Egal, ob als Frau in handwerklichen Berufen, als Mann im Pflegebereich oder auch als non-binäre Person: Manchmal ist man am Arbeitsplatz deutlich in der Minderheit. Nicht zwangsläufig bedeutet das, dass geschlechtsspezifische Vorurteile auftreten. In der Praxis kommen sie trotzdem häufig vor. Besonders zu Beginn der Berufslaufbahn und während der Ausbildung kann es schwierig sein, sich dagegen zu wehren.
Die stellvertretende Vorsitzende der Verdi-Jugend Deborah Neuenfeld findet, dass Azubis mit solchen Problemen gar nicht konfrontiert sein sollten. Es liege in der Verantwortung der Ausbildungsstätten und Ausbilder, ein Arbeitsumfeld frei von sexistischen Vorurteilen zu schaffen. Kommt es dennoch zu Vorfällen, sollten sich Azubis laut Neuenfeld nicht damit abfinden: „Sexismus hat nirgendwo etwas verloren.“ Wie Betroffene ad hoc auf unangebrachte Kommentare reagieren können und an wen sie sich wenden können – hier einige Antworten.
Wann sind es „nur“ blöde Kommentare, wo fängt Sexismus an?
Die Unterscheidung zwischen blöden und unbedachten Kommentaren und Sexismus kann eine knifflige Angelegenheit sein. „Ich finde das super schwierig abzugrenzen, weil sexistische Vorurteile oder Kommentare ja aus einer sexistischen Sozialisierung kommen“, sagt Neuenfeld. Aber: Vor allem die Wiederholung macht laut Neuenfeld das Gift. Ein einzelner unbedachter Kommentar kann durch Kommunikation geklärt werden. Aber regelmäßige, geschlechtsspezifische Bemerkungen oder sexistische Anspielungen sind klare Fälle von Sexismus und dürfen nicht toleriert werden.
Sylvana Hanisch, Bildungsreferentin für Landwirtschaft und Gender am Peco-Institut, steckt die Grenzen etwas enger ab: „Wenn Verhalten oder Kommentare unerwünscht sind für die Person, an die sie gerichtet sind, ist das nicht in Ordnung.“
Trotzdem ist nicht jeder unangebrachte Kommentar zwangsläufig sexistisch. Sie sind es aber dann, wenn sie eine geschlechtsspezifische Zuschreibung oder sexualisierte Anspielungen enthalten. Ein klassisches Beispiel für Sexismus ist die Annahme, dass Frauen weniger technikaffin sind und eher für soziale Aufgaben geeignet sind. Aber auch die Frage, ob man einen Freund oder eine Freundin habe, könne schon als sexistischer Kommentar betrachtet werden, wenn der Kontext nicht passe, so Sylvana Hanisch.
Wie können Auszubildende ad hoc auf sexistische Kommentare reagieren?
Die Reaktion auf einen Kommentar hängt stark davon ab, wer ihn gemacht hat und um was für einen Spruch es sich handelt. Neuenfeld empfiehlt in so einer Situation einfach mal nachzuhaken, was genau damit gemeint ist. Bei Aussagen wie „Für ein Mädchen bist du aber ganz schön stark“ könne man zum Beispiel fragen, ob das bedeute, dass Frauen generell schwach seien. Solche Gegenfragen bringen viele dazu, über ihre Kommentare nachzudenken und sie in Zukunft vielleicht zu unterlassen. Bei sexualisierten Kommentaren, etwa über ein Outfit, sollte man klarstellen, dass es nicht das Recht der anderen Person ist, darüber zu urteilen. In bestimmten Situationen, wie bei Kundenkontakten, dürfen Vorgesetzte oder Ausbilder zwar anmerken, wenn die Kleidung nicht angemessen ist. Ist die kommentierende Person jedoch nicht zuständig oder der Kommentar sexualisiert, sollte man laut Neuenfeld deutlich machen, dass das unangebracht ist.
