Nur rund 50 Prozent aller Start-ups überleben und nur fünf Prozent werden als wirtschaftlich stabil und erfolgreich eingestuft, wie Studien des Deutschen Start-up Monitors und der KfW belegen. Die Gesellschaft für Diamantprodukte (GFD) von Dr. Peter Gluche, dem geschäftsführenden Gesellschafter, gehört heute zu den fünf Prozent - und ist dem Status des Start-ups, 25 Jahre nach der Gründung, längst entwachsen. Ein Grund, sich mit ihm zu treffen, um etwas über sein Erfolgsrezept zu erfahren, zu fragen, was er Start-ups als Rat mit auf den Weg geben würde und um seine persönlichen und geschäftlichen Schreibtischperspektiven kennenzulernen. Nach dem lockeren, über zweistündigen Gespräch tauscht er seine Laborschlappen gegen ein Paar Sneaker, schlüpft in seine Sweatjacke und verabschiedet sich zum nächsten Termin: die Sitzung einer Arbeitsgruppe des Bellenberger Gemeinderates. Peter Gluche will mitreden, er ist im Gemeinderat seines Wohnortes Bellenberg, im Elternbeirat des Illertalgymnasiums Vöhringen und in Richtlinienausschüssen des Vereins Deutscher Ingenieure VDI. Etwas bewegen wollen, zukunftsorientiertes Denken und strategisches Handeln zeichnen ihn aus und waren - neben Mut und Motivation die Voraussetzungen für die Ausgründung aus der Uni Ulm mit einem Start-up für Diamantprodukte.
„Wir fertigen keine Klunker“, stellt Peter Gluche gleich zu Anfang lachend klar.„Schmuck ist nicht unser Thema, obwohl unsere Produkte durchaus im Luxusbereich verbaut werden“. Seine Schweizer Tochterfirma Diamaze Microtechnology SA produziert die mechanischen „Herzstücke“ für hochwertige Schweizer Uhren mit Preisen im sechsstelligen Bereich. Hergestellt aus künstlichem Diamant ersetzen sie die bisherigen Metallteile und bieten durch ihren niedrigen Reibungskoeffizienten und ihr geringes Gewicht mehr Möglichkeiten, die Uhren mit weiteren Applikationen auszustatten. Auch ein komplettes Ziffernblatt aus Neu-Ulmer Diamantproduktion verbaute TAG Heuer in seiner Carrera Tourbillon Nanograph Plasma Diamant d'Avant-Garde. Peter Gluche ist inzwischen ein Uhrenspezialist, denn das tiefe Verständnis der Funktionen ist ihm wichtig, auch wenn er nur winzige Bauteile liefert. Die Herstellung von Uhren Bauteilen ist neben der Beschichtung von technischen Schneidklingen und Skalpellklingen für die Augenchirurgie und Präzisionskugeln für die Messtechnik ein Teilbereich seines Unternehmens. Am Bodensee aufgewachsen, studierte er Mikroelektronik an der Uni Ulm und statt sich, wie alle anderen, mit Anwendungsverfahren von Silizium zu beschäftigen, wandte er das Verfahren für die Herstellung von künstlichem Diamant an.
Ein Sinn für Edelsteine
Dass aus Methan oder Biogas Diamant entstehen kann, entdeckte man bereits Ende der 1970er Jahre. Man munkelt, dass die Russen bei der Inspektion von Schweissnähten an U-Booten kleinste Diamantkristalle fanden, die durch die Acetylenflamme des Brenners entstanden waren. In den 1950er Jahren fanden in Russland und den USA erste Versuche statt, dieses Verfahren im Labor umzusetzen. Allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Erst in den 1980er Jahren entwickelten japanische Wissenschaftler in den USA aus dieser Erkenntnis ein erstes Herstellungsverfahren. Ab etwa 1985 stiegen Deutsche Forschungsinstitute erfolgreich in die Diamantherstellung ein. Auch die Universität Ulm erarbeitete sich schnell eine internationale wissenschaftliche Reputation, insbesondere in der Anwendung von Diamant für die Mikroelektronik. Die Anwendung als hochpräzises Schneidinstrument mit der tausendfachen Standzeit gegenüber Stahl ermöglicht heute die Bearbeitung von Kohlenfaserverbundwerkstoffen (Carbon), ein nicht nur in der Automobilindustrie und im Flugzeugbau zunehmend verwendeter Werkstoff.
