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Massimo Forgione im Interview: “Wir haben Freude an Qualität und Neuem“

Dolce GmbH in Ulm: Vom kleinen Familienbetrieb zu erfolgreichem Anbieter von hochwertigen Desserts - Qualität, Innovation und die Werte der Familie Forgione prägen die Erfolgsgeschichte

Dolce GmbH Massimo Forgione ist Konditoren-Sohn. Den kleinen, elterlichen Betrieb wollte er nicht übernehmen, weil er als Kind gesehen hatte, wie viel seine Eltern arbeiten mussten. Er hat es doch getan und eine Manufaktur aufgebaut, in der 100 Beschäftigte feine Desserts und italienische Törtchen herstellen - für Handel, Gastro und Lufthansa-Kunden.

Wieviel Alba und Gianni stecken in der Dolce GmbH und deren Produkte?

Da steckt noch sehr viel Liebe und Seele meiner Eltern drin, die gleichen Grundsätze und auch viele Rezepte meines Vaters.

Sie beschäftigen heute rund 100 Menschen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Rückblick?

Das ist eine unglaubliche Geschichte. Als ich das Unternehmen 2009 übernommen habe, hatten wir vier Mitarbeiter. Heute beliefern wir mit unseren Desserts, Pasticcini und Obsttartelettes, die allesamt mit natürlichen Zutaten, ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe gefertigt werden, unter anderem die Lufthansa, Metro und Transgourmet. Unser Tiramisu gibt es in den Kühltheken von rund 1.500 Supermärkten. Solch eine tolle Entwicklung hat in den schwierigen A-fängen des Unternehmens in den 1990er-Jahren niemand auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen.

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Was war so schwierig?

„Man muss nur den Kunden zuhören. Wenn man deren Vorstellungen umsetzen kann, hat man riesige Vorteile“, sagt Firmenchef Forgione.
„Man muss nur den Kunden zuhören. Wenn man deren Vorstellungen umsetzen kann, hat man riesige Vorteile“, sagt Firmenchef Forgione.

Ich bin als 12-Jähriger mit meinem Vater Anfang 1996 nach Ulm gekommen. Ich konnte kein Wort Deutsch. Die wirtschaftliche Lage in Italien war damals schwierig. Das haben auch meine Eltern mit ihrer kleinen Konditorei in Como zu spüren bekommen. Wenige Monate später kam meine Mutter mit meinem kleinen Bruder nach. Ende der 1990er gründeten sie am Eselsberg in Ulm eine kleine Konditorei. Das war nicht einfach. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland war damals zwar besser als in Italien, aber nicht wirklich gut. Auch die Bereitschaft der Menschen, für eine sehr gute Qualität mehr Geld auszugeben, war nicht ausgeprägt.

Wie ging es weiter?

Meine Eltern haben dann 2004 eine Konditorei am Ulmer Karlsplatz eröffnet. Diese haben sie, im Gegensatz zu der ersten, dann alleine betrieben. Mein Vater Gianni hat die Konditorei nach seiner Ehefrau und meiner Mama benannt. Darum heiẞt auch das 2009 eröffnete Café in der Ulmer Innenstadt Café Alba.

Für Sie muss das ein großer Schritt gewesen sein, im Alter von zwölf den Vater in ein fremdes Land zu begleiten.

Das war es. Aber ich war schon immer Konditor-Sohn.

Mein Grundsatz lautet: Qualität setzt sich durch. Aber man braucht Ausdauer.

Was heißt das?

Meine Eltern waren immer selbstständig gewesen. Ich bin in der Konditorei aufgewachsen. Als ich aus dem Krankenhaus kam stand ich im Baby-Safe auf dem Tisch, auf dem der Teig ausgerollt wurde. In den Schulferien freute ich mich morgens aufzustehen um in der Konditorei mitzuwirken, erledigte kleine einfache Aufgaben, die man als Kind halt so machen konnte. Das hat mir viel Spaß gemacht. Mein großer Wunsch war es, Konditor zu werden. Das hat auf Umwegen auch geklappt.

Dazu kommen wir später noch. Was sind die Grundsätze Ihres Betriebs?

