Muswiese: Feiern ohne Pflichten
Sonderveröffentlichung

MUSWIESE 2023 Muswiese: Feiern ohne Pflichten

Königin der Feste, mittlerweile Favorit von Altbürgermeister Siegfried Gröner der zum Volksfest-Enthusiasten herangewachsen ist

Siegfried Gröner trägt seine Muswiesen-Liebe bisweilen auch auf dem T-Shirt. Foto: Sebastian Unbehauen

06.10.2023

Man vergisst das manchmal, weil er schon so lange in Rot am See daheim ist; weil er die Gemeinde von 2002 bis 2021 als Bürgermeister angeführt und ihr Gesicht geprägt hat. Aber: Siegfried Gröner (64) ist tatsächlich waschechter Crailsheimer - dort geboren, dort sozialisiert, dort zum Volksfest-Enthusiasten herangewachsen. „So, wie man in Rot am See der Muswiese entgegenfiebert, haben wir uns halt auf das Fränkische Volksfest gefreut“, erinnert er sich. „Bei den alten Crailsheimern war das so: Jeder hat in der Woche vorher den Garten rausgeputzt, die Hecke geschnitten, die Wimpel rausgehängt.“ Und bei Siegfried Gröner war es so: „Meine Leut' haben mich ein paar Tage lang nicht gesehen. Ich war ein extremer Volksfest-Gänger.“

Und die Muswiese? Spielte in seinen frühen Jahren keine Rolle für den späteren Schulz: „Nach den vier Tagen Volksfest war das Jahr für mich gegessen. Geld habe ich dann eh keins mehr gehabt.“

Also, ein Gribbl qua Geburt ist Siegfried Gröner nicht. Sein Volksfesthintergrund hat ihm aber Verständnisräume für die Muswiese geöffnet. Er wusste schon, als er sich in Rot am See als Rathaus-Chef bewarb, was es bedeutet, ein Jahr auf der Basis eines Festtermins einzuteilen. Er hatte reichlich vom großen Freiheitsmahl gekostet, das Wirte, Schausteller und Händler auftischen, wenn sie in eine Gemeinde kommen. Ihm musste man nicht erklären, warum seine Neubürger im Herbst plötzlich so beseelt aus der Wäsche guckten.

Meine Mutter hatte früher Angst, dass ich direkt vom Volksfest mit dem fahrenden Volk davonziehe“, erzählt Gröner, lacht und fügt an: „Diese Welt hat mich fasziniert und ich bin mit diesen Leuten immer gut klargekommen.“ Als er zum Bürgermeister von Rot am See gewählt war, brauchte er drei, vier Jahre des Einfeierns, dann war's endgültig um ihn geschehen. „Ja, das Muswiesen-Virus kann einen befallen. Das ist nicht nur ein Spruch“, sagt Gröner - in diesem Fall: der Patient. Er zählt die Tage, er checkt schon Wochen vorher die Wetter-App. Er ist, wenn es so weit ist, von morgens bis abends auf dem Jahrmarkt. Jungviehprämierung, Metzgertanz und Feuerwerk sind Pflichtprogramm. Er versucht, so viele verschiedene Schlachtplatten wie möglich in möglichst vielen Bauernwirtschaften zu essen, genießt die Atmosphäre in der Festhalle Hahn, bummelt, schwätzt, ist schlicht und einfach „ah weng doa“,wobei im „Weng“ natürlich nicht nura weng“ hohenlohische Untertreibung steckt.

Das alles stellte sich auch schon so dar, als er noch im Amt war. „Die Muswiese war meine schönste Beschäftigung im Bürgermeisterleben. Ich habe da extrem viel Herzblut reingesteckt“, betont der 64-Jährige. „Der Spaßfaktor und die Lust am Jahrmarkt waren nicht kleiner als heute.“ Und der bürgermeisterliche Logenplatz beim Metzgertanzgucken war ganz klar von Vorteil. Aber natürlich kann Gröner jetzt noch gelöster feiern, ohne Pflichten, ohne sich einen Nachmittag mit der Familie mühsam aus den Rippen schneiden zu müssen, ohne den Rucksack voller Verantwortung und die Furcht vor Dauerregen. „Die obligatorischen zwei schlaflosen Nächte von damals habe ich nicht mehr“, sagt Gröner. Er fiebert trotzdem mit seinem Nachfolger Dr. Sebastian Kampe, mit Organisatorin Beate Meinikheim und Marktmeister Florian Reiß: „Ich weiß einfach, was es an Arbeit und Stress bedeutet, wenn das Wetter nicht mitspielt.“

Für Gröner gilt indes wie für alle anderen, dass er ohne Frage auch dann hingeht, wenn's Kuhbatzen regnet. Und er besucht natürlich auch heute noch das Volksfest in Crailsheim. „Ich war dieses Jahr dreimal dort. Ich kenne da halt viele, viele Leute, das ist wie ein informelles Klassentreffen“, erzählt er. „Aber die Muswiese ist mittlerweile ganz klar mein Favorit. Das sage ich nicht nur so daher. Zum Volksfest gehe ich gern mal, aber auf die Muswiese freue ich mich richtig.“

Wie zum Beweis steht das Muswiesen-Puzzle aus 2000 Teilen, das Gröner zum Abschied von Beate Meinikheim geschenkt bekommen hat, fertig zusammengesetzt und verklebt neben dem Gröner'schen Fernseher - als Vorbote des Jahrmarkts und Vorfreude-Indikator. Als der frühere Bürgermeister mit dem Puzzle fertig war, fehlte ein Teil. Das ganze Haus wurde auf den Kopf gestellt, aber es tauchte zunächst nicht wieder auf. Gröner gab sich damit nicht zufrieden, druckte das Bild aus, klebte den entsprechenden Ausschnitt auf Karton, schnitt das Teil zu, versuchte den Glanz des Originals mit Lack nachzuahmen und verhinderte so mit viel Mühe eine hässliche Lücke im Musdorfer Marktgeschehen - ehe das verlorene Teil beim Putzen wiederauftauchte. Wenn das nicht wirklich wahre Muswiesen-Liebe ist... Sebastian Unbehauen