Geschäftsführer der GFD mbh
Genau da setzte das Team um Peter Gluche an: gefördert von seinem Doktorvater Prof. Dr. Erhard Kohn, dem Leibnitzpreisträger Prof. Dr. Hans-Jörg Fecht und mit der uneingeschränkten Unterstützung vom damaligen Kanzler der Uni Ulm,Dr. Dietrich Eberhardt, entwickelten sie ein Verfahren zur Beschichtung von Hartmetallen, Keramik und Silizium mit entsprechend aufbereitetem, künstlichem Diamant. Ferner fand das Team eine Methode, um Diamant mittels Verfahren der Halbleitertechnologie ohne aufwändige Schleifprozesse zu verarbeiten. Dadurch gelang es, dünne Diamantüberzüge auf einen beliebig vorgeformten Körper aufzubringen - mit identischen Eigenschaften, aber deutlich wirtschaftlicher. Geeignete Anlagen oder Prozesstechnologie für den steigenden Bedarf am Markt gab es nicht. Das hieẞ: Do it yourself.„Dass wir an der Uni diese Möglichkeit bekamen, hing stark von der Person Dr. Dietrich Eberhardt ab, der einfach sagte ,Macht mal!' Leider ist so eine Einstellung eher die Ausnahme, denn etliche Innovationen verpuffen, weil die wirtschaftliche Umsetzung nicht gefördert wird. Nicht zuletzt finanziell, denn Forschungsmittel sind keine Transfermittel.“ Zu dem Zeitpunkt sah die berufliche Lebensplanung von Peter Gluche eigentlich ganz anders aus. Die Promotion war für ihn ein Weg, sich die Welt anzusehen und eine wissenschaftliche Stelle an der Waseda University in Japan war bereits in Aussicht. Dann kam der berühmte Zufall, der alles veränderte.„Ein Mitarbeiter im Team setzte einen Prozessschritt falsch an und dieser Fehler war der Durchbruch. In dem Moment war klar, wo wir ansetzen müssen.“

Aufgeben war keine Option
2009 gründete Peter Gluche zusammen mit einem weiteren Gründer, der 2012 ausstieg, das Unternehmen GFD (Gesellschaft für Diamantprodukte mbH). Das Start-up wurde von der Daimler AG unterstützt, die diese Entwicklung nicht selbst weiterverfolgen wollte. Als die Zusammenarbeit aufgrund des Zusammenbruches des neuen Marktes platzte, schien das Ende von GFD, trotz vorhandener Mittel und Eigenkapital, besiegelt. Aufgeben war keine Option, und die Gründer starteten erneut mit einem kleinen Team von 5 Personen. Die Erkenntnis für den damaligen Jungunternehmer: ein Start-up sucht sich besser einen strategischen Partner als ein Venture Unternehmen, bei denen Start-ups oft durch Knebelverträge und unkontrollierbare Kapitalmarktveränderungen eingeschränkt werden.
Geschäftsführer GFD mbH
Trotz der Risiken, der in Deutschland nicht optimalen Rahmenbedingungen und einer kritischen gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Entrepreneuren, wünscht sich Peter Gluche mehr ambitionierte Gründer.„Wir sind gut in der Entwicklung von neuen, innovativen Verfahren. Allerdings kann viel zu wenig davon in Deutschland industriell umgesetzt und vermarktet werden. Bestes Beispiel ist die Solarzelle, die schlussendlich in China produziert und vermarktet wird.“ Mehrwert durch qualitativ hochwertige Bearbeitung, Nischenprodukte mit hohem Verkaufswert, ein nachhaltiger Marktbedarf und mehrere Standbeine sind aus seiner Sicht grundlegende Bausteine für nachhaltigen Erfolg. „Diamantbeschichtete Skalpelle für die Augenchirurgie sind ein zunehmender Markt, vor allem in Asien. Unsere Produkte der Arbeitsweise der dortigen Mediziner anzupassen, war eine unserer Aufgaben. Die nächsten Schritte werden die Entwicklung von chirurgischen Wegwerfinstrumenten und immer kleineren Klingen sein.“
Im Diamantenlabor