Meine Eltern und ich waren und sind überzeugt. Qualität setzt sich durch, aber man benötigt Ausdauer. Und es geht auch nicht nur um die Produkte, sondern auch darum, wie man arbeitet.

Wie meinen Sie das?

Wir sehen uns als Hersteller und als Dienstleister. Unternehmen, die auf uns zukommen, haben in aller Regel bereits von anderen mitbekommen, dass bei uns die Parameter Zuverlässigkeit, gleichbleibende Qualität und die Freude an Innovation stimmen - und wir als Dolce-Team auch Lust haben, etwas zu bewegen. Das alles sind Grundsätze, die mir mein Vater vorgelebt und mitgegeben hat.

Und mit denen Sie sehr erfolgreich sind.

Seit dem Jahr 2017 wachsen wir im Schnitt zwischen 20 bis 30 Prozent jährlich. Das tun wir organisch und wir sind nur zu einem minimalen Teil fremdfinanziert. Wir sind zudem ein Nischenproduzent und können uns daher manche Dinge rausnehmen, weil die Kunden einfach unsere Produkte wollen. In Europa gibt es vielleicht eine Hand voll Betriebe, die ähnlich agieren wie wir.

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Was nehmen Sie sich heraus?

Bei uns gibt es zum Beispiel keine Zahlungsziele von 90 Tagen. Unser Standard-Zahlungsziel beträgt zehn Tage. Bei Großkunden wie der Gategroup/Lufthansa sind es vielleicht bis zu 30 Tage. Liquidität ist bei unserer Art zu arbeiten wichtig, um das Wachstum vorantreiben zu können. Als kleiner Betrieb kann man große Liefer-Volumina nicht dauerhaft vorfinanzieren. Wir arbeiten vorausschauend, achten darauf, welche Kunden zu uns passen und wen wir wie ansprechen können.

Massimo Forgione (ledig, zwei Kinder) ist. im italienischen Como 1984 geboren. Er kam im Alter von zwölf Jahren ohne Deutschkenntnisse mit seinem Vater nach Deutschland. Auf die Vorbereitungsklasse folgten Haupt- und Realschule, dann eine Lehre zum Kaufmann für IT-Systemmanagement und der Einstieg in den Beruf in dem mittelständischen Betrieb, in dem er gelernt hatte. Berufsbegleitend legte Forgione, der sich als Italo-Schwabe bezeichnet, das Abitur am Abendgymnasium ab. Er begann zu studieren und half gleichzeitig im Betrieb des Vaters aus.

2009 eröffnete er das Café Alba in Ulm. Studium (Wirtschaftsphysik an der Uni Ulm) und Familienunternehmen ließen sich nicht mehr unter einen Hut bringen. 2012 entschied er sich für den Einstieg und Übernahme des väterlichen Betriebs. Er führt ihn seit 2013 und ist per Ausnahmegenehmigung in die Handwerksrolle eingetragen.

Welche Kunden passen zu Ihnen?

Grundsätzlich jeder, der mehr Wert auf Qualität legt. Wir sind auch im Lebensmitteleinzelhandel vertreten, produzieren aber nicht für Discounter. Denn wir sind keine Preisproduzenten und machen keine Kompromisse bei unserer Qualität.

Machen Sie keine Ausnahmen?

Wir haben Kunden, die sagen: Ich möchte ein gutes Dessert, das aber nicht so viel kosten soll. Dann gehen wir gemeinsam mit den Kunden in die Produktentwicklung. An deren Ende steht ein einfacheres Produkt, das dennoch qualitativ hochwertig ist. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist aber, dass wir einen ehrlichen Preis hinbekommen.

Wie sehr gehört die Ausrichtung als Dienstleister zu Ihrem Selbstverständis? 

Das ist einer der wesentlichen Punkte, der uns auszeichnet. Ich verstehe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Familie und versuche sie stets zu sensibilisieren, dass wir die Kunden mit ihren Bedürfnissen abholen. Das ist eigentlich einfach: Man muss nur den Kunden zuhören. Wenn man deren Vorstellungen umsetzen kann, hat man riesige Vorteile. Diese Kundenorientierung, gepaart mit guten Produkten, hilft uns, stetig besser zu werden.

