Herr Reinhard, wie waren die paar Wochen, die Sie mit dem DFB unterwegs waren?
Philipp Reinhard: 2018 habe ich mir gedacht, die Fußball-Weltmeisterschaft ist ein einmaliges Erlebnis. Jetzt kann man zum Glück sagen, es ist nicht einmalig gewesen. So ein Turnier ist immer etwas ganz Besonderes. Jetzt habe ich meine zweite WM gemacht, eine EM, Olympische Sommer- und Winterspiele - da denkt man, vielleicht geht dieses Wow-Gefühl weg. Aber ich erinnere mich, wir sind im Oman angekommen, ich habe meiner Liebsten ein Bild geschickt und dazugeschrieben: WM no.2! Das ist ein unglaubliches Gefühl. Man wird davon auch getragen, es ist etwas ganz Besonderes für mich.
Ist es für Sie ein Unterschied, ob sie mit den Fußballern unterwegs sind oder mit Sportlerinnen und Sportlern bei Olympia?
Bei Olympia arbeite ich mit dem ganzen Team Deutschland zusammen, das sind viele hundert Athleten. Mittlerweile kennt man einige Sportler, die einen enger, mit den anderen weniger eng. Im Team der Nationalmannschaft bin ich seit 2017. Da gibt es Freundschaften, Bekanntschaften, da ist ein ganzes Team hinter dem Team, mit dem man viel Zeit verbringt. Wenn man bei Olympischen Spielen eine Medaille verpasst, dann hat man sie verpasst. Man kann nicht alles parallel abdecken. Man hat lange Tage, 16 bis 18 Stunden lang, die Nächte sind kurz. Man hat bis zu fünf Wettbewerbe an einem Tag, ist beim Skispringen, beim Biathlon, dann noch an der Bob-Bahn. Das sind viele ,,Spieltage" in einem. Beim Fußball bereitet man sich zwei Jahre auf ein Turnier vor. Man weiß ganz genau, wenn man das falsche Spiel verliert, dann ist es vorbei. Dann kommt man nachts ins Hotel, und am nächsten Tag fliegt man wieder nach Deutschland. Das bedeutet, man ist der Mannschaft deutlich näher, ist ihr viel verbundener - so wie hier mit den Merlins. Man ist ein Teil davon, man kennt alle. Der Erfolg liegt einem sehr am Herzen. Achterbahnfahrt der Gefühle - positiv wie negativ. Es hängt mir auch jetzt noch nach, dass das Turnier früher als geplant vorbei war.
Wie war insgesamt die Stimmung im Team?
Wir hatten einen tollen Zusammenhalt, alle wollten es unbedingt. Ich würde sagen, sehr positiv, aber gleichzeitig auch sehr fokussiert.
Konnten Sie schon etwas abschalten?
Ich habe im Vorfeld der WM zwei, drei größere Aufträge abgesagt, weil ich mir gesagt habe, ich plane bis zum 19. Dezember. Nachdem das Turnier früher vorbei war, hatte ich keine richtige Alternative. Ich wollte auch nicht unbedingt noch einmal wegfahren. Ich habe dieses Jahr schon 220, 230 Hotelübernachtungen hinter mir. So bin ich dann erstmal wieder nach Berlin, abschalten mit Freunden. Im Anschluss ging es nach Bad Mergentheim. Seit August war ich keine fünf Tage am Stück daheim. Ich freue mich, wieder bei den Merlins zu sein, mal wieder daheim zu sein, im eigenen Bett zu schlafen. Ich kann mich wieder etwas auf mich konzentrieren, in mich hineinhören, ein bisschen zur Ruhe kommen, ein paar private Sachen erleben und erledigen.
Ist Ihr Briefkasten übergequollen?
