Sonderveröffentlichung

JOBBÖRSE 2023 Der Beruf des Vermessungstechnikers: Ein bisschen drinnen und ein bisschen draußen

Vorteile: regelmäßige Arbeitszeiten und viel Abwechslung. Anforderungen: Präzision, Genauigkeit und eigenständiges Arbeiten.

Jascha Graf zeigt am PC eine Punktwolke aus Koordinatendaten, die mittels 3-D-Scan gewonnen wurden. Wie sich das Gelände punktgenau und dreidimensional digital darstellen lässt, fasziniert ihn jedes Mal aufs Neue. Foto: Kerstin Regner

10.05.2023

Es gibt Klischees, die halten sich hartnäckig. Wie das vom Vermessungstechniker, der in signalroter Jacke mit großem Stativ und Gerätekoffer im Regen steht und einen imaginären Punkt anvisiert. Manche Autofahrer treten dann sofort auf die Bremse, weil sie denken, sie werden geblitzt.

Jascha Graf kennt diese Vorurteile und weiß, wie viel mehr High Tech mittlerweile in diesem Job verwendet wird. Er macht eine Ausbildung zum Vermessungstechniker im Büro von Klaus Dietle, einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur in Schwäbisch Hall. Dass er vor gut einem Jahr hier gelandet ist, war eher Zufall. Zu dem Zeitpunkt war Jascha bereits 25 Jahre alt und hatte schon mehrere Jahre in der Veranstaltungsbranche gearbeitet. Bis die Pandemie diesen ganzen Wirtschaftszweig mehr oder weniger lahm legte und Jascha ernsthaft über Alternativen nachdenken musste. In eine Produktionsfirma wollte er nicht: Es war unvorstellbar für ihn, jeden Tag am gleichen Ort die gleichen Arbeitsabläufe zu erledigen. Ein Job im Büro war aber auch nicht sein Ding. Es sollte irgendetwas dazwischen sein: ein bisschen drinnen und ein bisschen draußen, abwechslungsreich und anspruchsvoll, etwas, das ein berufliches Weiterkommen ermöglicht und Eigenverantwortung fördert. Das geregelte Arbeitszeiten verspricht und ein ebenso geregeltes Einkommen.

Jascha hat einen Beruf gefunden, der ihm all das ermöglicht. Als Vermessungstechniker arbeitet er viel am PC. Er schätzt, dass die Bürotätigkeiten etwa 60 Prozent seiner Arbeitszeit ausmachen. Und er ist draußen unterwegs, immer an einem anderen Ort. Er kenne sich mittlerweile richtig gut aus in Hall und Umgebung und habe die Gegend in dem Jahr der Ausbildung besser kennengelernt, als in den 24 Jahren zuvor.

Jascha schätzt die Abwechslung und die Präzision in seinem Job. Und er weiß, dass auch seine Arbeit unter Umständen die Jahrzehnte überdauern wird. Denn oft sind es ganz alte Katasterunterlagen auf vergilbtem Papier, die ihm als Arbeitsgrundlage dienen - die Arbeit eines Kollegen vor der Jahrhundertwende, die trotz alter Mess- und Berechnungsmethoden immer noch äußerst exakt ist. Jascha weiß aber auch die Vielfältigkeit der Arbeitsaufgaben zu schätzen: Oft müssen Geländeprofile und Lagepläne für Bauprojekte erstellt werden. Oder es geht um Flurstückzerlegungen, mitunter um Grenzfeststellungen, wenn sich die Nachbarn nicht auf den Verlauf der Grundstücksgrenze einigen können. Es geht um die Absteckung von Baugruben, um Staumarken, die neu vermessen werden müssen und manchmal sogar um die abenteuerliche Suche nach Grenzpunkten oder Grenzsteinen, die überwuchert, verschüttet oder vergraben wurden.