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Welche Rezepte sind noch von Ihren Eltern?

Unser Verkaufsschlager im Groß- wie im Einzelhandel ist Tiramisu. Das ist immer noch die Rezeptur meines Vaters. Gemessen an unserem Umsatz gehen 40 bis 50 Prozent auf die Rezepte meines Vaters zurück.

Und im Café Alba in Ulm?

Das sind es nahezu 100 Prozent. Mit Ausnahme der ein oder anderen Torte, die unser Produktionsleiter Heinzi, unsere Produktentwicklerin Verena oder gar ich selbst konzipiert haben.

Viele warnten mich vor diesem Schritt und meinten, ich sei verrückt.

Wie hoch ist der Umsatzanteil von Tiramisu?

Das sind 20 bis 30 Prozent. Wir selbst haben 140 Produkte. Nimmt man die Fertigung für Dritte hinzu, sind es rund 1.000 Rezepte. Das Tiramisu von meinem Vater gibt es in verschiedenen Variationen, als Riegel, im Glas, im Becher oder mit Pistaziencreme. Insgesamt sind das rund 20 Produkte.

Was macht Ihr Betrieb anders als andere?

Wir machen Handwerk, haben unsere Produktion aber so organisiert, dass wir große Stückzahlen herstellen und damit auch große Kunden bedienen können. Damit können wir aktuell täglich 70.000 Desserts herstellen. Gleichzeitig haben wir Industriestandards aufs Handwerk angepasst. Entsprechende Zertifizierungen verlangen auch unsere große Kunden. Wir erfüllen bei vielen Themen die Anforderungen, die an die Industrie gestellt werden, seien es technische Abläufe, Reinigungen oder mikrobiologische Untersuchungen.

Bei welchen Punkten ist die Industrie kein Vorbild?

Wir arbeiten anders. Die Industrie passt Rezepturen für die Verarbeitung mit Maschinen an. Das tun wir bei Dolce nicht. Wir verwenden nur natürliche Zutaten, keine Konservierungsstoffe und kaufen nur Maschinen, mit denen sich unsere Rezepte herstellen lassen.

Sie sind auch in der Gastronomie vertreten?

Wir verstehen uns als Unterstützer der Gastronomie. Dessert und Kaffee bestimmen den letzten Eindruck eines Abends im Restaurant. Es gibt aber immer weniger Konditoren und Patissiers. Da stellt sich den Gastronomen die Frage: Was biete ich meinen Gästen als Nachtisch an: Industrielle Produkte? Wohl kaum. Mit unserer Marke Gastro Alba kreieren wir handwerklich gut gemachte Desserts, hinter denen Restaurants, Lokale und auch Caterer stehen können. Wir haben zwar einen Katalog, aus dem sich Restaurants Produkte heraussuchen können, aber 60 Prozent unseres Umsatzes mit Gastronomie und Hotellerie erwirtschaften wir mit individuellen Fertigungen für Kunden. Wir machen auch hier sehr viel White-Label-Produkte oder Dessert-Konzepte für Hotels und Gastronomie.

Wir fertigen für unsere Gastro-Kunden sehr viel individuell.

Wie kam es dazu, dass Sie den Lebensmitteleinzelhandel als Vertriebsweg entdeckt haben?

Wir sind zum Jahresende 2019 von einem großen Kunden, für den wir produzieren, gewarnt worden, dass die Corona-Pandemie aus China auch Deutschland treffen wird. Mir war klar, dass wir große Probleme bekommen, wenn das der Fall sein wird.

Wie haben Sie reagiert?

Mit Blick auf den drohenden Shutdown unseres Cafés habe ich mich an die Pläne für unsere Marke Della Mamma erinnert, die in meiner Schublade lagen. Gleichzeitig kam ein Bekannter auf mich zu, der einen Lebensmittelhandel leitet. Der fragte mich, woher bekomme ich eure Ware, wenn das Café schließen muss. Ich habe halb im Spaß gesagt, dass ich eine Marke habe, mit der ich ihn beliefern kann. So fing das an. Wir haben die Ware anfangs selbst ausgeliefert. In der ersten Woche waren es fünf Märkte, nach ein paar Wochen 20. Die Nachfrage ging steil nach oben, immer mehr Rewe- und Edeka-Kaufleute interessierten sich, auch weil die Marge auf unsere Produkte für sie attraktiv war. Heute sind wir mit unserer Marke Della Mamma in mehr als 1.500 Supermärkten vertreten. Wir haben allein in Deutschland mehr als 30 Prozent Wachstum jährlich.

