Im Mai 2019 hat Julius G. Koller das geschichtsträchtige Bräuhaus am Alten Schloss verkauft. Damit endete die bewegte Chronik des Familienbetriebs, wie Hans Buchhofer damals in der Rundschau schrieb. Mit dem Wiederaufbau der Gaststätte und der Eröffnung des „Alten Bräuhaus“ am heutigen Samstag, wird nun allerdings ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Zuhause von Kerner
Das ursprüngliche Bräuhaus gehört zu den geschichtsträchtigsten Gebäuden der Stadt Gaildorf, unter anderem wohnte darin der Literat und Mediziner Justinus Kerner. Im Frühjahr 1816 zogen Justinus, Friederike und Marie Kerner ist das Haus an der Ostseite des Alten Schlosses. Dabei wurde das Gebäude nie wirklich zum trauten Heim, fasst Klaus Michael Oßwald in einem Artikel in der Rundschau im Dezember 2021 zusammen. Denn das Haus war gemeinschaftliches Eigentum des Fürsten Solms-Braunfels und der Grafen Waldeck und Pückler und wurde vom Vermieter immer wieder zweckentfremdet. Kerners waren nämlich dazu verpflichtet, „an jedem Jahrmarkte und bei sonstigen Volksfestlichkeiten“ den größten Teil der Wohnung „zu einem Tanzboden auszuräumen“, wie in Aimé Reinhards von 1862 „Justinus Kerner und das Kernerhaus zu Weinsberg – Gedenkblätter aus des Dichters Leben“ zu lesen ist. Schließlich musste Kerners Familie umziehen und das Domizil wurde zum „Bräuhaus“, der neu errichteten gräflichen Bierbrauerei samt Gartenwirtschaft auf dem Platz zwischen Grabenstraße und Stadtmauer, genau dort, wo jetzt das Hotel entstand.
Jüngere Vergangenheit
Vor dem Zweiten Weltkrieg betrieben Karl und Theresia Armbruster den Gasthof. Nach dem Krieg, als viele aus Budajenö vertriebene Ungarndeutsche nach Gaildorf kamen, wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Unter den Vertriebenen waren auch Georg Weber und seine Ehefrau Theresia. Weber war in Budajenö Metzger und Gastwirt gewesen. Im Sommer 1952 pachtete Tochter Maria zusammen mit ihren Eltern das Bräuhaus.
Maria Weber heiratete ein Jahr später den aus Budakeszi stammenden Julius Koller. Das Paar steckte seine ganze Kraft in den gepachteten Betrieb und konnte diesen im Jahr 1955 käuflich erwerben. Das Bräuhaus war zu dieser Zeit ein beliebter Treffpunkt der Ungarn- und Sudetendeutschen aus dem gesamten Limpurger Raum. Dort fanden sie in den schwierigen Jahren nach der Vertreibung eine Heimat, wo sie ihren Dialekt und ihre Kultur ungestört pflegen konnten. Als Maria und Julius Koller ins Rentenalter kamen, pachteten zunächst Fritz Reuschl und Helene Hofmann den Gasthof, bis der Sohn Julius G. Koller im September 1983 den Familienbetrieb übernahm.
Der gelernte Metzgermeister setzte die Tradition seiner Eltern fort und erarbeitete sich einen guten Ruf als Koch. Schnitzel und Rostbraten waren die Renner neben vielen anderen Gerichten, wie die beliebte ungarische Bratwurst, auf die die neuen Betreiber heute noch oft angesprochen werden. Auf frische Ware legte Julius stets großen Wert. Auch die ungarischen Spezialitäten wurden aus eigener Herstellung angeboten. Und hier schließt sich der Kreis: Sarah und Attila Mándi, die neuen Betreiber, werden wieder eine bodenständige Karte mit deutschen und ungarischen Köstlichkeiten bieten. Dabei legen sie den Fokus auf frische und hochwertige Zutaten aus der Region.
ina