(lacht) Meine Mutti ist zum Glück in der Gegend und leert den immer wieder. Aber daheim ist schon sehr viel liegen geblieben. Ich habe drei Koffer und einen Rucksack aus Katar mitgebracht, davor war ich drei Wochen in den USA für einen Job und Urlaub, da standen auch noch zwei Koffer herum. Als ich angekommen bin, habe ich den ganzen Abend erst einmal die Koffer ausgeräumt, Kram aufgeräumt und Schallplatten aufgelegt. Es sind ja nicht nur 15 T-Shirts und eine Hose, die ich dann wieder in den Schrank lege, sondern auch die ganze Kameratechnik, Blitze, Stative, Filme, Akkus, allen Kram, den ich immer von hier nach da schleppe.
Zurück zur Nationalmannschaft: Mit welchem Spieler können Sie denn am besten?
Ich muss wirklich sagen, es gibt niemanden, mit dem es nicht passt. Es gibt natürlich Jungs, mit denen versteht man sich besonders gut und mit denen man auch schon besonders lange zusammen ist. Manuel Neuer kenne ich nunschon seit 2017, ich habe mit ihm viel fotografiert. Er ist ein super netter, freundlicher Typ. Den mag ich echt gerne.
Er hat ja auch mal Werbung gemacht für eine Fotokamera...
(lacht) Darüber können wir aber nicht reden, da fehlte der rote Punkt auf der Kamera.
Kommt es vor, dass Spieler auch mal selbst auf den Auslöser drücken oder Sie fragen, wie sie privat besser fotografieren können?
Über die Kamera redet man immer wieder mal mit Spielern. Sie fragen dann schon: Welche Kamera würdest du empfehlen? Aber es wird dann nicht allzu technisch. Wir reden vor allem aber viel über Espresso. Ich liebe meine Siebträgermaschine. In der Mannschaft gibt es viele, die gute Barista-Fähigkeiten haben.
Wer ist denn der beste Barista in der Mannschaft?
Vermutlich Marc-André ter Stegen oder Kevin Tapp. Es haben viele eine Siebträgermaschine. Darüber wird viel geredet.
Wie lange sind denn Ihre Arbeitstage bei einer Fußball-WM?
Olympia ist noch einmal einen Tick intensiver, da habe ich über dreieinhalb Wochen hinweg nur so zwei, drei Stunden pro Tag geschlafen. Beim DFB kommt es immer darauf an, was ansteht: Spieltage, Reisetage, Marketingtage. Man kann sagen, so von 8 bis 22 Uhr bin ich einsatzbereit, an manchen Tagen auch länger. Mit den späten Anstoßzeiten um 22 Uhr Ortszeit, der Heimfahrt ins Hotel, dort noch etwas arbeiten - dann war es auch mal 3 Uhr morgens, bis ich im Bett war.
Wenn Sie auf Katar blicken als Land. Hat es Sie begeistert oder müssen Sie da nicht noch einmal hin?
Ich bin kein Fan von Cluburlauben. Ich bin sehr kulturbegeistert, ich liebe es, herumzureisen. Zuletzt die Westcoast in den USA, von Los Angeles nach San Francisco, davor in Mexiko, mit dem Mietwagen auf der Yucatan-Halbinsel herumgefahren. Das ist das, was ich liebe. Ich war ein paar Mal in Dubai, in Abu Dhabi, in Katar - aber keines dieser Länder- oder Städte ist für mich als Urlaub reizvoll, wenn ich nicht beruflich dorthin reise. Im Hotel am Pool liegen, ist nicht so mein Ding. Herumfahren, neues Lernen, mit Leuten ins Gespräch kommen, Dinge sehen, die mich interessieren - das reizt mich.
Blicken wir auf 2024, die Europameisterschaft in Deutschland. Ist es für Sie ein Ziel, da wieder dabei zu sein?
Definitiv! Ein Turnier im eigenen Land, eine Europameisterschaft, mit einem starken Team und nah an der Mannschaft zu sein - da muss man sich ja als Fan schon freuen. Wenn man Teil dessen sein darf, ist es etwas, was ich mir jetzt noch gar nicht so richtig vorstellen kann. Das wird noch einmal ein ganz, ganz neues Erlebnis. Joachim Mayershofer