Es ist doch aber unendlich schwer, in die Kühltheken des Einzelhandels zu kommen?

Das stimmt. Aber unser Gesamtpaket hat gestimmt und die Händler überzeugt. Wir haben den kompletten Service übernommen, von der Bestellung, der Belieferung, über die Kontrolle der Ware im Kühlregal und bei Bedarf deren Austausch. Zudem haben wir das Risiko für nicht verkaufte Waren getragen und am Ende des Monats eine Rechnung gestellt. Wir haben dann Lösungen erarbeitet, wie wir den regionalen Vertrieb ausweiten können, waren zu zweit wöchentlich einmal in Stuttgart und München, um neue Handelskunden zu gewinnen. Dann kam mit Edeka Südwest die erste Zentrale, die Della Mamma listen wollte.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Wenn sich eine Zentrale zu diesem Schritt entschließt, müssen sie 300 Märkte in einem großen Gebiet beliefern können. Wir haben den Vertrieb erneut umgestellt, in dem wir uns den Kochbox-Versender Hello Fresh zum Vorbild genommen haben. Viele haben mich vor diesem Schritt gewarnt. Sie meinten, ich sei verrückt.

Was haben Sie entgegnet?

Ich war davon überzeugt, dass das funktioniert, weil die Menschen schon in den anderen Märkten Della-Mamma-Produkte gekauft haben. Wir haben Mindest-Bestellmengen festgelegt. In der Spitze haben wir pro Woche 2.500 Pakete verschickt. Teilweise arbeiten wir heute immer noch so, beliefern aber eine handvoll Regionen über deren Zentralllager.

Haben Sie kein Problem mit der Haltbarkeit?

Unsere Produkte werden direkt nach der Herstellung schockgefrostet. Sie sind im gefrorenen Zustand ein Jahr haltbar, nach dem Auftauen haben wir uns auf sieben Tage Haltbarkeit hochgearbeitet. Durch die Investition in sechsstelliger Höhe in eine spezielle Verpackungsmaschine im Jahr 2023 haben wir drei weitere Tage Haltbarkeit gewonnen. Die Maschine tauscht die Luft durch ein Gasgemisch aus Argon und CO₂ aus und versiegelt die Verpackung.

Wir fertigen für unsere Gastro-Kunden sehr viel individuell.

Warum ist dieses Vorgehen so wichtig?

Schockgefrieren ist die einzige Möglichkeit die sicherstellt, dass wir keine Konservierungsstoffe oder andere Zutaten benötigen, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Wir verwenden ausschließlich natürliche Rohstoffe für unsere Produkte. Wegen dieser zusätzlichen drei Tage können wir nun bei der Belieferung unserer Kunden über ein Lager gehen. Das wäre früher nicht möglich gewesen.

Wie geht es in diesem Jahr weiter?

Wir werden nach Österreich und die Niederlande expandieren, weil wir von dort angefragt worden sind. Im Fall von Österreich haben wir uns die Finger Wund geschrieben mit Mails und sind abgeblitzt, weil es keine Erfahrung mit unserem Logistikkonzept und auch Vorbehalte gab. Wir waren dann auf einer Messe. Der Verantwortliche einer Handelskette war von unseren Produkten begeistert und fragte: Warum haben wir ihre Produkte noch nicht? Dieses Treffen war ein Türöffner. Wenn wir einmal in einem Markt vertreten sind, erhalten wir rasch weitere Anfragen.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie genügend Rohstoffe für ihre höhere Produktion bekommen?

Wir haben sehr gute Partner und sind selbst ein sehr verlässlicher Abnehmer. Wir haben einen regionalen Sahne-Lieferanten, mit dem wir alles machen. Wenn es zu Engpässen kommt, gehören wir zu denen, die trotzdem Ware bekommen. Das Gleiche gilt für Mascarpone, die wir aus Südtirol beziehen.

