Vor gut fünf Jahren hieß es an der Kasse des Supermarkt-Discounters in der Esslinger Straße: „Bar oder mit Karte?“. Dann ist der Laden umgezogen, ein paar Meter weiter, auf die andere Straßenseite. Das Gebäude, Baujahr 2002, stand vier Jahre leer, bis es der Ingenieurdienstleister Sascha Mohr entdeckt und gekauft hat - um zu sparen. Denn ein vergleichbarer Neubau hätte vermutlich 7,1 Millionen Euro gekostet. Mohr hat für den alten Laden plus umfangreichen und umweltverträglichen Umbau rund 5,6 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Er hat noch eine Förderung von 800.000 Euro bekommen, letztlich also „nur“ 4,8 Millionen Euro gezahlt und so satte 2,3 Millionen Euro gespart.

Der ehemalige Lebensmittelmarkt wurde in ein Bürogebäude mit hellen Räumen, reichlich Platz und energiesparender Haustechnik umgebaut - gut für die Umwelt und gut für den Geldbeutel.
Mohr betreibt in Göppingen das Büro Mohr Solutions Ingenieure GmbH. Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen sowie Gebäudeautomation. Planen und umsetzen ist das Kerngeschäft des Unternehmens. Die Geschäfte laufen gut und der alte Standort im Göppinger Westen wird zu klein. Im Gewerbegebiet Stauferpark hat Mohr schon ein Grundstück für einen Büroneubau gekauft, dann stolpert er über den leerstehenden Supermarkt in der Esslinger Straße, ganz im Osten der Stadt. Auch wegen der hohen Neubaupreise findet er das schon bestehende Objekt interessant. „Das wäre doch eine Möglichkeit“, hat Mohr damals gedacht.„Was für eine verrückte Idee“, hat sein Architekt gesagt und trotzdem geplant, bis er das Ganze gar nicht mehr so verrückt fand. Mohr hat den Laden 2023 gekauft, der Umbau in ein modernes, umwelt- und klimafreundliches Bürohaus hat rund ein Jahr gedauert, seit Oktober 2024 arbeiten Mohr und seine 45 Mitarbeiter jetzt dort, wo früher die Einkaufswagen zwischen Gemüseregal und Tiefkühlschrank zur Kasse rollten.
1.700 Quadratmeter Fläche hat das von Star-Wars-Fan Mohr „Base One“ genannte Gebäude jetzt, Mohr hat noch sein Chefbüro, einen Technikraum und eine Sanitäreinheit angebaut. Im ehemals vorderen Teil des Ladens, dort wo die Kassen standen, sind jetzt mehrere Büros. In der Mitte gibt es einen sehr großen Raum mit langen Tischen und einer Küche für Mitarbeiter und Besucher. Platz ist hier nicht das Problem, der alte Laden ist mindestens 24 Meter breit, „ohne Stützen und deshalb extrem variabel zu gestalten“, sagt Mohr, der demnächst einen kleinen, abgeteilten Teil vermieten will. Weiter hinten im Gebäude gibt es ein Großraumbüro und das angebaute Chefbüro, in dem riesige Star-Wars-Raumschiffe aus Lego im Regal stehen.


Mohr bricht gern zu neuen Ufern auf und mag es dabei auch schön kalt. Auf einem Foto hinter seinem Schreibtisch trotzt ein Moschusochse im Schnee Wind und Wetter. Mohr ist im Winter regelmäßig im norwegischen Dovrefjell-Nationalpark unterwegs - als Führer und als Fotograf, da kann es auch mal minus 30 Grad kalt werden. Frieren müssen die Mitarbeiter wegen ihres kälteresistenten Chefs aber nicht: Unter der Decke hängen überall Heizkörper, die die weitläufigen Räume per Strahlungswärme auf Temperatur bringen. „Mit einer Vorlauftemperatur von gut 30 Grad bekommen wir alles schön warm“, sagt Mohr, der seine „Base One“ per Wärmepumpe heizt. Bis minus sieben Grad funktioniere das. „Vergisst jemand seinen Pullover, müsste zugeheitzt werden, also praktisch nie“, sagt Mohr.
Tatsächlich sind die Räume an einem kühlen Januartag „koselig“ norwegisch für gemütlich - warm, die Jacke ist schnell aus, der Pulli hochgekrempelt, trotz frostiger Motive mit Moschusochse im Schnee und Gletschereis auf den anderen Fotos des begeisterten Nordland-Fahrers Mohr. Zu warm ist es im hohen Norden selten, in Göppingen schon. Wenn die Sonne im Hochsommer auf das mit Photovoltaikmodulen zugepflasterte Dach des alten Supermarktes knallt, gibt es neben reichlich Strom mitunter auch etwas viel Hitze. Die von Mohr mitkonstruierte Klimaanlage kühlt mit Wasser und ohne Chemiekühlmittel. Dazu wird in der Lüftungsanlage Wasser fein zerstäubt - „So bekommen wir die Temperatur in den Büros um zehn Grad gegenüber der Außentemperatur runter“, sagt Mohr.

