„Ich fühle mich ab und zu wie ein Goldgräber“, so die Sozialarbeiterin vom Haller Berufswahlbüro
Sonderveröffentlichung

Berufswahlmesse Schwäbisch Hall „Ich fühle mich ab und zu wie ein Goldgräber“, so die Sozialarbeiterin vom Haller Berufswahlbüro

Rahel Meyer und Matthias Noller vom Projekt X-tra4U kümmern sich um Schüler, die aufgrund von Problemen im Schulalltag oder zu Hause nicht mehr zur Schule gehen.

Rahel Meyer und Matthias Noller bilden das Team von X-tra4U, einem AWO-Projekt in Schwäbisch Hall. Foto: privat

25.10.2021

Lücken im Lernstoff nach einem Jahr Home Schooling, Praktika, die wegen der Pandemie nun nachgeholt werden müssen, die Bewerbung für einen Ausbildungsplatz – auf die Absolventen kommt in diesem Schuljahr einiges zusammen. Manche Schüler kommen mit den Anforderungen gut zurecht, für andere ist die Doppel- und Dreifachbelastung nur schwer oder gar nicht zu bewältigen. In solchen Fällen kommen Rahel Meyer und Matthias Noller vom Projekt X-tra4U ins Spiel. Sie sind Ansprechpartner an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule in Schwäbisch Hall, wenn Schüler viele Fehlzeiten oder keinen Praktikumsplatz haben und der Abschluss gefährdet ist.

Schulabsentismus lautet der Fachbegriff für das unerlaubte Fernbleiben vom Unterricht über einen längeren Zeitraum. Während früher rigorose Maßnahmen die Folge waren, wird heute aktiv Hilfe angeboten, zum Beispiel mit X-tra4U. Ziel des Angebotes der Arbeiterwohlfahrt in Schwäbisch Hall ist es, „Schulabbrüche zu vermeiden, die Ausbildungsreife zu verbessern und durch die Pandemie ausgelöste Nöte zu mildern“, erklärt Matthias Noller. Seit September dieses Jahres unterstützt der 27-Jährige zusammen mit seiner Kollegin Rahel Meyer die Jugendlichen bei der Überwindung von Schulmüdigkeit, damit sie einen gelungenen Abschluss und einen guten Übergang in den Beruf schaffen können. Beide arbeiten vor Ort im Berufswahlbüro im Schulzentrum West.

„Mir macht es viel Freude, mit den Jugendlichen gemeinsam Lösungsstrategien zu erarbeiten“, sagt Matthias Noller, der seine Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher in Lindau am Bodensee absolviert hat. „Die bisher beste Zeit meines Lebens“, schwärmt er. Immer wieder seien es Lücken, die im vergangenen Jahr aufgrund des fehlenden Präsenz-Unterrichts entstanden sind, und die es den Schülern erschwerten, mit dem neuen Stoff Schritt halten zu können, hat Matthias Noller erfahren.

Die Motivation, überhaupt noch zur Schule zu gehen, lässt nach. Aber auch Probleme mit Gleichaltrigen oder im Elternhaus, Väter und Mütter, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen nicht um ihre Kinder kümmern, und Suchtprobleme spielten eine Rolle. Die Gründe, die hinter der Schulverweigerung stünden, seien sehr verschieden. Daher gelte es, individuelle Lösungen zu finden und die Jugendlichen durch Coachings zu stärken. „In jedem jungen Menschen steckt schließlich das Grundbedürfnis, sich weiterzuentwickeln.“

Schweigepflicht ist wichtig

Auch Rahel Meyer mag ihre Arbeit mit den Jugendlichen sehr. Ab und zu fühle sie sich dabei wie ein Goldgräber, erklärt die 31-Jährige und lächelt. Und zwar deshalb, weil in wirklich jedem Menschen Ressourcen steckten, die es „auszugraben“ gelte. „Oftmals haben die Jugendlichen in der Vergangenheit viel Ablehnung erfahren und wir sind die einzigen in ihrem Leben, die noch an sie glauben“, sagt die studierte Sozialarbeiterin. Damit die Schüler offen und vertrauensvoll über ihre Situation sprechen können, sei es nötig, eine Beziehung aufzubauen. Da seien viel Feinfühligkeit und eine Kommunikation auf Augenhöhe gefragt. „Vielen Jugendlichen ist es dabei wichtig, dass wir der Schweigepflicht unterliegen“, erklärt Matthias Noller.

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Wenn Jugendliche nicht mehr weiter wissen und der Schule fernbleiben, erhalten sie auf Wunsch Hilfe. Foto: Fizkes/Shutterstock.com
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Um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen, haben sich Rahel Meyer und Matthias Noller zum Schuljahresbeginn im Unterricht vorgestellt. Außerdem veranstalten sie regelmäßig AGs, also Arbeitsgemeinschaften, wie vor kurzem zum Thema Praktikum und Berufswahl. „Wir haben dabei zum Beispiel Recherchekanäle aufgezeigt, erklärt, wie man ein Telefonat mit dem potenziellen Arbeitgeber führt, und den Jugendlichen geholfen, einen Lebenslauf zu schreiben“, informiert Matthias Noller. Claudia Linz 
   

X-tra4U: Hoffen auf Nachfolgeprojekt

Das Projekt X-tra4U wurde im Rahmen des Operationellen Programms des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Baden-Württemberg 2014 und 2020 beantragt und bewilligt. Beginn war der 1. Januar 2015. Im Dezember dieses Jahres läuft es aus und muss neu beantragt werden. Die Hälfte der Kosten werden über den ESF finanziert, die andere Hälfte tragen Stadt und Landkreis Schwäbisch Hall. Laut Eva Beyerhaus habe sich das Projekt als wertvolle Ergänzung zur Arbeit der Klassenlehrer und der Schulsozialarbeiter an der Schule bewährt. „Wir hoffen sehr auf ein Nachfolgeprojekt im nächsten Jahr“, sagt die Diplom-Pädagogin bei der AWO in Hall.