Wer sich für einen Ausbildungsplatz bewirbt, sollte sich nicht allein auf sein tolles Zeugnis verlassen und sich auf seinem Einserschnitt ausruhen. Andererseits sind weniger gute Noten auch kein Ausschlusskriterium mehr, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das sagen die Personaler aus der Region über die Einstellungskriterien.
Daniela Drzajic, Personalreferentin bei Groninger in Crailsheim: Die Antwort liegt - wie so oft in der Mitte. Natürlich spielen Schul-beziehungsweise Zeugnisnoten bei uns nicht die entscheidende Rolle bei der Einstellung von Auszubildenden. Dennoch achten wir darauf. Das hat einen einfachen Grund: In den Ausbildungs- und Studienberufen braucht es auch eine Affinität zu den Inhalten, die vermittelt werden in der Praxis, aber ebenso in der Theorie. Unser Anspruch als Ausbildungsunternehmen ist es, dass unsere Azubis eine gute Lehre absolvieren können, dass sie praxisorientiert lernen und vor allem auch Spaß bei der Ausbildung haben, motiviert sind und ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Wenn sich ein Azubi durch die Inhalte quälen muss, weil sie ihm oder ihr keinen Spaß machen oder weil er oder sie einfach keinen Zugang zu den Themen hat, ist keinem geholfen. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass insgesamt das „Gesamtpaket” stimmen und eine gute Motivation erkennbar sein sollte. Wenn wir im Rahmen eines Praktikums ein Talent erkennen, spielen die Schulnoten aber eine eher untergeordnete Rolle.
Larissa Gorff, Personalleiterin bei Reisser Schraubentechnik in Ingelfingen-Criesbach: Ich achte tatsächlich weniger auf Zeugnisnoten. Mit ein Grund dafür sind die fehlenden Bewerbungen für Ausbildungsstellen. Was für mich mehr zählt als Einsen und Zweien, ist der persönliche Eindruck, den ich im Gespräch gewinne. Besonders achte ich auf Soft Skills wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Engagement.
Hans-Harald Reber vom Rebers Pflug in Schwäbisch Hall-Weckrieden: Ausschlaggebend sind die Noten für uns nicht. Was uns mehr interessiert, ist, welche Bewertung der Schüler im Zeugnis für sein Verhalten und seine Mitarbeit erhalten hat. Letztendlich entscheidend allerdings ist, ob es persönlich passt, und ob der Bewerber motiviert ist und Lust hat auf eine Ausbildung als Koch, Hotel- oder Restaurantfachkraft. Deshalb laden wir potenzielle Mitarbeiter vor der Einstellung zum Probearbeiten ein.
Simone Kettemann, Ausbildungsleiterin bei Ziehl-Abegg in Künzelsau: Generell kommt es dabei sehr auf den jeweiligen Ausbildungsberuf oder den Studiengang an. Im DH-Studium Elektrotechnik beispielsweise sind gute Noten in naturwissenvoschaftlichen Fächern wie Mathe und Physik schon wichtig, weil ein gewisses Wissensniveau rausgesetzt wird. Generell ist es jedoch so, dass wir die Noten nicht als das Maß aller Dinge ansehen und auch keine Vorauswahl anhand der Noten treffen. Vielmehr schauen wir uns die Bewerbung im Ganzen an. Hat sich der Bewerber Mühe gegeben, sind die Unterlagen ordentlich, engagiert er sich in seiner Freizeit ehrenamtlich, zum Beispiel im Verein?
Luisa Mebert, Stadtwerke Schwäbisch Hall: Mir ist es nicht besonders wichtig, dass im Zeugnis nur Einsen und Zweien stehen. Richtig schlecht sollte es natürlich auch nicht sein. Worauf ich vor allem achte ist, ob die potenziellen Auszubildenden kommunizieren können. Denn das ist heute in der Generation „Kopf unten” - leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Durch die zum Teil exzessive Nutzung des Smartphones einerseits, aber auch bedingt durch Home-Schooling, haben manche Schüler inzwischen Probleme, sich zu präsentieren, locker zu unterhalten oder nur den Augenkontakt zu halten. Referate vor der Klasse, die auf Bewerbungssituationen vorbereiten können, fanden infolge der Pandemie oft nicht statt.
Martin Boschet, geschäftsführender Vorstand der Hohenloher Molkerei: Meines Erachtens spielen Noten auch heute noch eine große Rolle. Jeder Beruf erfordert schließlich ein gewisses Maß an Wissen und beispielsweise bei Berufen wie Milchtechnologe oder Milchwirtschaftlicher Laborant achten wir auf gute Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern und in Deutsch. Bei ähnlich guten Bewerbern entscheidet die Persönlichkeit, also wie sich der oder diejenige im Vorstellungsgespräch gibt. Damit wir uns ein umfassenderes Bild machen können, sind wir an einem mehrtägigen Praktikum interessiert. Wenn der Gesamteindruck passt, Engagement und Wissbegierigkeit zu erkennen sind, können die Noten aber auch schon mal etwas in den Hintergrund treten. Die Noten sind wichtig, aber was letzten Endes zählt, ist der Mensch. Claudia Linz
Beim Wunscharbeitgeber anrufen
Gerade vor ihrer ersten Stelle machen sich viele Bewerberinnen und Bewerber Sorgen. Zu Unrecht, sagt Bewerbungscoachin Katrin Plangger. Denn Quereinstiege sind so üblich wie selten zuvor. „Sofern 60 bis 70 Prozent der Anforderungen in der Stellenanzeige passen, vor allem die wichtigsten Anforderungen erfüllt werden, dann sollten Sie eine Bewerbung wagen”, sagt sie, und rät, beim Unternehmen anzurufen. „Erklären Sie, warum Sie für den Job trotz nicht ganz passendem Abschluss geeignet sind und was Sie an der ausgeschriebenen Position reizt.” So kann man die eigenen Stärken und Kompetenzen schon einmal präsentieren, was gute Voraussetzungen für ein mögliches späteres Vorstellungsgespräch schaffen könne. dpa-tmn