Mit ein paar Litern Wasser pro Tag und viel weniger Energieaufwand als mit einer herkömmlichen Klimaanlage. „Adiabatische Kühlung“ oder Verdunstungskühlung heißt die Technik, mit der auch das mächtig Wärme erzeugende Rechenzentrum gekühlt wird. Unterstützt wird die innovative Klimatechnik durch konventionelle Dämmung, die Fassade des alten Ladens hat Mohr mit einer 13 Zentimeter dicken Zellulose-Jute-Dämmung eingepackt und außen mit grau gestrichenen Lärchenlatten verkleidet, die weiß verputzten Anbauten mit Steinwolle gedämmt. In den früher tristen Außenwänden sorgen großflächige dreifachverglaste Fenster für den Blick nach draußen und für Licht nach innen.
Und der Strom vom Dach? Der wird in den Büros direkt verbraucht. Der Rest, ungefähr die Hälfte des insgesamt produzierten Stroms, wird ins Netz eingespeist. Das soll demnächst weniger werden, denn Mohr denkt über einen Stromspeicher nach. Und dann das Licht: Innerhalb des Gebäudes gibt es zwei Lichthöfe, einer zwölf, der andere 18 Meter lang, beide sechs Meter breit. An allen vier Seiten von Fenstern umrandet kommt so Tageslicht in die innenliegenden Räume. Mohr hat auch hier auf dem Dach über den Lichthöfen selbst Hand angelegt. „Die Handwerker wollten wegen der Spannung nicht mit der Kettensäge arbeiten.“
Ingenieur
Graue Energie also die, die für den Bau eines Gebäudes gebraucht wird - hat Mohr auch gespart, reichlich. 450 Kubikmeter Beton mussten die Betonbauer nicht anrühren, die waren schon im alten Laden verbaut - allein 350 davon in der Bodenplatte. Mohr hat sie komplett übernommen. Vor allem der im Beton enthaltene Zement ist ein „Umweltsünder“, bei dessen energieintensiver Herstellung reichlich Kohlendioxid entsteht.
Unternehmer
Für neuen Beton wären rund 144 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt worden. Alten Beton zu übernehmen und zu erhalten macht also viel Sinn. Der Umbau hat sich nicht nur für Umwelt und Klima gelohnt. Der alte Laden hat jetzt KfW-Standard 55, das ist schon was und das ist auch Voraussetzung für eine Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).


Der Umbau hat rund 3,2 Millionen Euro gekostet, die KfW hat das Projekt mit einem Tilgungszuschuss von immerhin 800.000 Euro gefördert. „Ohne die nicht so gut gedämmte Betonplatte hätten wir sogar KfW-Standard 40 und damit den besonders niedrigen Energieverbrauch erreicht“, sagt Mohr und hofft, weitere Bauherren zu inspirieren: Der Laden-Umbau in Göppingen müsse ja kein Einzelfall bleiben, vielleicht finden sich noch wagemutige Unternehmer oder eine Kommune, die mehr Platz braucht und ein paar Millionen Euro sparen möchte: „Derzeit gibt es in Deutschland etwa ein Dutzend ähnliche Läden zu kaufen“, sagt Mohr und ergänzt: „Büros, Schule oder Kindergarten, alles ist vorstellbar. Und vor allem machbar. Wenn man nur will.“
Peter Buyer