Planbare Arbeits- und Freizeit

Der Job hat noch einen weiteren großen Vorteil: regelmäßige Arbeitszeiten. ,,Wir können unsere Arbeit in der Regel gut planen und arbeiten montags bis freitags, von 7.30 bis 16 Uhr." Da bleibt viel freie Zeit für Familie, Freunde und Hobbys, von denen er etwa die Pilzkunde sehr intensiv betreibt.

Jascha ist mit einem Realschulabschluss und einem abgebrochenen Abitur in die Ausbildung eingestiegen. Er lernt drei Jahre und hat in allen Ausbildungsjahren Blockunterricht in der Berufsschule in Stuttgart. Dort gibt es aktuell vier Klassen Azubis im zweiten Lehrjahr, über 100 Schüler, die wie er Berufsfachkunde pauken, wozu Computerprogramme wie CAD und Mathematik gehören - schließlich sind Geometrie und Trigonometrie die Grundlage der Vermessungsarbeit - aber auch Betriebswirtschaft, Englisch oder die Grundlagen der Bauwirtschaft. Nach dem dritten Lehrjahr wird in den theoretischen Fächern eine schriftliche Prüfung abgelegt. Zum Abschluss gehört es auch, ein Projekt in eigener Regie abzuarbeiten und seine Vorgehensweise gegenüber einer Prüfungskommission zu verteidigen.

Jascha findet es ausgesprochen spannend, wenn er aus all seinen aufgemessenen Daten am PC eine Punktwolke erstellt. Denn nicht nur 3-D-Laserscanner gehören mittlerweile zum Werkszeug, auch Drohnen werden zunehmend für sogenannte Orthofotos oder Punktwolken eingesetzt.
Wie es nach der Ausbildung weitergehen soll, weiß er noch nicht. ,,Wahrscheinlich werde ich erst mal paar Jahre Geld verdienen", schätzt er, ,,aber dann kann ich mir gut vorstellen, ein Studium zum Vermessungsingenieur anzufangen".
Kerstin Regner


Das wollen wir mal werden

Geschlechter Eine Umfrage zeigt: Mädchen und Jungen haben in Sachen Ausbildung unterschiedliche Interessen.

Büromanagement: Das ist der Ausbildungsberuf, für den 2022 die meisten Ausbildungsverträge unterzeichnet wurden, rund 23 000. Doch Frauen und Männer schlagen bei der dualen Berufsausbildung nach wie vor oft unterschiedliche Wege ein.

Jeder geht seinen Weg

Das zeigen Auswertungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Demnach stand bei Frauen der Beruf der Medizinischen Fachangestellten 2022 auf Platz eins: 16 656 Ausbildungsverträge schlossen sie dem BIBB zufolge in diesem Bereich neu ab. Bei den Männern waren es lediglich 747. Damit liegt der Anteil der neuen weiblichen Auszubildenden hier bei knapp 96 Prozent.

Bei Männern lag mit 20 295 neu unterzeichneten Verträgen hingegen die Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker vorne. Eine Berufsausbildung, die beim weiblichen Nachwuchs mit 1284 unterzeichneten Verträgen hingegen nur auf Rang 32 kam. An zweiter Stelle bei den Frauen steht stattdessen die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement (16 116 Ausbildungsverträge), die zur Zahnmedizinischen Fachangestellten liegt auf Platz drei (13 011 abgeschlossene Ausbildungsverträge).

Zum Vergleich: Bei den Männern sind das die Ausbildung zum Fachinformatiker (15 903 Ausbildungsverträge) und zum Elektroniker (14 256 Ausbildungsverträge). In beiden Ausbildungsberufen liegt der Anteil der neuen weiblichen Azubis gemessen an den abgeschlossenen Verträgen bei unter zehn Prozent. Bei beiden Geschlechtern beliebt ist dagegen die Ausbildung zum Kaufmann/frau im Einzelhandel.
dpa

Info Die Auswertung beruht auf Daten aus der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September 2022 in anerkannten dualen Ausbildungsberufen nach Berufsbildungsgesetz/Handwerksordnung.