Hanisch empfiehlt zudem, die Situation umzudrehen und zu fragen, wie es wäre, wenn man dasselbe zu einer Person des anderen Geschlechts oder zu der kommentierenden Person selbst sagen würde. Wäre das auch in Ordnung oder eher unangebracht?
Gerade für Azubis ist die direkte Reaktion nicht leicht: „Das muss man sich auch erst mal trauen, weil ja schon ein anderes Machtverhältnis in der Ausbildung besteht“, so Neuenfeld. Zudem treten solche Kommentare oft wiederholt auf, weswegen es Hanisch zufolge umso wichtiger ist, sich an vertrauenswürdige Personen zu wenden, wenn man im Arbeitsalltag mit Sexismus und Vorurteilen konfrontiert wird.
An wen können sich Betroffene innerhalb und auBerhalb des Betriebs wenden?
Zunächst kann man sich laut Neuenfeld an die ausbildende Person, Kolleginnen und Kollegen oder andere Auszubildende wenden. Fühlt man sich dabei jedoch unwohl oder sind diese Personen Teil des Problems, gibt es weitere Anlaufstellen. Wenn es im Betrieb eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gibt, ist sie laut Hanisch ein guter Anlaufpunkt für Unterstützung. Gleiches gilt für Betriebsräte oder Gleichstellungsbeauftragte.
Wenn man sich lieber außerhalb des Betriebs Hilfe suchen möchte, bieten Gewerkschaften Unterstützung und Beratung an. Manchmal hilft es auch allein schon, mit Personen aus dem Bekanntenkreis zu reden: „Wichtig ist einfach, dass man über Probleme spricht und sich an jemanden wendet, der einen ernst nimmt“, so Hanisch.
Wann ist ein Wechsel des Ausbildungsbetriebs angebracht?
Mitunter sind nicht nur einzelne Kommentare oder Personen das Problem, sondern der ganze Betrieb leidet unter sexistischen Dynamiken. Wenn dort keine Lösung gefunden werden kann, kann ein Ausbildungsplatzwechsel eine Option sein. Er sollte laut Neuenfeld aber die letzte Wahl sein, da er mit hohem Aufwand verbunden ist. Elena Hartmann, dpa
Werkzeuge und Co. sind kostenlos
Ob Werkzeugkasten, Arbeitskleidung oder Laptop: Wer zahlt, was der Auszubildende zur Arbeit benötigt?
Die Ausbildung beginnt und eigentlich scheint alles bereit für einen erfolgreichen Start. Doch oft muss noch einiges besorgt werden – von der passenden Sicherheitskleidung bis hin zu Werkzeugen. Das kann schnell teuer werden. Müssen Auszubildende das selbst bezahlen?
Nein, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Der jeweilige Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, die Ausbildungsmittel bereitzustellen. Das ist im Berufsbildungsgesetz (Paragraf 14) festgelegt.
Demnach bekommen Azubis „die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge, Werkstoffe und Fachliteratur“ vom Ausbilder kostenlos zur Verfügung gestellt, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen erforderlich sind. Je nach Ausbildung kann das also auch ein Laptop sein oder eine Friseurschere.
Kleidung und Bücher
Doch was gilt eigentlich für Kleidung und Schulbücher? Wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg mitteilt, fällt auch Arbeitskleidung unter diese Regelung, sofern die Berufsgenossenschaft eine bestimmte Sicherheitskleidung vorschreibt. Die Ausgaben für gewöhnliche Arbeits- und Berufsbekleidung müssten hingegen in der Regel vom Auszubildenden getragen werden, falls der Arbeitgeber die Kosten nicht freiwillig übernimmt.
Bei Schulbüchern und Lernmitteln für die Berufsschule ist der Betrieb nicht verantwortlich. Entweder die Berufsschule stellt Bücher und Co. – oder Auszubildende müssen sie bezahlen. Denn Schulbücher zählen nicht als Fachliteratur für die betriebliche Ausbildung, die wiederum vom Gesetz her der Betrieb bezahlen muss.
Nathalie Oberthür ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). dpa/tmn