Sascha Mohr ist gelernter Heizungs- und Lüftungsbauer und hat schon mit 18 Jahren Nahwärmenetze gebaut. Später verkauft er einige seiner Patente und investiert in Göppingen: 2018 übernimmt er das Büro Herp-Ingenieure, das seit 2019 Mohr Solutions Ingenieure heißt.
Förderung und Beratung

Umweltverträglich umbauen und sanieren ist für Unternehmen mit oft schon älterem Gebäudebestand ein Riesenthema. Programme, Förderungen und Beratungsstellen sind vielfältig. Hilfe gibt es vor Ort von den Energieagenturen, die, wie in Göppingen und Ulm, meist bei den Landund Stadtkreisen angesiedelt sind. Förderungen und Zuschüsse gibt es oft auch, je nach Vorhaben.
Groß im Fördergeschäft bei Sanierungen ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Hilfe und Beratung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes gibt es auch bei den regionalen Kompetenzstellen für Ressourceneffizienz (KEFF+) vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft.
Finanzielle Hilfen für die Energiewende
Unterstützung Höhere Preise und Umweltauflagen lassen Baukosten explodieren. Der Energieberater kennt sich aus im Dschungel der Fördermöglichkeiten und Kredite.

Bau- und Gebäudesektor sind zusammen für fast 40 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Für die Energiewende ist es also bedeutend, Firmengebäude mit erneuerbaren Energien zu versorgen und sie nach neuesten Effizienzstandards umweltfreundlich zu errichten oder zu sanieren. Zudem rechnet die Mehrheit der produzierenden Unternehmen in Deutschland nach eigenen Angaben mit kontinuierlich steigenden Energiepreisen.
Kostenlose Beratung über Förderprogramme
Doch das muss für Unternehmen nicht zu einer Erhöhung der Energiekosten führen. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Unternehmen ihren Energieverbrauch durch die Steigerung der Energieeffizienz erheblich senken können. Regionale Energieberater arbeiten gemeinsam mit Städten, Landkreisen und Kreishandwerkerschaften zusammen und sind unabhängige und neutrale Berater, wenn es um energieeffiziente Gebäudesanierungen geht. Energieberater beraten kostenfrei vor Ort und zeigen die Möglichkeiten auf, wie Energie effizienter und sparsamer genutzt werden kann, kennen Förderprogramme und Gesetze oder stellen Kontakte zu weiterführenden Dienstleistungen her.
EU-Klimaziel wurde nicht erreicht
59 Prozent betrug der Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromgesamtproduktion im vergangenen Jahr. Erneuerbare Energien stellen damit die wichtigste Energiequelle für die Stromversorgung in Deutschland dar, wie die Bundesnetzagentur erklärt.
Drei Prozent weniger Kohlenstoffdioxid-Äquivalent wurde 2024 gegenüber dem Vorjahr in Deutschland ausgestoßen. Mit 656 Tonnen CO₂-Ausstoß hat Deutschland das EU-Klimaziel jedoch noch immer um 12 Mio. Tonnen CO, verfehlt.
Die Staatsbank Baden-Württemberg stellt Finanzierungskredite für die Modernisierung oder Neuinvestitionen des Maschinenparks, eine effiziente Energieerzeugung, Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, Prozesswärme oder -kälte und Abwärmenutzung zur Verfügung. Auch für Investitionen zur Steigerung der Ressourceneffizienz und Materialeinsparung, zum allgemeinen Umweltschutz oder zur Elektromobilität und dessen Ladeinfrastruktur gibt es Förderkredite.
Fördergelder und Kredite vom Staat
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fördert Heizungsoptimierungen, Heizungen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden oder bestimmte Wärme- beziehungsweise Kälteanlagen oder Energieaudits im Sinne der EU-Energieeffizienzrichtlinie. In der Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft finden sich ebenfalls zahlreiche Maẞnahmen, die umweltentlastende Betriebsanlagen betreffen. Zuschüsse gibt es auch für Batterie-, Brennstoff- oder Hybridfahrzeuge.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt Zuschüsse für stationäre Brennstoffzellen. Kredite werden von der KfW für investive Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz durch Solarkollektoranlagen, Wärmepumpen oder Biomasse-Anlagen gewährt. Über das Programm für erneuerbare Energien wie Sonnenkollektoren, Biomasseanlagen oder Tiefengeothermievorhaben sowie Wärmedämmungen und Beleuchtungsoptimierungen können Kredite abgerufen werden.
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