Das Boehringer-Areal im Westen der Stadt ist seit 2016 im Besitz der städtischen Tochter „Businesspark GmbH“. Vor vier Jahren wurde in diesem Magazin ausgehend vom Erfolgsprojekt Stauferpark das Boehringer-Areal als digitales Zentrum in den Blick genommen.
Heute steht das Rahmenkonzept, 80% der Flächen sind vermietet und spülen Einnahmen in die städtischen Kassen. Doch Maier hat dort zusammen mit Unternehmern aus Stadt und Umkreis sowie weiteren Kooperationspartnern Größeres vor. Auf dem Boehringer-Areal setzt die Stadt Göppingen darauf, Gründer anzuziehen und das „Mega-Thema KI“ erlebbar zu machen. Es gelte, das Thema nicht nur in Zusammenhang mit großen Konzernen zu denken, betont OB Maier - so wie in Göppingen mit einem eigenen KI-Zentrum der Fall.„Das brauchen wir für unsere Mittelständler.“ Für die Unternehmen also, die sich KI-Experten nicht selbst leisten können oder keinen Zugriff auf die knappen Fachkräfte haben.
Diese Experten sollen künftig zusammen mit den Göppinger Mittelständlern Anwendungen entwickeln und in der Praxis realisieren. Mittelständler sollen dabei von zweierlei Chancen profitieren. Zum einen könnten sie dadurch Lösungen für Herausforderungen zusammen mit den Experten finden, Wettbewerbsvorteile erzielen, effizienter arbeiten, oder - zum anderen - Geschäftsmodelle für ihre Branchen entwickeln. Daraus wiederum könnten Ausgründungen entstehen. In der englischen Sprache sagt man zum Ausgliedern„to hive“. Genauso, nämlich „HIVE“, heißt der Verein, welcher Anfang April im Boehringer Areal gegründet wurde. Das Akronym steht für „Hub for Innovation, Vision and Execution“ (Zentrum für Innovation, Vision und Umsetzung). Es ist ein Zusammenschluss von öffentlichen Institutionen, etablierten Firmen und Start-ups.
Oberbürgermeister
Maiers Vision: Idealerweise würden sich in Zukunft Startups bzw. die Ausgründungen dann im Boehringer-Areal oder zumindest in Göppingen ansiedeln. Göppingen halte dafür die Infrastruktur bereit und biete ideale Rahmenbedingungen sowie Unterstützung, welche Start-ups bräuchten, um groß werden zu können.
„Göppingen setzt damit einen Kontrapunkt zur gegenwärtigen Stimmung, zur vorhandenen Mega-Frustration.“ Alle Beteiligten seien sehr begeistert und motiviert, so Maier weiter. Das Netzwerk sei breit und tragfähig: Von Leonhard Weiss und Kleemann über die Kreissparkasse bis zu Göppinger Startups gehören verschiedene Akteure zum Netzwerk. Ebenso wie die IHK, das bekannteste deutsche KI-Zentrum: „Cyber-Valley“ in Tübingen sowie die KI-Allianz Baden-Württemberg und mehrere Hochschulen.
„Wir haben Top-Partner“, sagt OB Alex Maier. Am wichtigsten sei jedoch: die Innovationslust. Man müsse sich vom Denken verabschieden, dass alles noch funktioniere wie seit 100 Jahren. „Stichwort Automobil“, so der Oberbürgermeister. Im Zusammenhang mit KI gäbe es viele Ängste. Diese gelte es zu nehmen. Neben dem Angstabbau müssten daher ethische Fragen geklärt werden, um KI sinn- und verantwortungsvoll zu nutzen. „Auch in der Verwaltung.“ Derzeit sei die Stadt dabei, Modellbereiche innerhalb der Verwaltung mit KI arbeiten zu lassen.
Schneller und effizienter

Maier: „Wir können nicht auf das Land warten. Wir werden KI nicht aufhalten, wir wollen sie aber so nutzen, dass alle etwas davon haben“. Bereits jetzt wird an plastischen Beispielen gearbeitet, wie KI in den mittelständischen Unternehmen Chancen bieten kann. „Es kann ein Game Changer sein“, sagt Alex Maier und zitiert damit auch Wirtschaftsvertreter aus Göppingen. „Es lohnt sich. Es braucht Leute, die genauso denken.“ Die Befürchtung, dass mit KI eine Mitarbeiterreduzierung verbunden wäre, kann Alex Maier so nicht teilen, es gehe vielmehr darum, schneller und effizienter zu werden. Dazu arbeitet die Stadt Göppingen auch mit Unternehmen, mit Startups aus der Umgebung zusammen, beispielsweise mit „Mira Vision“, dessen CEO Lukas Mürdter auch Vorsitzender des Vereins „HIVE“ ist. Mira Vision mit Sitz in Göppingen möchte mit Hilfe von KIbasierter Analyse mikroskopischer Bilder die Diagnose in Medizin und Pathologie sowie Medikamentenentwicklung revolutionieren.
