Eineinhalb Jahre Stillstand, eineinhalb Jahre Ungewissheit und eineinhalb Jahre Hoffen gehen damit zu Ende. Wie die ganze Gesellschaft, will auch der Sport das Thema Corona so schnell wie möglich hinter sich lassen. „Am meisten freue ich mich darauf, dass Team wieder zusammen bei einem GFL-Spiel sehen zu können“, sagt Headcoach Jordan Neuman.
Es kann also losgehen mit der Jagd nach der deutschen Meisterschaft – denn dies formulieren die Unicorns offensiv als Saisonziel. „Wir wollen den German Bowl gewinnen“, gibt Jordan Neuman ohne Umschweife zu. „Das ist das Ziel, was wir der Mannschaft am Anfang der Saison auch klarmachen werden. Aber danach vergessen wir das erstmal wieder und konzentrieren uns Woche für Woche auf das nächste Spiel.“ Dass die Haller nach dem Titel streben, ist legitim. In den letzten neun Endspielen waren die Unicorns achtmal vertreten, viermal gewannen sie am Ende den German Bowl (2011, 2012, 2017, 2018) sogar.
Haben die Unicorns 2021 mehr Potenzial als in den Jahren davor? „Das ist eine gute Frage. Ich bin selbst gespannt, wie gut wir sein werden“, sagt der Haller Headcoach. „Wir haben ein talentiertes Team und wir haben auch Selbstvertrauen. Aber Talent auf dem Papier ist das eine, wir müssen es aber auch auf dem Platz zeigen“, erklärt Neuman.
Mehr Laufspiel
In der Offense werden die Haller ihre Spielweise verändern. Bislang definierte sich das Unicorns-Angriffsspiel viel über den Pass, nun soll das Running Game einen größeren Raum einnehmen. „Wir werden mehr Laufspiel haben und auch mehr über die Tight Ends gehen“, gibt Neuman schon mal einen Einblick. Als Top-Runningback haben die Unicorns John Santiago aus den USA verpflichtet. Vier Jahre spielte er an der University of North Dakota in der College-Division 1. Sollte Santiago an sein Leistungsoptimum im neuen Umfeld herankommen, können sich die Fans auf spektakuläre Läufe freuen.
Für ein großes mediales Echo sorgte die Ankündigung, dass Moritz Böhringer nach seiner Zeit in der NFL nun wieder in Schwäbisch Hall Football spielen wird. „Am Anfang wird er auf der Tight-End-Position spielen. Aber ich denke, dass er im Laufe der Zeit auch Receiver sein wird. Er ist ein sehr starker Spieler“, sagt Neuman über den Rückkehrer.
Zwar steht Nate Robitaille bei den Receivern nicht mehr zur Verfügung, aber die Haller Coaches können bei den Passempfängern auf ein breites Repertoire zurückgreifen. Klare Nummer 1 ist Tyler Rutenbeck, der seine Klasse schon oft nachgewiesen hat. Mit dem österreichischen Neuzugang Yannick Mayr, dem 2,08-Meter großen Aurieus Minton, Joshua Haas und Yannick Baumgärtner haben die Unicorns noch weitere Receiver auf dem Roster, die für den Unterschied sorgen können. „Natürlich waren Rudy und Robi zusammen schwer zu kontrollieren für unsere Gegner“, erklärt Jordan Neuman. „Aber auch Yannick Mayr hat einen guten Speed und Aurieus Minton mit seiner Größe kann wichtige Pässe fangen.“ Neuman weiter: „Das Laufspiel öffnet alles. Wenn wir mit John Santiago, Maurice Schüle oder Jannis Fiedler gut laufen, dann gibt es mehr Lücken für die Receiver.“
Benton fehlt vorerst
Die Defense der Haller soll laut Headcoach Neuman Dominanz ausstrahlen. Ein großer Verlust bedeutet zunächst das Fehlen von Defensive Tackle Devin Benton. Der 28-jährige US-Amerikaner war in den vergangenen Saisons die wichtigste Stütze in der Haller D-Line. Aus privaten Gründen wird er den Beginn der Saison verpassen. Auch Jordan Neuman weiß nicht, ob und wann Benton zurückkehren kann. „Es ist noch nicht zu 100 Prozent sicher, dass er die komplette Saison nicht da ist, aber wir müssen erstmal auf ihn verzichten“, verdeutlicht Neuman. Die Unicorns schauen nun zwar nach einem neuen amerikanischen Defense-Spieler, aber Neuman traut auch anderen zu, die Lücke zu füllen, die Benton hinterlässt. „Ich bin sehr gespannt, wie sich Corey Chapman und Da‘Ronte Smith schlagen werden.“ Zudem hält Neuman auch sehr große Stücke auf den neuen Cornerback Monteze Latimore. „Raheem Wilson war, als er hier war, einer der besten Cornerbacks in Europa. Auch Monteze kann dieses Niveau erreichen“, ist sich Neuman sicher. „Bei den Linebackern haben wir richtig schnelle Leute“, freut sich der Haller Headcoach.
