Auf Umwegen zum Ziel
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Gesellin: Rie Claire Kunze ist Feinwerkmechanikerin und der technische Beruf „ihr Ding“. Sie hat gelernt, auf konventionelle Weise zu drehen und zu fräsen und bedient CNC-Maschinen.

Rie Claire Kunze hat ihre Ausbildung zur Feinwerkmechanikerin bei Kusatec in Bühlertann abgeschlossen. Foto: Kusatec

06.05.2021

Rie Claire Kunze hat es geschafft. Sie konnte im Frühjahr vergangenen Jahres den Gesellenbrief als Feinwerkmechanikerin in der Fachrichtung Maschinenbau in Empfang nehmen. Für die 22-Jährige ist das bereits die zweite Ausbildung und nun, in diesem technischen Beruf, fühlt sie sich schließlich angekommen. Um das aber herauszufinden, hat es einige Zeit und einen Umweg gebraucht.In der Schulzeit habe sie sich lange nicht entscheiden können, welchen beruflichen Weg sie einschlagen soll und so habe sie das Naheliegende gewählt. Und das war ein Beruf in der Altenpflege. „Meine Mutter war selbstständig in der Pflege tätig und ich bin praktisch im Altenheim groß geworden“, erzählt sie. Dennoch habe sie bald gemerkt, dass die Pflege „nicht ihr Ding“ war. Die Dienstpläne ließen ihr keine Zeit für ihr Hobby – ihre fünf Pferde und drei Esel – die ebenfalls viel Aufmerksamkeit verlangten.Nach diesem Umweg galt es, sich neu zu orientieren. Als Vorbild diente nun der Vater, der ihr als Mechaniker zeigte, was man an einer Dreh- und Fräsmaschine, die in der eigenen Werkstatt stand, so alles machen kann. Doch ihr Berufswunsch – Feinwerkmechaniker – erfordert den Realschulabschluss. Den holte sie an der zweijährigen Berufsschule im Berufsschulzentrum Schwäbisch Hall nach. Zwei Jahre lang galt es nun wieder, Deutsch, Englisch, Mathematik, Religion, Geschichte/ Gemeinschaftskunde, Wirtschaftskunde und Physik zu pauken sowie sich die theoretischen Grundlagen der Metalltechnik anzueignen. Am Ende des zweiten Schuljahres standen die schriftlichen Prüfungen in den Grundlagenfächern sowie eine praktische Prüfung (Berufspraktische Kompetenz) an. Ihr Ausbildungsbetrieb war die Firma Kusatec in Bühlertann, wo sie aufgrund ihrer Vorkenntnisse im zweiten Lehrjahr einsteigen konnte.Die Firma Kusatec sieht sich als „Spezialist für besondere Fälle“. Der Betrieb hat sich als Zulieferer und Partner der Maschinenbau-Branche auf maßgeschneiderte Komponenten verlegt, die ein beachtliches Maß an Fertigungs-Know-how verlangen.„Ich mag es, in einer kleinen Firma zu arbeiten, wo jeder jeden kennt und eine familiäre Atmosphäre herrscht“, sagt die junge Frau, die sich zwar auch bei anderen Unternehmen beworben hatte, aber ganz oft hören musste, dass man sie nicht einstellen könne, weil es beispielsweise nicht mal eine Toilette für Frauen in dieser Abteilung gebe.Bei Kusatec lernte sie das konventionelle Drehen und Fräsen ebenso wie das Fertigen an der CNC-Maschine. Ganz stolz war sie, als das erste eigene, selbstgeschriebene Programm funktionierte und die Maschine all das automatisch übernahm, was sie sonst mit der Kurbel selbst justieren musste.War es schwer, sich als Frau in einer Männerdomäne zu beweisen? Das sei kein Problem gewesen, erinnert sie sich.Ganz am Anfang musste sie mal „auf den Putz hauen“. Dann habe man zusammen gelacht und sie sei akzeptiert gewesen. „Ich habe immer gewusst, dass ich das, was die Jungs können, auch drauf habe.“Mittlerweile arbeitet sie als Fräserin an einer der größten Maschinen im Betrieb. 5.30 Uhr ist Arbeitsbeginn und 14 Uhr Feierabend. Dann beginnt für Rie Claire die zweite „Schicht“. Denn die junge Frau drückt noch einmal die Schulbank und besucht an vier Tagen in der Woche die Meisterschule in Künzelsau. Und auch in dieser Klasse ist sie quasi ein Exot – die einzige Frau ihres Jahrgangs, die den Meister der Feinwerktechnik ablegen will.

Es ist ein hartes Wochenpensum: Zwei Mal wöchentlich Schule bis 20.45 Uhr, einmal bis 19 Uhr und auch der Samstag geht fürs Lernen drauf. Doch ein Ende ist in Sicht: Bis 2022 will sie es geschafft haben. „Bis dahin sind es noch zwei harte Jahre“, sagt sie. Aber dann habe sie sich den Meistertitel redlich verdient.

Anderen Mädchen kann sie nur zuraten, einen technischen Beruf zu ergreifen: Der Verdienst sei sehr viel besser als in der Pflege und ihr Arbeitgeber hinsichtlich der Arbeitszeiten sehr entgegenkommend. So bleibt auch für die Pferde und Esel noch Zeit. Mit denen wandert sie manchmal zum Altenheim, um den Bewohnern einen Besuch abzustatten.

Wer sich für den Beruf des Feinwerkmechanikers interessiert, sollte räumliches Vorstellungsvermögen mitbringen und mit Zahlen umgehen können, sagt sie. „Denn es müssen stets Passungen und Toleranzen berechnet werden.“ Aber das alles könne man lernen, weiß Rie Claire, die endlich „ihr Ding“ gefunden hat. do
   

"Das, was die Jungs können, kann ich auch."