Studium oder Ausbildung?
Sonderveröffentlichung

Berufswahl & Zukunft Studium oder Ausbildung?

„Zweifel gehören dazu“, sagt Karriereexpertin Ute Neher und gibt Tipps zur Entscheidungsfindung.

Hörsaal oder Werkstatt? Diese Frage stellen sich viele Schulabgänger. Foto: Kai Remmers/dpa-mag

01.10.2025

Von Prestige oder Erwartungen sollten sich junge Menschen bei der Entscheidung aber nicht leiten lassen, rät Ute Neher, Karriereexpertin bei der Jobbörse Indeed. Stattdessen sollte man sich davon inspirieren lassen, was in den eigenen Alltag passt. 

Einer Umfrage im Auftrag von Indeed unter 500 Studierenden zufolge haben immerhin zwei Drittel (67 Prozent) schon darüber nachgedacht, ob eine Ausbildung nicht besser zu ihnen gepasst hätte. Für Ute Neher zeigt das: „Selbst mit gefasster Entscheidung bleiben viele im Zweifel.“ 

Entscheidungsfindung: Diese Fragen helfen dabei

Die Expertin hält folgende Fragen bei der Entscheidungsfindung für wichtig: Was liegt mir? Arbeite ich gerne mit meinen Händen oder direkt mit Menschen? Macht es mir Spaß, Dinge praktisch umzusetzen, im Team zu arbeiten und schnell Ergebnisse zu sehen? Dann ist eine Ausbildung vielleicht der richtige Weg. Wer Tiefe braucht und Dinge durchdringen, planen oder analysieren will, findet womöglich eher im Studium Erfüllung. Brauche ich ein sicheres Umfeld oder traue ich mir mehr Freiheit zu? Wie wichtig ist es mir, direkt ins Berufsleben einzusteigen oder will ich mir ein paar Jahre zum Lernen nehmen?

Es zähle am Ende aber nicht die perfekte Entscheidung auf Anhieb, „sondern die Bereitschaft, sie bewusst zu treffen“, so Neher. Das gelte besonders in einer sich wandelnden Arbeitswelt, in der etwa Künstliche Intelligenz eine immer größer werdende Rolle bei der Frage spielt, wie sicher oder zukunftsfähig bestimmte Berufswege sind. In der Indeed-Umfrage gibt mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten an, sich Sorgen zu machen, dass KI viele der im Studium erlernten Fähigkeiten überflüssig machen könnte. Unbegründet seien solche Sorgen nicht, sagt Neher. „Einfache Wissensarbeit lässt sich technisch leichter automatisieren.“

Gleichzeitig würden Tätigkeiten, die weniger gut durch KI ersetzbar sind, an Bedeutung gewinnen. Etwa Berufe mit handwerklichen oder sozialen Anteilen. „Genau hier liegt eine neue Stärke der Ausbildung.“ Ute Neher zufolge werde aber generell der Umgang mit KI zunehmend zur Schlüsselkompetenz. „Gefragt sind Menschen, die KI nicht fürchten, sondern sinnvoll einsetzen können, egal ob sie aus der Ausbildung oder dem Studium kommen“, so die Expertin. Wichtig sei deshalb, sich auf lebenslanges Lernen einzustellen und Technologien aktiv zu nutzen, um auf die Anforderungen im Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein – ganz unabhängig vom gewählten Einstieg. 

Und was hilft, wenn man rückblickend mit der eigenen Entscheidung für den einen oder anderen Weg hadert? Wäre eine Ausbildung am Ende doch die bessere Option gewesen? Hätte mich ein Studium glücklicher gemacht?

„Zweifel gehören dazu“, beruhigt Neher. Passt ein einmal gefasster Plan nicht mehr, sei das kein Scheitern, sondern Realität. Wichtig ist, dass man bereit ist, sich darauf einzulassen. Manchmal reiche dafür schon ein Perspektivwechsel im eigenen Beruf, ein neuer Schwerpunkt oder eine Weiterbildung, um die Zweifel zu überwinden. „Und manchmal braucht es den Mut, wirklich neu zu starten – sei es mit einer späten Ausbildung, einem Quereinstieg oder einem ganz anderen Weg“, so die Karriereexpertin.

Entscheidend sei in der Regel also nicht, ob der erste Schritt perfekt war - sondern ob man bereit sei, sich weiterzubewegen, wenn das Leben oder der Markt sich verändert. „Wer den Mut hat, nochmal hinzuschauen und neu zu denken, zeigt Stärke. Und genau diese Haltung wird in der heutigen Arbeitswelt gebraucht“, erklärt Ute Neher. dpa

Bezahlung nach Tarif

Die Vergütung kann in der Ausbildung sehr unterschiedlich sein, mindestens jedoch 682 Euro im Monat.

Für relativ viele Azubis legt ein Tarifvertrag fest, wie viel sie während ihrer Lehre verdienen. 2024 gab es dabei den höchsten Anstieg bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen seit 1996, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mitteilt. Azubis in tarifgebundenen Betrieben haben 2024 demnach im Durchschnitt über alle Ausbildungsjahre hinweg 1.133 Euro brutto im Monat und damit rund 70 Euro mehr als 2023 verdient. 

An der Spitze: Rohrleitungsbauer/-in - mit monatlich 1.349 Euro. Knapp dahinter folgt auf Platz 2 der Beruf Milchtechnologe/-technologin (1.347 Euro).

Ein Großteil (60 Prozent) der Auszubildenden erhielt im Durchschnitt eine Ausbildungsvergütung von mehr als 1.100 Euro, etwa ein Viertel mehr als 1.250 Euro.

Es gibt aber auch Berufe, bei denen die tarifliche Ausbildungsvergütung durchschnittlich unter 950 Euro pro Monat liegt. Für 25 Berufe hat das BIBB einen bundesweiten Durchschnittswert von weniger als 1000 Euro ermittelt. Ein Großteil dieser Berufe gehöre zum Handwerk, heißt es - wie etwa die Ausbildung zum Maler und Lackierer (936 Euro) oder zum Bodenleger (882 Euro). Der Auswertung zufolge ist die Ausbildung zur Friseurin/ zum Friseur der Beruf mit den insgesamt niedrigsten tariflichen Ausbildungsvergütungen (719 Euro). 

Ohne Tarifvertrag gilt die Mindestvergütung

Wichtig: Wer in einem Betrieb ohne Tarifbindung oder ohne Tarifvertrag ausgebildet wird, muss häufig mit einer geringeren Vergütung rechnen. Die Mindestausbildungsvergütung legt aber eine Untergrenze fest, die Arbeitgeber nicht unterschreiten dürfen. Wer zum Beispiel 2025 eine Ausbildung beginnt, bekommt demnach im ersten Ausbildungsjahr mindestens 682 Euro monatlich. Im vierten Ausbildungsjahr müssen es dann 955 Euro sein. Zusätzlich gilt für nicht tarifgebundene Betriebe: Die Ausbildungsvergütung darf die für ihre Branche und Region geltenden tariflichen Sätze um maximal 20 Prozent unterschreiten. dpa