hier ist es wichtig, dass die räumliche Aufteilung kleinteiliger wird“, sagt Emmerich. Dazu gehöre allerdings auch, dass man den Arztberuf auf dem Land attraktiv gestalte, was im Alb-Donau-Kreis über die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) geschehe. Dort können Ärztinnen und Ärzte auch in Teilzeit arbeiten, auch die Granheimer Praxis wurde zeitweise als Filialpraxis des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Munderkingen betrieben. Diese MVZ gehören zur kreiseigenen ADK GmbH mit Sitz in Ehingen, die auch die Krankenhäuser im Alb-Donau-Kreis betreibt. Der Druck auf die Kassenärztlichen Verbände müsse steigen, damit sich auch Fachärzte im ländlichen Raum niederlassen, sagt Emmerich.
KVBW ist dagegen
Kai Sonntag von der KVBW hält eine kleinteiligere Kartierung für einen großen Fehler. Diese würde an mehreren Faktoren scheitern, sagt Sonntag. „Sie kriegen damit nicht mehr Ärzte“, sagt Sonntag. „Es wäre ein grober Fehler zu denken, dass wir einen Sitz schaffen und dann gibt es dort einen Arzt. Wir dürfen nicht glauben, dass wir durch mehr Planung bessere Ergebnisse hinkriegen.“ Indirekt nimmt er damit auch Bezug auf eine starke Verhandlungsmacht von Ärzten. Außerdem nähmen Patienten schon heute weite Wege auf sich, um zu dem Arzt, bei dem sie sich am besten versorgt fühlen, zu fahren. „Das hört sich patientenunfreundlich an, ist es aber nicht“, sagt Sonntag. So gehe eine Frau zu dem Gynäkologen, bei dem sie sich am besten aufgehoben fühle. Martin Tröster und Amrei Oellermann
Versorgungsquoten in der Region
Ulm/Alb-Donau Im Mittelbereich Blaubeuren-Laichingen liegt der Versorgungsgrad bei Hausärzten bei 96,9 Prozent, hier wären 3,5 weitere Hausärzte möglich. Ulm mit umliegenden Kommunen wie Blaustein, Erbach und den Holzstock-Gemeinden ist ein eigener Mittelbereich, Versorgungsgrad hier: 108,6 Prozent. Sowohl im Raum Ulm wie auch Ehingen übersteigt der Versorgungsgrad die 100-Prozent-Marke, ab 110 gilt: „Ab diesem Wert wird ein Gebiet gesperrt“, betont Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Dann können weder neue Arztpraxen gegründet noch zusätzliche Ärzte in bestehenden Praxen eingestellt werden.
Kreis Neu-Ulm Neu-Ulm Elchingen, Nersingen, Holzheim, Pfaffenhofen, Senden, Vöhringen, Weißenhorn, Roggenburg, Bellenberg und die Stadt Neu-Ulm gehören zum Planungsbereich Neu-Ulm. In diesem Gebiet versorgen 107 Hausärzte knapp 145 000 Einwohner, zeigt der Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) von August 2021. Das entspricht 98,5 Vollzeitstellen. Der Planungsbereich hat einen Versorgungsgrad von gut 109 Prozent. Es gibt also etwas mehr Hausärzte, als laut Bedarfsplanungs-Richtlinie benötigt werden. Ähnlich sieht es im südlichen Landkreis aus. Im Planungsbereich Illertissen gibt es 22 Hausärztinnen und -ärzte für gut 31 000 Einwohner, was ebenfalls einem Versorgungsgrad von 109 Prozent entspricht. bf