Seit April wurden für „HIVE“ auf 2.200 Quadratmetern Grundfläche in „Halle 1 Werk III“ von Boehringer 22 gebrauchte Schiffscontainer aufgebaut. Die Stahlkolosse sollen im Industrie-Look mit viel Glas und Holz umgebaut und zusammengefügt werden, und damit zu einem Zentrum für Künstliche Intelligenz werden. Die Stadt Göppingen stellt die Halle für drei Jahre mietfrei zur Verfügung. Insgesamt ist von einem Finanzierungsbedarf von 1,8 Millionen Euro für drei Jahre die Rede.
Zusätzliche Herausforderung ist, dass kurz nach dem Kauf der Großteil der ehemaligen Boehringer-Werkshallen unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das erfordert erhebliche finanzielle Mittel, welche Stadt und Businesspark GmbH alleine nicht aufzubringen vermögen.
Künftiger Frequenzbringer
Auch im nördlichen Bereich des Böhringer-Areals geht es voran. Die Stadt Göppingen hat die ehemalige Modellschreinerei und Taurushalle erworben und saniert in Eigenregie das Gebäude, das zukünftig Frequenzbringer für das gesamte Areal werden soll. Künftig sollen dort VHS, ein Minkt-Bildungszentrum mit Makerspace, Ateliers für Kunst- und Kulturschaffende, Veranstaltungsräume und das Archiv untergebracht werden. Die Sanierung der Modellschreinerei wird finanziell auch vom Land Baden-Württemberg im Rahmen der Städtebauförderung unterstützt.
Bereits im Frühsommer soll es eine Eröffnungsparty für HIVE geben. Damit wäre das Projekt in Rekordzeit realisiert worden: Von April bis Sommer. „Es zeigt, wie toll es ist, wie schnell wir waren“, sagt OB Alex Maier. [!] Axel Raisch

Zur Person
Alex Maier ist seit 14. Januar 2021 Oberbürgermeister von Göppingen. Der 34-Jährige war von 2016 bis zu seiner Wahl zum Oberbürgermeister Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg und dort Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Treffpunkt für Innovation und Zusammenarbeit

HIVE steht für Hub for Innovation, Vision and Execution (Zentrum für Innovation, Vision und Umsetzung). Es ist ein Zusammenschluss von öffentlichen Institutionen, etablierter Firmen und Start-Ups.
Vorsitzender des HIVE e.V. ist Lukas Mürdter, KI-Unternehmer aus Göppingen, der mit seiner Firma „Mira Vision“ mit Hilfe KIbasierter Analyse mikroskopischer Bilder im Bereich der Medizin neue Maßstäbe setzen will.
HIVE wird auf 2200 Quadratmeter Grundfläche Arbeitsplätze an Unternehmen vermieten, Events organisieren, Showcases einrichten. Und weil mit Leonhard Weiss und Kleemann zwei Konzerne dabei sind, die der Bauindustrie verbunden sind, schweben Mürdter praxisnahe KI-Anwendungen aus der Bauwirtschaft, aber auch aus dem Maschinenbau vor. Wichtig ist auch der Treffpunkt-Charakter, der Austausch, die Förderung des„Networkings“. Dazu soll eine Cafeteria beitragen.
„Hier kann man sich das Gründen noch leisten.“
Wirtschaft Gründergeist, starke Unternehmen und kurze Wege sorgen für Wachstum. Oberbürgermeister Maier erklärt das Erfolgsrezept der Stadt.

Wirtschaftlich steht die Stadt Göppingen gut da. Obwohl ein Großteil der Gewerbesteuereinnahmen von wenigen Unternehmen generiert wird und die Gewerbeflächen an ihre Grenzen stoßen. Mit kurzen Wegen und wenig bürokratischen Hürden wird der Gründergeist in der 60.000-Einwohner-Kommune gefördert. Wir sprachen mit Oberbürgermeister Alex Maier, der die Wirtschaftsförderung auch als Chefsache sieht.
„Hier geht schon richtig was“, sagt Alex Maier, auch wenn in Göppingen wie andernorts auch die wirtschaftliche Lage schon besser war. Der Rathauschef untermauert es mit Zahlen, Daten, Fakten: In Göppingen gebe es derzeit so viele Unternehmen wie niemals zuvor: rund 5.000. Die Gewerbesteuereinnahmen betrugen im vergangenen Jahr 70.000.000 Euro, geplant hatte der Kämmerer mit 55.000.000. Wenig verwunderlich, dass Göppingen daher auch überproportional zum Kreishaushalt beiträgt: „Unser Anteil an der Kreis-Umlage beträgt etwa 25 Prozent, obwohl Göppingen hinsichtlich der Einwohnerzahl weit weniger als 25 Prozent der Kreisbevölkerung stellt“.
