E in kleines Dorf mit Molkerei, wo gibt es das schon noch? Hat doch Konzentrationsprozess längst die allermeisten dieser oft winzigen Betriebe aufgesogen. In Schießen, das zur 2800-Einwohner-Gemeinde Roggenburg (Landkreis Neu-Ulm) gehört, aber hat sich die Landkäserei Herzog erfolgreich gegen diesen Trend behauptet und in den 30 Jahren ihres Bestehens eine eigene Erfolgsgeschichte geschrieben - eine Geschichte, die ziemlich an die widerständigen Gallier erinnert, wie sie in den Asterix-Heften erzählt wird. Klein gegen Groß, wie lief das in diesem Fall? „Durch Innovation“, bringt es Maximilian Herzog (35) auf den Punkt, der zusammen mit seinem Bruder Armin (41) inzwischen de facto die Geschäfte führt, nachdem deren Eltern und Gründer Walter und Gerlinde Herzog sich zurückgenommen haben. Wagemut kam dazu, als ums Jahr 2000, wenige Jahre nach Start, ein kritischer Punkt erreicht war. In den bisherigen Räumlichkeiten ging es nicht weiter. Das Gründer-Ehepaar entschied sich für den Umzug an den Dorfrand- und den Bau eines nagelneuen Produktionsgebäudes. Aufhören wäre die Alternative gewesen. Das Lebenswerk wäre dann ein eher kleines geblieben. Oder umgerechnet in die bisher verarbeitete tägliche Milchmenge: 3000 Liter. Heute sind es Maximilian Herzog zufolge zwischen 30.000 und 40.000 Liter. Statt wie zu Beginn fünf stehen mittlerweile 70 Mitarbeitende auf den Lohnlisten, ein Teil davon in Teilzeit. Statt einer Handvoll seien jetzt 50 Sorten im Portfolio. Doch Wachstumstreiber sei vor allem die Frische-Sparte mit Frischkäse, Frischcremes- und Joghurtquark, die in vielerlei Geschmacksrichtungen hergestellt werden.
„Wir beobachten Markttrends sehr genau und schauen dann, was zu uns passt“, sagt der Junior-Chef. Mildere Geschmacksrichtungen seien besonders nachgefragt, er selbst schlägt einen Bogen zur „mediterranen Lebensart“, die sich darin widerspiegele. Ebenfalls gebe es Angebote nach den Prinzipien von „koscher“ und „halal“, aber keine veganen. „Light“ sei ebenso kein Thema, nicht mehr.
Bereits der Senior habe erkannt, dass die Zukunft des Betriebs nicht in den anfänglich produzierten und eher deftigen „Klassikern“ etwa aus dem Rotschimmel-Spektrum liege. „Unser Wachstum kommt in letzten Jahren nur durch Frische“, gibt Herzog einen Einblick. Mittlerweile stehe dieser Bereich für fast zwei Drittel des Umsatzes.
Der kurz nach der Jahrtausendwende bezogene Neubau blieb keine einmalige Investition.
„Wir investieren fortlaufend“, gibt Maximilian Herzog Einblick in die Firmenphilosophie. Er sieht einen engen Zusammenhang zwischen dem Ende vieler kleiner Molkereien und einem Investitionsstau, der potenzielle Nachfolger schlicht überfordert hat.
Längst hat die Landkäserei die Größe überschritten, welche den Einsatz von Automatisierungstechnik nahelegt. Zu den Riesen in der Branche bestehe aber weiterhin ein gehöriger Abstand. Unter den derzeit noch 90 Molkereien in Bayern sehen sich die Schießener in ihrer „Mittelstandsgröße“ jedoch inzwischen als Unikat:„Im Zuschnitt wie im Frischebereich sind wir einzigartig“, hebt der Molkereimeister hervor.
In Weißenhorn führt man noch ein kleines „Lädele“, wie Herzog selbst es nennt. Im Direktvertrieb im näheren Umkreis, zu dem auch die Belieferung von Bäckern und Metzgern zählt, erziele man etwa zehn Prozent des Umsatzes. Eine starke Präsenz auf zahlreichen Wochenmärkten im Ulmer Raum sowie bei „Sonderauftritten“ etwa auf Weihnachtsmärkten gilt dennoch als unverzichtbar. Mit gutem Grund. Solche Auftritte, so Maximilian Herzog, hätten ja noch einen weiteren und„unschätzbar wertvollen“ Effekt, betrachte man sie aus Marketingperspektive. Sie steigerten die Bekanntheit nach außen und öffneten direkte Kanäle zu einem Kreis von 5000 Stammkunden. Sind neue Produkte in der Entwicklung, verteile man Testchargen und erhalte so ein ungefiltertes Feedback. Die für die Umsätze viel bedeutsameren Vertriebswege münden bei Lebensmittelfilialisten sowie den Biogroßhändlern, 48 von bundesweit 50 führten Herzog-Produkte in ihrem Programm.
Ein weiteres Angebot sei die Veredelung von Spezialitätenmilch, wozu viele Anfragen von Landwirten eingehen würden. Bei den Chargen, um die es dabei gehe, winkten die Großen ab und seien die ganz Kleinen überfordert, doch für den Betrieb bedeuteten solche Aufträge ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal: „Wir produzieren das, was die anderen in vielen Fällen nicht können.“
Junior-Chef
Maximilian Herzog fügt hinzu, dass man sehr darauf achte, dass kein Kunde einen größeren Anteil als zehn Prozent einnehme. Damit wolle man eine zu große Abhängigkeit ausschließen und bei Preisdrückerei oder Forderungen von finanzieller Beteiligung an Konzernmaßnahmen ein Stoppschild gegenhalten können. Auch die Entwicklung im Bio-Bereich beobachte man aufmerksam, um Risiken - etwa durch etwaige gesetzliche Änderungen zu minimieren.
Die Landkäserei fährt eine Zwei-Marken-Strategie, tritt auf unter „Landkäserei Herzog“ und zusätzlich seit 2007 mit „Roggenburger Bio“, das heute einen Umsatzanteil von 60 Prozent erreiche. Die Milch lieferten 22 Höfe aus der näheren Region, hier führe man sogar eine “Warteliste“. Das anhaltende Interesse führt Herzog darauf zurück, dass viele Landwirte sich an der Industrialisierung im Molkereiwesen störten, „sie wollen nicht anonym abgefertigt werden“, macht er sich seinen Reim darauf. Außerdem „zahlen wir recht fair“. Probleme mit einer ausreichenden Milchversorgung auch auf dem weiteren Wachstumsweg sehe er nicht.
Weil der Betrieb erneut „aus allen Nähten platzt“, steht bereits die nächste Investition an. In den kommenden Jahren sollen auf 2500 Quadratmetern Produktions- und Lagerflächen entstehen und gleichzeitig die Abläufe in der Zentrale optimiert werden. Mit kalkuliert zehn Millionen Euro bedeute dies die größte Investition in der Firmengeschichte. Neue Kapitel sind somit bereits angelegt. [!] Thomas Vogel
Familiensache

