Am Anfang des Grundgesetzes geht's um die unantastbare Würde, im Vorspann des „Tatorts“ rennt ein Unglücklicher in Todeshast davon, und am Ende des Gebets sagt der Pfarrer „Amen“. Manche Dinge sind in unseren bewegten Zeiten halt doch noch sicher - wenn's auch nicht die Rente ist. In die Reihe der ewigen Unantastbarkeiten gehört zweifellos der Gruß „Sou, bisch ah weng doa?“ auf der Muswiese, schließlich beten Jahrmarkts-Jünger ihn mindestens so routiniert herunter wie der Papst den Rosenkranz.
„Sou, bisch ah weng doa?“ ist zwar als Frage verkleidet, in Wahrheit geht's aber wie in der Kirche um die Antwort. Es steckt kein Aufbruch und Wissenwollen darin, sondern ein Ankommen und Sichvergewissernwollen. Der Fragesteller wirft den Anker aus, der Angesprochene ist der feste Grund. Denn: Natürlich ist der andere „doa“, sonst könnte man ihn ja nicht fragen, ob er „doa“ sei. Ums„Ah“ geht's: Du bisch doa. I bin ah doa. Und wenn wir alle doa sind, dann kann doch nicht alles schlecht sein, oder?
Langer Germanistik kurzer Sinn: Jedes Jahr im Oktober legen wir mit der Zauberformel „Sou, bisch ah weng doa“ im sicheren Hafen Muswiese an, wo die raue See (die liegt irgendwo bei Craalse) außen vor bleibt, am Fuße der Krautberge, im warmen Föhn der Wurstkessel - eine bessere Welt auf Zeit, in der kein Mangel herrscht, und wo Menschen aus allen Himmelsrichtungen friedlich, fröhlich, frei zusammenkommen. Ankommen. Ganz bei sich sind. Sou, bisch ah weng doa? Ja?! Gott sei Dank, denn dann existiert dieses Musdorfer Schlaraffenland ja tatsächlich!
Sou Leit, jetzt wisst r des also ah.
Übers „Sou“ müssen wir aber noch gesondert reden, denn dieses hohenlohischste, schönste, vielseitigste aller Worte bereichert die Muswiesen-Konversationen auch jenseits des Begrüßungsrituals. „Sou!“, sagt das Mannsbild, wenn es entschlossen in den Schmetzer-Stand stapft. „Sou drei odder vier“, schätzt das Mannsbild, wenn es wieder rauskommt und die Gattin fragt, wie viele Hefepils in der Zwischenzeit geflossen sind. „Sou?“, fragt sie und zieht die Augenbrauen hoch.
„Sou rum halt“, gibt das Mannsbild zu. „Sou ann will i“, fleht derweil draußen in der Budengasse der Bua den Babbe ou und zeigt auf den Spielzeug-Fendt. „Sou vill gibbt's heit net“, sagt der Babbe. „Sei halt net sou!“, barmt der Bua. „Naa, du bisch scho sou oft Karussell gfoahre!“ In der Bauernwirtschaft beugt sich im selben Moment eine Feinschmeckerin über die Schlachtplatte: „Sou guat!“ Klar, dass es da ordentlich Trinkgeld gibt: „Stimmt sou!“ „Sou a freindlichi Fraa“, denkt sich die Bedienung, stößt ein fröhliches „Sou!“ aus und geht weiter zum nächsten Tisch: „Sou, wesst ihr scho, woss ihr wällt?“Klar: „Sou vill Bier und Schnitzel wid trooche kousch.“ Was sie noch wollen: Dass der Wirt niemals „Sou, etz is Sperrstund“ sagen möge.
Ja, sou gett des zua uff dr Muswies. Und zwar schon seit 1434. Odder sou.
Info
Ah Weng doa!
Maultaschen
Erstmals gibt es auf der Muswiese einen Stand mit der schwäbischen Spezialität. „I love Mauldasch“ aus Stuttgart heißt das Unternehmen, das für die Metzgerei Laubinger aus Rot am See einspringt - und die fleisch- und wurstlastige Jahrmarkts-Kulinarik auch mit vegetarischen Teigtaschen-Varianten bereichert. Solange wir nicht zur Kehrwoche verdonnert werden, sehen wir Hohenloher dem neuen Angebot aus dem Schwabenland gelassen entgegen, gell?!