Peter Gluche schlüpft in seine Laborschuhe, in Kittel und Haarhaube und zeigt sein Labor. Kein Reinraum, aber der Diamant wird unter hohen Reinlichkeitsstandards hergestellt. „Aus Methan oder Biogas, es könnte auch Bier sein“, schmunzelt Gluche, „Hauptsache es enthält Kohlenstoff und der ist im Alkohol reichlich vorhanden. Mit einer Gasphasenabscheidung zerlegen wir dessen chemische Verbindung bei 2000 Grad Celsius und mit 180 Liter Kühlwasser pro Minute in reaktiven Kohlenstoff. Dieser kondensiert dann an der Werkstückoberfläche als Diamant. Ein sehr elegantes Verfahren, vor allem, weil nur Kohlenstoff involviert ist und dieser mehr als reichlich vorhanden ist. Leider führt der immense Energieverbrauch dazu, dass sich die Herstellung von Schmucksteinen bei den hohen Energiekosten in Deutschland wirtschaftlich nicht rechnen würde. Wir konzentrieren uns daher auf großflächige dünne Diamantbeschichtungen von wenigen um-Dicke. Als Rohmaterial für die Uhrenbauteile verwenden wir dazu Siliziumscheiben, sogenannte Wafer.“ Die Bauteile erhalten ihre finale Form bereits vor der Beschichtung. Sie werden mit Verfahren der Mikrotechnologie aus der Scheibe herausgeätzt. Anschließend erfolgt der Diamantüberzug. Bei GFD passen je nach Größe bis zu 1.500 Bauteile auf einen Wafer mit 150 mm Durchmesser. Nach der ultradünnen, nanokristallinen Diamantbeschichtung werden die Oberflächen anschließend im Plasmaverfahren durch Ionenbeschuss poliert oder, im Fall von Skalpellen, die Schneide geschärft. Die meisten Apparate und speziellen Messinstrumente im Labor wurden, wie in Studentenzeiten, von ihm und den Mitarbeitern entwickelt. Peter Gluche ist daher auch in der Elektrotechnik unterwegs - typische Anforderungen für die Formgenauigkeit liegen bei +/3 tausendstel Millimeter (3μm-3 Mikrometer). Sichtbar werden die winzigen Produkte auf den Makroaufnahmen, die als großformatige Fotos im Flur des Gebäudes hängen. Ihre technische Präzision steht im Gegensatz zu den abstrakten Acrylbildern in Gluches Büro - eine Erinnerung an seine Mutter, einer regionalen Künstlerin. Peter Gluche lehnt an seinem Stehschreibtisch im Büro, das er sich mit seiner Assistentin teilt. Auf zwei großflächigen Monitoren befinden sich komplexe Berechnungsmodelle zur Optimierung der Hemmung einer mechanischen Uhr.„Auch wenn den operativen Teil des Unternehmens weitgehend meine Mitarbeiter übernehmen, ist mir das Vier-Augen-Prinzip wichtig. ,Macht mal!' ist meine Devise, Fehler sind ausdrücklich erlaubt... aber nur einmal“, fügt er lachend hinzu. „Man muss aus Fehlern lernen.“
Weiterentwicklung ist für Peter Gluche nicht nur ein geschäftliches Ziel, sondern eine Herzensangelegenheit, insbesondere wenn es um die Digitalisierung der Ausbildung geht.„Wir befinden uns gerade in der größten technologischen Transformation seit der Industrialisierung und sie geht rasend schnell. Unsere Schulen haben da große Defizite.“ Deshalb engagiert er sich im Elternbeirat, an den Schulen seiner beiden Kinder und plädiert für KI-Nutzung, die, sinnvoll angewandt, die Zukunft bestimmt. „Die Kinder müssen lernen, damit umzugehen. Nur leider reagiert die Politik zurzeit nur, sie regiert nicht.“ Sagt es und eilt zur Arbeitsgruppensitzung, um weiterhin dicke Bretter zu bohren.
Zur Person
Peter Gluche, geboren am 02. Mai 1968, ist promovierter Elektrotechniker (Uni Ulm, 2000) und Mitbegründer der GFD Gesellschaft für Diamantprodukte mbH.
Erfolgsgeschichte eines einstigen Start-ups

Die GFD Gesellschaft für Diamantprodukte mbH ist eine Ausgründung aus der Universität Ulm und dem DaimlerChrysler Forschungszentrum Ulm. Sie beschäftigt derzeit 20 Mitarbeiter, sie bildet aus und fi-nanziert sich seit 2004 vollständig aus eigenen Umsätzen. GFD entwickelt und produziert mikromechanische Bauteile für hochwertige mechanische Uhren und Diamantklingen für technische und medizinischeAnwendungen. Dabei verwendet kommen Verfahren der Halbleitertechnologie zum Einsatz. GFD arbeitet eng mit der Universität Ulm zusammen. Firmensitz ist in die Albrecht-Berblinger-Str. 11 in Neu-Ulm.