Es fehlt an Personal
Sonderveröffentlichung

Pädagogische Fachkräfte Es fehlt an Personal

Erziehung Im Land gibt es immer noch zu wenig Plätze für die Kinderbetreuung, wie eine Studie zeigt. Um die Kita-Krise kurzfristig abzumildern, sind neue Antworten gefragt.

Erzieher und Erzieherinnen sind gesucht: Es braucht mehr Personal, um den Platzbedarf zu decken. Foto: dpa/Monika Skolimowska

13.04.2024

Baden-Württemberg kann den aktuellen Bedarf an Kitaplätzen bis 2030 nur mit Anstrengung erfüllen Zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Tagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gibt es im Land noch immer zu wenige Kita-Plätze, um den Bedarf zu decken. Neuen Berechnungen zufolge, könnte die Lücke erst 2030 mit Anstrengungen geschlossen werden.

In Baden-Württemberg liegt die Quote der unter dreijährigen Kinder in Kindertagesbetreuung mit fast 30 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt (36 Prozent). Tatsächlich wünschen sich jedoch 45 Prozent der Eltern für ihr Kind in dieser Altersgruppe eine Betreuung.

Bei den ab Dreijährigen liegt die Betreuungsquote mit 93 Prozent geringfügig über dem Bundesdurchschnitt (92 Prozent.) Allerdings haben hier 96 Prozent der Eltern Bedarf an einer Kindertagesbetreuung. Im Ergebnis fehlen hierzulande 59 400 Kita-Plätze. Das zeigen die Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“.

„Baden-Württemberg kann den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach wie vor nicht bedarfsgerecht erfüllen. Die Kinder bekommen keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung, während die Eltern Familie und Beruf schwieriger vereinbaren können“, sagt Kathrin Bock-Famulla, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung.

Bei den Personalschlüsseln hingegen stehen die Kitas in Baden-Württemberg im Bundesvergleich gut da. In den Krippengruppen ist eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft rechnerisch für 2,9 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Dies ist günstiger als die Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 3, und auch im Ländervergleich der beste Wert. In den Kindergartengruppen ist eine Fachkraft rechnerisch für 6,4 Kinder verantwortlich. Auch damit übertrifft das Bundesland den empfohlenen Personalschlüssel von 1 zu 7,5 in dieser Gruppenform und ist bundesweiter Spitzenreiter.

Verstärkung fürs Team gesucht: In vielen Einrichtungen fehlt es an genügend Erziehern. <br/>Foto: dpa/Arne Dedert
Verstärkung fürs Team gesucht: In vielen Einrichtungen fehlt es an genügend Erziehern.
Foto: dpa/Arne Dedert

Bildungsauftrag kann nicht für alle erfüllt werden

Allerdings werden in Baden-Württemberg mit 45 Prozent noch fast die Hälfte aller Kita-Kinder in Gruppen mit nicht-kindgerechten Personalschlüsseln betreut.„Wenn eine Fachkraft für mehr Kinder verantwortlich ist als wissenschaftlich empfohlen, leidet darunter die Qualität der pädagogischen Praxis. Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Baden-Württemberg aktuell ihren Bildungsauftrag noch nicht für alle Kinder erfüllen können“, sagt Bock-Famulla.

Vor allem aber haben viele Kinder in Baden-Württemberg überhaupt noch keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung, weil Kita-Plätze fehlen. Damit diese bereitgestellt werden können, benötigen die Kitas in Baden-Württemberg deutlich mehr Personal.

Laut dem aktuellen„Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule“ der Bertelsmann Stiftung werden in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2025 allerdings 14 800 Fachkräfte fehlen, um den Betreuungsbedarf zu decken. Bis 2030 wäre es mit Anstrengung jedoch machbar, sowohl den gegenwärtigen Bedarf zu erfüllen als auch die bereits sehr günstigen Personalschlüssel zu halten.

Zudem ist davon auszugehen, dass die Zahl der Eltern, die ihre Kinder betreuen lassen möchten, weiter steigt. Das gilt vor allem für die Gruppe der Kinder unter drei Jahren. Der Bedarf dürfte sich also bis 2030 noch erhöhen. Um den enormen Personalmangel bereits jetzt abzufedern, müssten die vorhandenen Fachkräfte von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden, zum Beispiel durch Mitarbeitende in der Verwaltung und Hauswirtschaft.

Auch die Gewinnung und Qualifizierung von Quereinsteigern bleibt wichtig. Aber: „Aus der Forschung wissen wir, wie entscheidend die pädagogische Qualifikation des Personals für eine gute Kita-Qualität ist. Quereinsteiger, die noch nicht pädagogisch qualifiziert sind, müssen daher berufsbegleitend mindestens das Ausbildungsniveau der Sozialassistenz erreichen“, mahnt Bock-Famulla.

Öffnungszeiten verkürzen?

Eine weitere Maßnahme könnte darin bestehen, die Kita-Öffnungszeiten auf sechs Stunden täglich zu verkürzen. Nach Berechnungen des Fachkräfte-Radars könnten die Kitas in Baden-Württemberg dadurch bis 2025 den Platzbedarf aller Eltern erfüllen und die bereits günstigen Personalschlüssel halten.

Laut der Kinderbetreuungsstudie 2022 des Deutschen Jugendinstitutes wünscht sich ein Teil der Eltern im Land kürzere Betreuungszeiten, als vertraglich vereinbart sind. „Ein solches Vorgehen kann aber nur in Abstimmung zwischen Eltern, Träger und Kommune getroffen werden“, so Bock-Famulla. Zudem müssten Arbeitgeber die Arbeitszeiten von Eltern stärker an die Öffnungszeiten von Kitas anpassen. „Die Kita-Krise ist so weit fortgeschritten, dass sie neue Antworten erfordert. Allen Akteuren, insbesondere Politik und Arbeitgebern, muss klar sein: Der anhaltende Personalmangel in der frühkindlichen Bildung hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft“, betont die Expertin.
pm/Bertelsmann Stiftung