Gibt es zurzeit Engpässe bei Rohstoffen?

Butter und Rahm sind immer noch teuer und auch knapp. Da stellen manche Molkereien lieber Butter als Mascarpone her. Zudem nimmt die Kosmetikindustrie große Mengen ab. Weil Kakaobutter sehr teuer geworden ist, ersetzen die Unternehmen das durch Reinfett. In der Folge verkaufen die Molkereien dieses Reinfett an die Industrie. Diese Mengen fehlen für die Butterherstellung.

Butter ist knapp, da Kosmetikfirmen mehr Reinfett nachfragen.

Ist es schwer, höhere Kosten an den Einzelhandel weiterzugeben? Der hat doch harte Preisgrenzen.

Nein, hat er nicht. Wir haben verschiedene Vorteile. Wir sind Nischenanbieter und haben aufgrund unserer kleinen Größe eine Art Welpenschutz. Die Händler wissen zudem, dass unsere Produkte gut sind und schmecken. Deshalb werden sie von den Kunden gekauft. Zudem haben die Händler eine sehr gute Marge auf unsere Produkte, die deutlich über Joghurt & Co. liegt. Und dann sind unsere Produkte aus Sicht der Händler in deren Sortiment ein bisschen wie die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Wieviel müssen Sie für die Expansion investieren?

Wir werden dieses Jahr in siebenstelliger Höhe in eine Kühlzelle investieren und damit unsere Tiefkühl-Palettenplätze auf 280 verdoppeln. Das Schöne dabei ist, dass wir eine tolle Vermieterin haben, die uns die Expansion an unserem Firmensitz ermöglicht.

Woher bekommen Sie genügend Fach- und Arbeitskräfte?

Bei uns arbeiten Meister, Konditoren, aber auch angelernte Kräfte. Wir haben die Produktion so strukturiert und standardisiert, dass unsere Meister und Konditoren jeweils ein Team schulen und führen. Wir haben nur eine kleine Personal-Abteilung. Wenn wir Personen suchen, machen wir das sehr selektiv. Beispielsweise haben wir seit Juli 2023 eine Produktentwicklerin. Sie ist Konditorin, gleichzeitig Lebensmitteltechnikerin. Das war nicht einfach jemand zu finden, der die Fähigkeiten für die Stelle mitbringt. Daher haben wir uns umgehorcht, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, ob Sie jemanden Geeignetes kennen. Das machen wir bei vielen Positionen.

Unsere geringe Fluktuation ist ein wichtiger Faktor für Qualität und Effizienz.

Welche Rolle spielt die eigene Ausbildung?

Eine sehr große, wir haben zwölf Auszubildende in drei Lehrjahren. Laut Handwerkskammer sind wir der größte Ausbildungsbetrieb zwischen Reutlingen, Crailsheim, Memmingen und Augsburg. Wir stellen in der Berufsschule meistens 25 Prozent der Klassen. Pro Jahr bekommen wir auf unsere Ausschreibung zwischen 20 und 50 Bewerbungen.

Wie erklären sie sich das große Interesse?

Das hat mehrere Gründe. Wir arbeiten von montags bis freitags. Die jungen Leute lernen bei uns Konditorei von der Pike. Sie gehen anderthalb Tage in die Berufsschule. Bei uns bekommen sie einen Tag in der Woche und auch den Freiraum, um das das in der Schule Erlernte umzusetzen. Wir wollen unsere Auszubildenden übernehmen, entwickeln sie auch danach weiter und ermutigen sie, sich selbst weiter zu entwickeln - egal, ob sie bei uns bleiben oder nicht. Diese Bedingungen sprechen sich herum.

Haben Sie Beispiele für interne Karrieren?

Wir haben mittlerweile zwei Meister, die bei uns als Azubi begonnen haben. Dazu gehört auch die Leiterin unseres Qualitätsmanagements. Ich verstehe unsere Mitarbeiterinnen und unser Mitarbeiter als unser Kapital. Wir profitieren sehr von der geringen Fluktuation. Das ist ein wichtiger Faktor, damit wir effizient und qualitativ arbeiten können.