Womit alle Teams – zumindest zu Beginn – in der neuen Saison zurechtkommen müssen, sind die fehlenden Zuschauer auf der Tribüne. „Das ist schon komisch. Normalerweise machen unsere Zuschauer immer Stimmung, wenn wir einen Touchdown erzielen oder einen Pass abfangen. Das fehlt natürlich“, bedauert Neuman. Das Coaching selbst sei etwas einfacher ohne die Geräuschkulisse. „Dann hören die Spieler, die auf der anderen Seite stehen, mich. Wenn es laut ist im Stadion, dann ist das normalerweise nicht möglich.“
Und auf wen müssen die Haller achten in ihrer Süd-Gruppe? „Leider wird Frankfurt Universe nicht mehr so stark sein“, so Neuman. Bei den Frankfurtern sind sehr viele zum ELF-Team der Galaxy rübergewechselt. Ähnlich sieht es bei den Stuttgart Scorpions aus. „Gegen Marburg waren es aber immer harte Duelle. Und die Allgäu Comets haben einen Riesenschritt nach vorne gemacht“, weiß Neuman. Auch die Munich Cowboys würde sich sukzessive verbessern. „Das Niveau in der GFL-Süd wird insgesamt nicht so viel schlechter werden, wie viele Leute glauben. Es rücken eben andere Teams in die Spitze vor.“
Wer letztendlich im Kampf um den Süd-Titel und anschließend in den Playoffs ein Wörtchen mitreden kann, wird sich im Laufe der Saison herausstellen. Auch wenn beim Season Opener gegen Ravensburg noch keine Fans im Stadion dabei sein dürfen, die wichtigste Botschaft senden die Unicorns aber schon mit Anpfiff des Spiels aus: Wir sind wieder da, das Virus und der lange Lockdown konnten uns nicht unterkriegen. Die Einhörner sind zurück auf Titeljagd. Viktor Taschner
"Gegen Marburg war es immer hart. Und Allgäu hat einen Riesenschritt nach vorne gemacht."
Jordan Neuman
Über die Konkurrenz in der GFL-Süd
Schrittweise ins Teamtraining zurückgekehrt
Die Pandemie hat weiterhin Einfluss auf den Trainings- und Spielbetrieb. Bereits im Januar trafen sich die Unicorns zu den ersten Vorbereitungen auf die Saison 2021 – allerdings nur im virtuellen Raum. „Wir haben online schon mal das Playbook gelernt. Das war neu und es hat sehr gut funktioniert. Das hat uns sehr geholfen“, sagt Neuman. In Zukunft möchte er an dieser Praxis festhalten, unabhängig von Corona.
Ab Februar durften die Haller Footballer in Kleingruppen auf den Trainingsplatz am Hagenbachstadion. „Alle zwei, drei Wochen wurde es dann ein bisschen mehr. Anfang April konnten wir dann ein komplettes Training mit dem ganzen Team absolvieren“, blickt Neuman zurück. Die Unicorns fielen als Bundesligist unter die Spitzensportverordnung. Der deutsche Footballverband hatte lange dafür gekämpft, dass seine Bundesligisten zu dieser Verordnung gezählt werden.
Vor dem Werfen, Fangen oder Tacklen steht jeweils der Gang ins Testzentrum an. Wer keinen aktuellen, negativen Test vorweisen kann, darf nicht auf den Trainingsplatz. „Mittlerweile ist es normal für uns, dass wir erst einen Test machen müssen. Wir haben uns daran gewöhnt“, so Neuman.