Missmutig taumelt Deutschland in den Herbst. Mal wieder ist vom „kranken Mann Europas“ die Rede, als gehe die Volkswirtschaft plötzlich am Stock. Die Kassandra-Rufer von allen Seiten tun so, als klopfe die Apokalypse schon an die Tür. Und wird die Künstliche Intelligenz uns nicht eh bald alle zu Sklaven einer autoritären Technik machen?
Sou, etz beruhich mer uns amoal alli. Was Hohenlohe in diesem Moment braucht: Maß, Mitte, Muswiese. Denn was wäre ein geeigneteres Abklingbecken für unsere gereizten Gemüter als der schönste Hohenloher Jahrmarkt der Welt? Qualvolle Gegenwartsfixierung löst sich in den Musdorfer Gassen ganz von alleine auf der Besucher begibt sich hinein in einen Zeitstrom, der vor hunderten von Jahren in Zentralhohenlohe entsprang und vitaler denn je in Richtung Zukunft fließt. Setzen wir also die Segel, lassen wir uns von Wind und Wellen tragen, von Blutu- nd Leberwurst erquicken, von Socken und Hüten wärmen, von Bier und Wein erheitern, von Gschwätz und Gwürz beleben, von Metzgern umtanzen, von Bulldogs begeistern, von Begegnungen bewegen, von Ausstellern überzeugen, von Fahrgeschäften zerzausen und mit Murmeltierfett einschmieren.
Der Weltuntergang muss warten. Zumal die uralte und immer junge Muswiese ein leuchtendes Beispiel menschlicher Anpassungsfähigkeit ist. Immer wie nie trotzt sie dem Zeitenlauf. Und wird auch den Maschinen trotzen: Denn welcher Rechner sollte je dazu in der Lage sein, etwas zutiefst Menschliches wie die Muswiese zu verstehen oder gar hervorzubringen? Welches System, das Wahrscheinlichkeiten aneinanderreiht, sollte dieses unwahrscheinliche Fest decodieren können?
Nein, kein Computer ist der Muswiese gewachsen. Kein Apokalyptiker kann uns die Freude an ihr nehmen. Kein Spalter kommt gegen ihre einigende Kraft an. Also: Versenken wir die schlechte Laune im Krautbottich und lassen wir uns vom muswiesigen Leben das halbleere Glas bis zum Rand vollschenken.
In diesem Sinne: Eine vergnügliche Lektüre und glückselige Muswiesentage wünscht
Sebastian Unbehauen
Redakteur