Sie selbst sind trotz des väterlichen Betriebs nur über Umwege Konditor und Firmenchef geworden. Was ist da passiert?

Ich habe gesehen, wieviel meine Eltern arbeiten, von morgens bis abends. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich die Schule für mich entdeckt. Ich habe mir damals gedacht, vielleicht geht es auch anders als sieben Tage die Woche zu arbeiten und wenig Urlaub zu haben. Dann habe ich zwar noch ausgeholfen, bin aber auf Distanz zur Konditorei geblieben.

Wie lief Ihre Schulkarriere?

Ich habe nach der Vorbereitungsklasse, Haupt- und Realschule, danach eine Ausbildung zum Kaufmann für IT-System-Management in einem großen Handwerksbetrieb absolviert. Dort habe ich anfangs als Produktmanager, dann als Produktleiter und später im Vertrieb gearbeitet. Nebenher habe ich auf dem Abendgymnasium das Abitur nachgeholt. Denn ich wollte studieren,. Gleichzeitig half ich meinen Eltern im Betrieb und habe das Café Alba eröffnet. Das war 2009.

Das hört sich anstrengend an.

Das war es. Der Start ins Studium Internationaler Vertrieb in Aalen fiel in eine Zeit, als das Geschäft meines Vaters anzog. Ich bin jeden Tag gependelt, habe im Laden mitgearbeitet und in der Produktion ausgeholfen. Ich bin dann an die Uni Ulm gewechselt und habe mich für Wirtschaftsphysik eingeschrieben, weil ich einen Hang zu Naturwissenschaften habe. Das ging einige Jahre gut.

Und dann?

2012 habe ich begonnen, Prüfungen zu schieben. Ich habe gemerkt, dass ich weder dem Studium gerecht wurde noch dem Betrieb, der immer mehr Anfragen erhielt. Beides nur halb zu machen, war keine Option. Ich musste mich entscheiden, weil ich gesehen habe, dass man aus dem damaligen Vier-Mann-Betrieb mehr machen kann. 2013 habe ich den in Schieflage geratenen Betrieb dann von meinen Eltern übernommen und die Dolce GmbH gegründet.

Was hat Sie damals noch zum Einstieg motiviert und treibt Sie vielleicht heute noch an?

In der Firma, in der ich gearbeitet hatte, gab es etliche Menschen, die ungern zur Arbeit gekommen sind. Für mich war damals klar: Wenn ich einmal selbständig sein werde, will ich das nicht haben. Ich will, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen. Handwerk lebt von den Menschen. Da gehört es dazu, Freude und Spaß zu haben.

Dieses Interview wurde geführt von Julia Kling und Alexander Bögelein, die dem Wirtschaftsressort der SÜDWEST PRESSE angehören.
Fotos: Marc Hörger


Einblicke in die Dolce-Geschichte: Zurück zu den Wurzeln

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Die Wurzeln der Dolce GmbH (Neu-Ulm) liegen im oberitalienischen Como. Dort lernte Giovanni (Gianni) Forgione, verstorbener Vater des heutigen Geschäftsführers, die Kunst des italienischen Konditorenhandwerks. Die ersten Jahre nach dem Umzug nach Deutschland (1996) sind schwierig. Von 2004 an wächst die Nachfrage und die Produktion für die Fremdgastronomie. 2009 eröffnet die Familie das Café Alba, das vom Magazin „Der Feinschmecker“ mehrfach als eines besten Cafés Deutschlands ausgezeichnet worden ist. 

Unter der Leitung von Massimo Forgione steigt der Betrieb von 2014 an in die White-Label-Fertigungen ein, unter anderem für den Pizzalieferdienst Domino's und Transgourmet. 2020 beginnt der Vertrieb über den Einzelhandel. 

2021 zieht die Dolce GmbH an ihren heutigen Standort in Neu-Ulm um, an dem 100 Beschäftigte arbeiten. Der Umsatz soll in diesem Jahr erstmals eine zweistellige Millionenhöhe erreichen. 

Aktuell beginnt die Belieferung einer italienischen Einzelhandelskette mit Tiramisu aus Deutschland fürs Kühlregal. „Das ist ein Ritterschlag für uns“, sagt Firmenchef Massimo Forgione.