Weshalb ist die Lage in Göppingen trotz einer bereits seit vielen Monaten stagnierenden Wirtschaft so gut? „Göppingen hat Glück, dass es noch keine Einbrüche gibt, wie etwa mit Allgaier in Uhingen. Wir haben starke und gute Unternehmen“, sagt der Oberbürgermeister. Die Unternehmensstruktur sei breit gestreut, es bestünden keine Abhängigkeiten von einem einzelnen Industriezweig wie zum Beispiel der Automobilwirtschaft. Allerdings werden die Gewerbesteuereinnahmen zu über 50 Prozent von zwei Unternehmen generiert. Das stelle durchaus ein gewisses Risiko dar. Daher setze man in Göppingen auch auf Neuansiedlungen und Gründergeist - und mache auch etwas dafür. Um neben so großen und traditionsreichen Unternehmen wie Märklin, Leonhard Weiß, Schuler, Mink, Bader und Kleemann neue Namen groß zu machen. So, wie das beim seit einigen Jahren Schlagzeilen machenden Unternehmen Teamviewer der Fall war.
Oberbürgermeister
„Teamviewer bietet Göppingen einen riesigen Mehrwert“, sagt der OB und erklärt, was er damit meint. Die - überdurchschnittlich jungen und gut ausgebildeten Mitarbeiter brächten sich aktiv im Stadtgeschehen ein, das Unternehmen habe eine enorme Außenwirkung. „Sie beleben die Stadt sowie das Nachtleben in Göppingen. Wir hoffen, dass manche von denjenigen, für die Göppingen anfangs eine Stufe auf der Karriereleiter ist, in Göppingen bleiben“, betont Maier. Vielleicht, um mit einer Idee ein Start-up unter dem Hohenstaufen zu gründen. Alleine mit der Hoffnung ist es allerdings nicht getan.
Die Rahmenbedingungen in Göppingen seien sehr gut, sagt der Oberbürgermeister, der vor seinem Wechsel an die Rathausspitze für die Grünen im Stuttgarter Landtag saß. Eine großstädtische Infrastruktur paare sich mit allen Vorteilen einer Kleinstadt. „Gründer bekommen beim OB sofort einen Termin, wenn sie ihn brauchen - anders als in einer Metropole“, verspricht Maier. Die Wege seien kurz, die Netzwerke klein, aber höchst effizient. Göppingen zählt zum Speckgürtel Stuttgarts, ist Teil der Region - jedoch mit bislang bezahlbaren Preisen für Grund und Boden. „Hier kann man sich das Gründen noch leisten und ist dennoch innerhalb einer halben Stunde in der Stuttgarter City.“ Hinzu kämen überzeugende, weiche Standortfaktoren: „Und das alles umgeben von schöner Natur; zehn Minuten Gehweg und man ist im Grünen.“
Mehr Bedarf als Platz
Bei Neugründungen setzt man in Göppingen auf Zukunftstechnologien, da der Platz für eine Ausdehnung der Gewerbegebiete für klassische Industrieunternehmen weitgehend ausgereizt ist. „Es gibt mehr Bedarf als Platz“, berichtet Maier.
Insgesamt hat Göppingen drei Gewerbegebiete: „Voralb“, den „Stauferpark“ sowie das Gewerbegebiet Jebenhausen. In Jebenhausen bietet sich durch den Wegzug von „Aqua Römer“ nach Mainhardt die Möglichkeit, das Gewerbegebiet auf dem ehemaligen Areal der Sprudelfabrik zu erweitern.
Das „Klimaangepasste Stadtentwicklungs- und Mobilitätskonzept“ gelte es ebenfalls weiter zu bearbeiten, im Hinblick darauf, wo weitere Gewerbegebiete entstehen könnten.
Aktuell wird das Areal der ehemaligen Maschinenfabrik Boehringer entwickelt. Das habe Charme, sei aber auch herausfordernd aufgrund des Denkmalschutzes, so der OB. Das Gelände sei einmalig in Süddeutschland hinsichtlich seiner Größe, Lage und des Entwicklungspotentials. [!] Axel Raisch
Wie geht es weiter im Stauferpark?
Im Stauferpark sind alle verfügbaren Flächen vergeben. Allerdings besteht im Südbereich weiteres Entwicklungspotential. Dies hängt jedoch davon ab, wie es mit dem derzeit als Golfplatz genutzten Gelände weitergeht. Wird es ein Golfplatz bleiben? Werden Wohnungen dort entstehen?
Oder wird die Fläche zum Gewerbegebiet werden? Bis zum Jahr 2027 ist die Fläche an den Golfpark verpachtet. Sollte danach eine andere Entwicklung vorgesehen sein, so müsse man schnell mit den Planungen beginnen. Daher, sagt OB Maier, gelte es jetzt bereits die entsprechenden Weichen zu stellen, die verschiedenen Interessenlagen abzuklopfen und eine Entscheidung zu treffen. „Wir werden versuchen einen Weg zu finden, der allen Interessen gerecht wird. Einfach wird das aber sicher nicht.“
Im Stauferpark ist die Firma Kleemann dominierend. Maier sieht darin keinen Nachteil. „Wir sind froh, sie am Standort zu haben, auch der Impulse wegen, die sie setzt“, betont er, auch mit Blick auf die Kl-Offensive „Hive“ und ergänzt: „Mit Firmen wie diesen, aber auch allen anderen, macht es Spaß zu arbeiten.“