Man musste alles ausprobieren
„Außerdem saß damals meine Frau an der Quelle“, erzählt der ehemalige kaufmännische Angestellte. Hedi Schweizer arbeitete in Ulm bei Spielwaren Sindel und wusste, was für Zinnfiguren gerade auf den Markt kamen. Die Firma Schildkröt brachte damals Gießformen aus Kautschuk heraus, die der Bastler gleich ausprobieren musste. So entstand der Musikzug der Zinnbrigade „Preußens Gloria Musikzug Deutsches Reich“, der heute mit Schellenbaum, Triangel und dem Musikmeister in Schweizers guter Stube die Vitrine ziert. „Eigentlich interessiert mich nur die Zeit zwischen 1900 und 1914“, meint der Bastler. „Da hatten die Uniformen noch Farbe und das Bemalen macht Spaß“, sagt er. Vor mehr als 100 Jahren zog man noch bunt in den Krieg, später waren die Uniformen nur noch grau und oliv. Eberhard Schweizer blieb jedoch nicht bei den Zinnsoldaten. Die Ehinger Fasnet ist an bunten Kostümen, die bei den Fasnachtern „Häser“ heißen, nicht zu übertreffen. Die Narrenbüttel in Grün und Gelb fallen überall auf.
Narrenschellen statt Gewehr
Statt eines Gewehrs bekamen die Zinnfiguren einfach allerlei Schellen und andere Narrenutensilien in die Hand. Zur närrischen Polizei gesellte sich auch ein Dixie Auto aus Zinn, das aus einem Block gegossen und dann zum Polizeifahrzeug zurechtgefeilt wurde. Auch Preußens Gloria erfuhr eine Umwidmung. Aus den Figuren in Blau-Weiß wurden mit roter und brauner Bemalung im Handumdrehen Österreicher, die als historische Bürgerwache den Marktplatz bevölkern. Damit auch die Umgebung stimmt, stellt Eberhard Schweizer für seine Zinnfiguren regelrechte Bühnen her. Die Bürgerwache marschiert vor dem Rathaus auf und die Büttel vor ihrer „Kommandozentrale“, dem Weinhaus Denkinger.Damit aus den Preußen naturgetreue Österreicher werden konnten, „musste ich ihnen die Pickelhaube abzwicken und eine Raupe auf den Helm montieren“, schmunzelt der Bastler. Die ganze Szenerie stand zur öffentlichen Bewunderung zeitweise im Schaufenster der Weinstube Denkinger. Viel Lokalkolorit steckt auch im Panorama mit den Schlittschuhläufern auf dem Groggensee. Insider erkennen wohl in den drei Zentimeter großen Figuren Lehrer Daiber von der Gewerbeschule.
Fast wie echt
Der Pädagoge trat stets in braunen Knickerbockern auf und machte auf dem Eis mit der Frau Salenbauch, der Frau des ehemaligen Finanzamtschefs, eine gute Figur. In den späten 50er-Jahren fuhr die Ehinger Prominenz auf Kufen übers Eis und glitt im Walzertakt elegant dahin. „Eigentlich sind das Gießformen für Biedermeier-Figuren“, erklärt Schweizer. „Die habe ich zu Eisläufern umfunktioniert.“ Und so trägt Frau Salenbauch einen weiten, langen Rock, „fast wie in echt“, freut sich der Hobbymaler. Alte Ehinger erinnern sich auch an Elfriede Müller, die ein gestricktes, blaues Eislaufkostüm mit schmalem Pelzrand trug und damit den Neid anderer Frauen auf sich zog.
Eberhard Schweizer zieht sich zum Gießen und Malen unters Dach seines Wohnhauses zurück. „Früher haben wir als Buben hier in der Kälte mit Eisblumen am Fenster geschlafen“, erzählt er. Heute lässt sich der Raum heizen. Zudem wird dem Bastler ganz warm ums Herz, wenn er in seine Schachteln mit den halbfertigen Figuren greifen kann. Dann entsteht vor seinem geistigen Auge eine neue Szene, die seine Heimatstadt „en miniature“ abbildet.
Frohe Weihnachten
Frohe Weihnachten
16 Prozent der Kinder haben Spielzeug in Form von Lego auf dem Wunschzettel. Getoppt wird dieser Wunsch nur durch ein Handy.
Quelle: Statista