Von den Eltern gegründet, von den Söhnen weitergeführt: klassischer Familienbetrieb mit gut vorbereitetem und geglücktem Übergang. Maximilian Herzog (35) machte eine Ausbildung als Molkereimeister und zeichnet verantwortlich für den Vertrieb, der seit kurzem durch einen Außendienstmitarbeiter verstärkt wurde. Sein Bruder Armin (41) ist ausgebildeter Molkereitechniker und kümmert sich um die Produktion. Stünden Entscheidungen an, würde im Familienrat durchaus auch mal kontrovers diskutiert. Entscheidend aber sei, sagt Maximilian Herzog, „dass die Grundphilosophie innerhalb der Familie stimmt“, sonst ginge es nicht.

Wie er anklingen lässt, könnte sein Vater nicht nur loslassen, sondern auch akzeptieren, wenn seine Jungs die Firma nach ihren Vorstellungen vorantreiben. Formal ist Walter Herzog sogar weiterhin der Chef, seine Söhne agieren derzeit als angestellte Geschäftsführer. Bevor der Senior sich selbständig machte, war er in einer zum italienischen Parmalat-Konzern gehörenden Molkerei in Weißenhorn tätig. Nach der Übernahme einer bereits stillgelegten kleinen „Molke“ in Roggenburg-Schießen erwarb er sich gemeinsam mit seiner Frau Gerlinde unternehmerische Fähigkeiten und bewies Weitblick. Im Frühjahr 2025 feierte der Betrieb (70 Mitarbeitende, nach eigenen Angaben 15 Millionen Euro Jahresumsatz) sein 30-jähriges Jubiläum. thv

Maximilian Herzog (35), verheiratet und Vater von drei Kindern, absolvierte eine Ausbildung zum Molkereimeister und erwarb zusätzlich eine betriebswirtschaftliche Qualifikation. In der Landkäserei Herzog verantwortet er den Vertrieb.