Der menschbedingte Klimawandel ist global und lokal zunehmend spürbar. Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Flächenmittel von Deutschland zwischen 1881 bis 2021 statistisch gesichert um 1,7 Grad Celsius angestiegen, weltweit um 1,1 Grad. Damit ist das – im Pariser Klimaabkommen 2015 anvisierte – 1,5 Grad-Ziel in Deutschland schon überschritten.
Die sechs wärmsten Jahre seit 1881 in Deutschland sind nach 2000 aufgetreten. Das Jahr 2022 war hierzulande das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen vor über 140 Jahren. Die Temperaturen sind damit deutlich stärker angestiegen als im weltweiten Durchschnitt (etwa ein Grad Celsius).
Dies liegt darin begründet, dass sich die landbedeckten Erdregionen generell schneller erwärmen als die Ozeane, Städte sich stärker erhitzen als ländliche Gemeinden. Dabei hat die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs in Deutschland (wie auch weltweit) in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen. Die Anzahl der „Heißen Tage“ (Tagesmaximum der Lufttemperatur mindestens 30 Grad) – über ganz Deutschland gemittelt – hat sich seit den 1950er-Jahren von etwa drei Tagen pro Jahr auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr verdreifacht. Auch markante Hitzeperioden (zum Beispiel in 2022) nahmen in diesem Zeitraum sowohl in der Häufigkeit als auch in der Intensität zu. Demgegenüber nahm die mittlere Anzahl der Eistage (Tagesmaximum der Lufttemperatur unter null Grad) im gleichen Zeitraum von 28 auf 19 Tage pro Jahr ab.
Tropennächte in der Stadt
Und wie sieht die Entwicklung der Temperaturverhältnisse in Reutlingen und der Biosphärenregion Schwäbische Alb aus? Bezüglich der Stadt Reutlingen und Umgebung liegen Klimasteckbriefe aus dem Lokalen Klimaportal (LoKlim) der Universität Freiburg vor. Besonders kennzeichnend für die lokalregionale Klimaerwärmung beziehungsweise für die Charakterisierung sommerlicher Hitzeerscheinungen ist neben der bisherigen und zukünftig zu erwartenden Zahl an heißen Tagen (Temperaturmaximum größer oder gleich 30 Grad) die Anzahl an Tropennächten (nächtliches Temperaturminimum 20 Grad Celsius).
Die Innenstadt ist nachts in Hitzephasen oft gemessene 3 bis 9 Grad thermisch erhöht im Vergleich zur näheren Umgebung (zum Beispiel im Freiraum im Bereich des Stadions Kreuzeiche/Freizeitpark Markwasen nur circa 2,5 Kilometer entfernt vom Reutlinger Marktpatz, einem der innerstädtischen „Hot spots“). Daher bezeichnet die Klimatologie überwärmte Innenstädte auch als „städtische Wärmeinseln“, neuerdings sogar als „Hitzeinseln“ (Urban Heat Islands). Für die Albhochfläche und die Hochlagen des Biosphärengebietes Schwäbische Alb gilt die DWD-Klimamessstation Apfelstetten (750 Meter ü. M.) beziehungsweise Münsingen als repräsentative Kommune. Dort wurden 2022 sechs heiße Tage und keine Tropennacht aufgezeichnet, da das Temperaturmaximum nachts nur maximal 16,2 Grad betragen hatte.
Dieser Wert bildet einen Vergleichswert zu den zwei Tropennächten in Reutlingen zwischen dem 4. und 6. August 2022 mit nächtlichen Minimalwerten von durchgehend mehr als 20 Grad. Als nächtliches Temperaturmaximum an der Reutlinger Messstation ergab sich der schon erwähnte Messwert von 20,9 Grad in der Nacht vom 4. auf den 5. August.
Vergleicht man diese Messwerte mit den Klimaszenarien in den Steckbriefen des Lokalen Klimaportals für Reutlingen beziehungsweise Münsingen, ergibt sich folgende Beurteilung: In der Vergleichsperiode 1971 bis 2000 des Klimasteckbriefes für Reutlingen ergab sich ein gemessener Durchschnittswert an heißen Tagen von sechs, Tropennächte wurden keine festgestellt. Im Sommer 2022 wurde mit 19 heißen Tagen ein Wert erreicht, der erst für die „Ferne Zukunft“ (2071 bis 2100) im Klimasteckbrief für Reutlingen erwartet wurde.
Weniger Eistage auf der Alb
Der Winterniederschlag wird in Münsingen künftig um etwa fünf bis zehn Prozent zunehmen im Vergleich zur Periode 1971 bis 2000, tendenziell weniger als Schnee, sondern eher in Form von Regen. Eistage werden in Münsingen von 34 in der Vergleichsperiode 1971 bis 2000 auf 23 (Prognosezeitraum „Nahe Zukunft 2021 bis 2050“) auf nurmehr 8 Eistage stark (um fast 80 Prozent) abnehmen. Das bedeutet, dass nach 2050 Schnee kaum länger als ein paar Tage liegen bleiben wird. Keine rosigen Aussichten für alpine Brettlfreuden. Doch es wird aufgrund der natürlichen Varianz des Klimas Ausnahmejahre geben, sodass mindestens Skitourengehen, Langlauf und Schneeschuhwandern vereinzelt möglich sein werden. Radfahren und Wandern werden wahrscheinlich in den Wintermonaten auf der Alb an Bedeutung gewinnen.
Reinhard Braxmaier/Task Force Klima und Umwelt/ Stadt Reutlingen
KHS-Serie, erster Teil
Anstelle der Messe „Handwerk - Energie - Zukunft“ wollen die Kreishandwerkerschaft Reutlingen und ihre Partner in der fünfteiligen Serie ihre Anliegen in diesem Themenbereich darstellen.