Wenn junge Mitarbeiter motiviert sind und größere Aufgaben übernehmen wollen, dann muss man ihnen diese Verantwortung auch übertragen und sie dafür qualifizieren.“ Die eigenen Angestellten zu entwickeln, nimmt bei Olaf Furtmeier einen hohen Stellenwert ein. Der Geschäftsführer des Reutlinger Maschinenbauers Burkhardt+Weber setzt auf die Fort- und Weiterbildung seiner Angestellten. „Etwa 80 Prozent unserer Führungskräfte wurden im Unternehmen selbst ausgebildet", sagt Furtmeier.
Über 1000 Angebote
Dass die Fort- und Weiterbildung ein immer wichtigeres Instrument wird, liegt am Fachkräftemangel. Wenn von außen kaum qualifiziertes Personal zu finden ist, sollten Firmen intern in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. „Die Grundlage für den Mittelstand ist nach wie vor eine solide Ausbildung", betont Olaf Furtmeier.
Das sieht auch Tanja Silvana Nitschke so. „Die ersten Gelder in Unternehmen, die gestrichen werden, sind die für Qualifizierung. Dabei ist es im Sinne der Transformation ungemein wichtig, die Arbeitnehmer auf die Arbeitswelt von morgen vorzubereiten", sagte die Bevollmächtigte der IG Metall Reutlingen-Tübingen. Nitschke sowie Dr. Ulrich Bausch, Vorsitzender des Netzwerks für berufliche Fortbildung Landkreise Reutlingen/Tübingen, und Petra Kriegeskorte, Regionalleiterin der beruflichen Fortbildung Neckar-Alb, stellen die neue Weiterbildungsbroschüre „Fit durch Fortbildung 2022/23" vor. Darin sind 1038 Angebote zur Fort- und Weiterbildung und Umschulung aufgeführt - so viele wie noch nie zuvor.
„Das einmal Gelernte hat ein immer schnelleres Verfallsdatum“, erklärte Ulrich Bausch. Die Broschüre richtet sich daher an Privatpersonen sowie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Gabelstaplerführerschein, Marketingcontrolling, Fachtrainer für Morbus Parkinson oder ein Abschluss in Wirtschaftsinformatik - das Kursangebot ist vielfältig. Die beiden aktuell wohl wichtigsten Bereiche: Sprachkenntnisse und IT. Die Arbeitswelt wird eben immer internationaler und digitaler.
Veränderte Arbeitswelt
Viele Unternehmen haben das erkannt - doch ebenso gibt es Arbeitgeber, die Ausflüchte suchen. „Wenn die Auftragslage gut ist, gebe es keine Zeit für Qualifizierungen. Ist die Auftragslage schlecht, fehle das Geld", berichtet Tanja Nitschke. Auf die Bedeutung der betrieblichen Fortbildung - und auf die vielen Möglichkeiten der finanziellen Förderung - aufmerksam zu machen, sei daher eine Dauerbaustelle. „Es ist ein Vorsprung, wenn man qualifiziertes Personal hat. Das sollte den Unternehmen bewusst sein", sagte Nitschke.
Dabei stellen sich die Träger der Weiterbildungsangebote ebenfalls auf die veränderte Arbeitswelt ein. Für kleine Unternehmen ist es oft nicht möglich, lange am Stück auf wichtige Mitarbeitende zu verzichten. „Als KFZ-Betrieb kann man den Meister nicht einfach zehn Wochen auf Fortbildung schicken“, sagt Nitschke. Daher bieten viele Träger Kurse in Modulform an.
Ein weiterer positiver Effekt der Weiterbildung ist die Unternehmenstreue. Wenn junge Menschen merken, dass der Arbeitgeber Zeit, Geld und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten investiert, bindet das. „Wir haben eine sehr geringe Fluktuation. Fast alle Auszubildenden bleiben nach der Ausbildung in unserem Unternehmen", sagt Burkhardt+Weber-Geschäftsführer Olaf Furtmeier. Für Tanja Nitschke ist zudem wichtig: Arbeitnehmer sollten nicht auf ein Angebot des Arbeitgebers warten. Unter anderem im Tarifvertrag zur Qualifizierung der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie von 2015 sind die Ansprüche auf betriebliche Weiterbildung klar geregelt. „Im Alltagsgeschäft geht die Qualifizierung oft unter, auch unfreiwillig", sagt Nitschke. „Beschäftigte sollten daher proaktiv auf ihre Vorgesetzten zugehen." Maik Wilke