Wege in Therapieberufe
Sonderveröffentlichung

Berufswahl und Ausbildung Wege in Therapieberufe

Berufsfachschule oder Hochschule? Künftige Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden haben oft die Qual der Wahl.

Foto: www.adobestock/Nedrofly

28.01.2024

Im Gesundheitswesen herrscht – wie in vielen Branchen – Fachkräftemangel, der Bedarf an Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten ist hoch. Doch der Weg in diese Therapieberufe kann unterschiedlich aussehen. Denn neben der dreijährigen Ausbildung an einer Berufsfachschule haben sich in den letzten Jahren auch verschiedene Studiengänge etabliert. Sigrun Nickel vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) beobachtet die Teilakademisierung bereits seit längerem: „Diese Parallelführung von Berufsausbildung und akademischem Weg stellt die Leute, die sich für diese Berufe interessieren, vor besondere Herausforderungen“, sagt sie. Gemeinsam mit einer Kollegin hat Nickel ausgewertet, dass die Ausbildung an einer Berufsfachschule in Deutschland immer noch dominiert, der Zulauf an den Hochschulen aber wächst. Und wer einen akademischen Abschluss anstrebt, kann aus verschiedenen Formaten wählen. Wie also eine Entscheidung treffen?

Zunächst einmal zur beruflichen Ausbildung: Diese ist sowohl bei Physiotherapeuten wie auch Logopäden und Ergotherapeuten jeweils bundesweit einheitlich geregelt. Alle drei Ausbildungen dauern drei Jahre und kommen für Menschen mit mittlerem Schulabschluss in Frage. Sie finden an entsprechenden Berufsfachschulen statt und – abhängig vom Beruf – im praktischen Teil der Ausbildung etwa in Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen oder logopädischen Praxen.

Viele verschiedene Studienoptionen

Die Wege zum akademischen Abschluss in den Therapieberufen können hingegen unterschiedlich aussehen – und erfordern eine Hochschulzugangsberechtigung, Abitur etwa oder Fachhochschulreife. Bei primärqualifizierenden, auch grundständig genannten, Studiengängen studiert man an einer Hochschule und absolviert Praxisphasen in therapeutischen Einrichtungen. Beim dualen, ausbildungsintegrierenden Studium gibt es laut Nickel von vornherein zwei Lernorte: einen Ausbildungsbetrieb und die Hochschule. „Das Besondere ist die enge inhaltliche und organisatorische Verknüpfung zwischen beiden“, so die Expertin. Weniger verbreitet ist das ausbildungsbegleitende Studium. Hier müssen Arbeitgeber und Hochschule nicht zwangsläufig miteinander kooperieren.

Und auch nach einer Ausbildung ist das Studium möglich: Insgesamt sind derzeit sogar die meisten Studiengänge in den Therapieberufen als Ergänzung – additiv – zu einer bereits abgeschlossenen Ausbildung im Gesundheitsbereich angelegt. Vorausgesetzt wird beim Studium laut Julia Schirmer vom Deutschen Verband für Ergotherapie (DVE) zwar eine Hochschulzugangsberechtigung. Diese könne jedoch auch über eine Anerkennung von Kompetenzen erfolgen. Ein additives Studium dauere laut Schirmer in der Regel zwei bis drei Semester. Bei den anderen Formaten müsse man sich auf mindestens sieben Semester einstellen. Und damit auf eine längere Dauer als bei der dreijährigen Ausbildung an der Berufsfachschule.

Enge Begleitung bei der Ausbildung

Sollte nun, wer eine Hochschulzugangsberechtigung hat, auf jeden Fall studieren? Laut Julia Schirmer vom DVE nicht unbedingt. „Wenn jemand eine enge Begleitung und vorgegebene Strukturen braucht und eine überschaubare Atmosphäre sucht, kann auch eine Berufsfachschule das Richtige sein“, so die Ergotherapeutin. Hier seien die Kohorten meist kleiner als an Hochschulen.

Ein weiterer Vorteil besteht laut Sigrun Nickel vom CHE darin, dass der Weg in den Beruf bei der Ausbildung oft klar vorgezeichnet ist, wenn die Berufsfachschulen eng mit Unternehmen kooperieren. „Die bieten mir dann, ähnlich wie im ausbildungsintegrierenden oder -begleitenden Studium, nach dem Abschluss möglicherweise eine Übernahme an“, so die Expertin. Sie hält die Ausbildung zudem für eine gute Option für Menschen, die sehr praktisch veranlagt sind und eine „Hands-on-Mentalität“ haben. Laut Antje Krüger, Vizepräsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl), sind allerdings auch in einem Studium praktische Anteile vorgeschrieben – und kommen nicht zu kurz. Der zentrale Unterschied zwischen Ausbildung und Studium besteht ihr zufolge darin, „dass man nach Abschluss eines Bachelorstudiums gelernt hat, wissenschaftlich zu arbeiten und den Patienten evidenzbasiert zu behandeln“. Man sei dann in der Lage, sich in aktuelle Studien einzulesen, könne daraus Schlussfolgerungen für die eigene Arbeit ziehen. „Sie können etwa bewerten, ob eine Therapiemethode im Einzelfall Sinn ergibt oder nicht“, so Krüger.

Wege ins Ausland

Sigrun Nickel empfiehlt außerdem denjenigen ein Studium, die sich die Option offenhalten wollen, später im Ausland zu arbeiten. Dort ist die akademische Ausbildung bereits der Standard. Für Julia Schirmer überwiegen die Vorteile eines Studiums: „Man trifft die Kollegen aus den benachbarten Therapieberufen und da kann interprofessionelle Lehre von Anfang an stattfinden.“ Zudem gebe es mehr Möglichkeiten als in der Ausbildung, bereits während des Studiums Auslandserfahrungen zu sammeln. Auch Minettchen Herchenröder, Generalsekretärin des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK), spricht sich klar für ein Studium aus, sofern man eine Hochschulzugangsberechtigung hat: „Die Alternativen nach einem Studienabschluss sind sehr viel vielseitiger als nach einem Berufsabschluss“. Es bestehe die Möglichkeit, in die Hochschullehre und Forschung zu gehen. Auch könne man unmittelbar nach dem Studium eine Leitungsposition übernehmen. dpa/Hilde Kraatz