Der Bäckermeister Wilhelm Burkard aus Rot am See hat einen berühmten Namensvetter: Der Termin der Muswiese richtet sich seit über 100 Jahren nach dem Namenstag des Heiligen Burkhard. Und schon seit knapp 100 Jahren wiederum richtet sich die Bäckerei auch nach der Muswiese - schließlich wollen die "Bewohner" der temporären Metropole Musdorf mit Backwaren versorgt sein. Gut 14 Tage vor dem Nationalfest der Hohenloher füllen sich auch bei der Bäckerei Burkard die Auftragsbücher enorm. Rund 20 Kunden auf der Muswiese melden ihren Bedarf an allerhand Backwaren und Kuchen an - nebst "Spezialanfertigungen“ wie eine "Halbmeter-Stange" für eine Wurst in diesem imposanten Format. Für den größten Kunden müssen tagtäglich immerhin 4000 bis 5000 Brötchen zuverlässig geliefert werden.
Vier bis fünf Mal am Tag steuern die Transporter der Bäckerei ab 8 Uhr den Musdorfer Festplatz an. Und wenn durch die Menschenmassen mal kein Durchkommen mehr ist, dann wird die Bestellung halt per pedes zum Kunden getragen. Kein Problem, wenn die Ware einmal überraschend knapp werden sollte: Wer bis 17 Uhr nachbestellt, bekommt den Nachschub bis 18.30 Uhr geliefert.
Wilhelm Burkard und seine Frau Sigrid sehen dem „Großkampftag" im Zeichen der Muswiese gelassen entgegen. Die Familie hat schließlich jahrzehntelange Erfahrung bei der Bewältigung dieser zusätzlichen Arbeit, seit die Großeltern im Jahr 1926 die Bäckerei übernahmen. In den Jahren 1948 bis 1953 bewirtschaftete die Familie sogar ein eigenes Zelt auf der Muswiese.
Alle helfen mit
Und schon im Jahr 1999 beim Neubau der Bäckerei mitsamt Café unweit des Rathauses, der 48 Beschäftigten einen Arbeitsplatz bietet, wurde die Kapazität wohlweislich auch auf das zusätzliche Muswiesen-Geschäft ausgelegt. Mit dem neuen Domizil waren damit auch die Zeiten vorbei, als im Ladengeschäft das Angebot an den Tagen der Muswiese reduziert werden musste.
„Wir Bäcker sind eine große Familie", sagt Wilhelm Burkard. Und so kommt es, dass über die Muswiese nicht nur die Verwandtschaft vom Onkel bis zum Cousin tatkräftig in der Backstube mithilft, sondern auch drei Profi-Kollegen aus Ipsheim (Landkreis Neustadt-Aisch), Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) und aus dem südhessischen Bensheim, deren Söhne zum Teil schon in Rot am See ihre Ausbildung absolviert haben und gerne einspringen. Allerdings bringt es die Muswiese mit sich, dass Wilhelm Burkard und seine Mitarbeiter ihre biologische Uhr neu stellen müssen. Die Lichter in der Backstube gehen dann nämlich schon um Mitternacht an, normalerweise beginnt der Zwei-Schichten-Betrieb um 2 und um 4 Uhr. Die Zeit für einen Bummel durch die Musdorfer Budengassen ist da knapp bemessen, wenn der Tag für den Schlaf genutzt werden muss. „Ein Besuch auf der Muswiese ist für mich aber eine sehr angenehme Pflicht", sagt Wilhelm Burkard, der voll des Lobes ist für die perfekte Organisation des Jahrmarktes durch die Gemeinde. Auch die Bauernwirte hätten sich inzwischen zu „absoluten Profis" entwickelt.
Die Energiekrise mitsamt Inflation trifft auch das Bäckerhandwerk enorm. Wilhelm Burkard bezahlt zum Beispiel für ein Kilo Zucker nunmehr 1,04 Euro statt 42 Cent vor einem Jahr. Explodiert sind auch die Kosten für das Mehl - von 32 auf 54 Euro für den Doppelzentner. Allein von diesem Rohstoff braucht die Bäckerei rund 150 Tonnen pro Jahr. Einen heftigen Preissprung gab es auch beim Heizöl, von dem die Bäckerei jährlich rund 30 000 Liter benötigt.
Keine Panik
„Wir wollen aber nicht jeden Tag jammern und in Panik verfallen, sondern wir blicken zuversichtlich in die Zukunft, unser Sohn Marco beginnt im nächsten Jahr nach dem Abitur aus voller Überzeugung eine Ausbildung als Bäcker", sagt der Familienvater. Überhaupt sollte die Krise junge Leute nicht davon abschrecken, diesen schönen, sinnstiftenden Beruf zu ergreifen. Was Wilhelm Burkard aber so richtig ärgert: „Discounter, die ebenfalls Backwaren im Angebot haben, wurden von der EEG-Umlage befreit - wir nicht. Hier sollten die Rahmenbedingungen für alle gleich sein." Harald Zigan