Ah Weng doa!
SWR1
In den Wochen vor der beliebten SWR1-Hitparade sind Radioleute aus Stuttgart im ganzen Land unterwegs und lassen Gemeinden im „HIT-mach-Duell“ gegeneinander antreten. Rot am See bekommt es mit Hausach im Schwarzwald zu tun. Am Muswiesen-Mittwoch gilt's: Möglichst viele Menschen müssen dann zu Whitney Houstons Hit „I wanna dance with somebody“ tanzen. Zu gewinnen gibt's Karten für die Hitparaden-Finalparty in der Schleyerhalle.
Ah weng doa!
Steamer
Zu Deutsch heißt es „Dampfkochtopf“, aber das Teil ist nicht etwa für Kraut und Würste da, sondern für die Muswiesen-Besucher, die's gerne schnell und zentrifugal mögen.
Der „Steamer“ ist das Fahrgeschäft, das heuer anstelle des Riesenrads den Vergnügungspark bereichert. Es ist und bleibt nämlich so: Nur alle zwei Jahre geht's auf der Muswiese in höchste Höhen, 2023 ist das Riesenrad „.net doa“.
Ah Weng doa!
Inflation
Die Muswiese ist zwar gefühlt nicht von dieser Welt, aber die allgemeine Teuerung wird wohl auch vor dem Jahrmarkt nicht Halt machen. Auf dem Volksfest in Crailsheim haben die Leute schon erfahren, wie es ist, wenn die Geldscheine Flügel bekommen. Trotzdem, ihr Gribbl, die Muswiese ist nicht der Ort für Knauserei – schließlich sollen Händler und Schausteller immer wieder gerne nach Musdorf kommen. Und so schlimm wie vor 100 Jahren ist's immerhin nicht: 1923 und 1924 fiel der Jahrmarkt wegen der grassierenden Hyperinflation ganz aus.
Ah weng doa!
Maja
Sie ist eine Hündin, genauer gesagt: ein Labradoodle. Diese Mischung aus Pudel und Labrador zeichnet sich durch Intelligenz und Verfressenheit aus – das perfekte Profil für einen Muswiesenbesuch. Klar, dass die Zwölfjährige, die bei Familie Eberlein in der Siedlung von Rot am See lebt, ganz begeistert ist vom schönsten Hohenloher Jahrmarkt der Welt. Auch heuer wird sie aus dem Häuschen sein. Kleiner Tipp, falls Sie Maja treffen: Sie liebt Wurst.
Ah Weng doa!
Rath-Bär
Wenn man auf die Muswiese geht, weiß man, dass man viele Leute trifft. Wen man trifft, weiß man aber nicht so genau. Denn auf dem riesigen Gelände läuft man sich nicht zwingend über den Weg. Eine Begegnung hingegen darf als sicher gelten: Der Bär des Langenburger Energieunternehmens Rath ist im Freigelände quasi nicht zu übersehen. Er verteilt Gutsle an die Kleinen, steht geduldig für Fotos bereit- und gehört so längst zum Muswiesen-Inventar.
Ah weng doa!
Doppelhummel
Die Muswiese war schon immer auch ein Fest der Liebe. Wenn Knechte und Mägde einmal aus ihrem harten Alltag ausbrechen durften, dann wurde in Musdorf nicht nur artig gebummelt, sondern auch heftig gefummelt. Es baute also auf einer alten, lebenslustigen Tradition auf, dass Elmar Thüry mit seinen Vibratoren aus Holz - etwa dem Typ Doppelhummel - bei seiner Muswiesen-Premiere im vergangenen Jahr ein gutes Geschäft machte. So gut, dass er heuer gerne wieder nach Hohenlohe kommt.
Ah weng doa!
Schürzen
In der Mode gibt es eine ewige Wahrheit: Alles kommt irgendwann wieder. Man darf also gespannt sein, wann die Jungen die Schürzen-Stände auf der Muswiese stürmen. Über Optik lässt sich ja stets streiten, aber der praktische Nutzen der buntbemusterten Alltagskluft ist unübertroffen. Also, Mädels (und Buben, wenn's euch gefällt): Schlupft doch moal nei - und setzt einen Trend! Die Händler wird's freuen.