Diese Werkstatt nimmt keine Autos zur Reparatur an und ist dennoch sehr gut besucht. In der Esslinger Zukunftswerkstatt 4.0 erfahren Verantwortliche von Autohäusern und Werkstätten, wie sie ihre Unternehmen auf die Zukunft ausrichten können. „Auf 450 Quadratmetern machen wir unter anderem die neuesten Entwicklungen zur Arbeit an Fahrerassistenzsystemen oder mit Hochvolttechnik erlebend greifbar, wir lassen unsere Fachbesucher die Werkstattausrüstung ausprobieren“, so Prof. Dr. Benedikt Maier, Mitbegründer des Innovation Hub. Dieser ist vor vier Jahren im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg entstanden - mit vollausgestatteten Werkstattarbeitsplätzen, einem Wasserstoff-Arbeitsplatz, Showroom und Seminarräumen. Maier ist Geschäftsführer der Zukunftswerkstatt 4.0 und Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen mit Schwerpunkt Automobilvertrieb. Für ihn ist der Bedarf an Informationen über technologische Veränderungen, innovative Prozesse, neue Anwendungen und Werkzeuge im Kfz-Gewerbe sehr groß: „Wir hatten allein im vergangenen Jahr über 4.000 Fachbesucher bei unseren Fortbildungen, Workshops, Arbeitskreisen und Konferenzen. Tendenz gend.“ Neben diesen Angeboten ist die Zukunftswerkstatt 4.0 mit rund 130 Partnerunternehmen aber auch Plattform für die Autohausausrüster. stei-
Geschäftsführer Zukunftswerkstatt 4.0
Die Nachfrage verwundert kaum, sehen sich doch Autohäuser und Werkstätten seit Jahren großen Herausforderungen und Veränderungen gegenüber. „Wie in anderen Branchen steht hier das Thema Fachkräftemangel und somit fortlaufende Qualifizierung an oberster Stelle“, so Maier. Im Werkstattbereich liege dies vor allem daran, dass sich die benötigten Kompetenzprofile der Mitarbeiter in den vergangenen zehn Jahren noch einmal stark verändert hätten, beispielsweise bei Software-Anwendungen im Fahrzeug oder im Umgang mit Hochvoltbatterien: „Das Berufsbild des Mechatronikers ist schon sehr komplex.“ Sprich: Einfach ein Auto mechanisch zu reparieren, das war gestern. Heute muss man mit ihm kommunizieren. Dies gilt natürlich auch für E-Autos, deren Wartungsintensität geringer und die Intervalle größer sind als bei Pkw mit Verbrennermotoren. Das ist gut für den Kunden, nicht jedoch für die Service-Betriebe, denen Umsätze wegbrechen. „Durch ein weiteres Anheben der Verrechnungssätze kann dies nur bedingt kompensiert werden, denn die Werkstatt arbeiten bewegen sich preislich schon auf grenzwertig hohem Niveau“, so Benedikt Maier, der eine weitere Herausforderung für die Automobilbranche bei der aktuell gedämpften Konsumlaune der Kundschaft sieht.
Neuwagen ist Luxusprodukt
Bei einem Fahrzeugbestand von 49,3 Millionen Pkw in Deutschland, das sind so viele Einheiten wie nie zuvor, stelle sich ja nicht die Frage, ob die Menschen noch Geld für Automobilität ausgeben möchten, sondern wie sie es investieren: „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten entscheiden sich private oder gewerbliche Kunden nicht unbedingt dafür, einen Neuwagen zu kaufen. Denn der ist eben ein absolutes Luxusprodukt geworden.“ Das zeigt auch ein Blick auf die Zulassungszahlen, die das Niveau von 2019 mit 3,6 Millionen Autos lange nicht mehr erreichen: „Wir liegen nun bei etwa 2,8 Millionen Einheiten und da werden wir perspektivisch auch bleiben. Das ist die neue Normalität.“ Die Folge: Lieber hegt und pflegt man sein Vehikel noch ein paar Jährchen länger oder sieht sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt um, der stark von der konjunkturellen Situation profitiert - die steigende Nachfrage zeigt sich aber auch hier in explodierenden Preisen.
Sinkende Margen
Ein weiterer Druck, der auf der Branche lastet: Den Herstellern geht es nicht gut. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation im deutschen Heimatmarkt, des an Intensität gewinnenden Wettbewerbs im Absatzmarkt China und Zöllen im wichtigen US-Markt haben sie sich Sparprogramme aufgelegt. Benedikt Maier:„Die Margen, die sie den Autohäusern gewähren, werden weiter abgesenkt.“ Soll heißen: Für die Händler wird es immer schwerer, Partner einer attraktiven Marke zu werden oder zu bleiben. Kleinere Handelsbetriebe entscheiden sich zunehmend bewusst zur Abgabe des Vertrages. Denn die hohen Herstellervorgaben an Showroom und Werkstatt lassen sich nur noch über hohe Stückzahlen amortisieren. Trotz zahlreicher Schließungen von Autohäusern möchte Benedikt Maier jedoch nicht von einem Aussterben sprechen: „Die Anzahl der Unternehmen, die im Automobilhandel aktiv sind, hat stark abgenommen und wird dies auch weiterhin tun. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir in Zukunft keine Autohäuser mehr sehen werden.“ Denn immer öfter gilt: Aus zwei mach eins: „Ein Handelshaus kauft das andere oder sie fusionieren zu einer größeren Einheit“. Ziel ist das Heben von Größeneffekten und auch die Reduzierung des Preiswettbewerbs im jeweiligen Gebiet. Mit zum Teil gravierenden Folgen für kleine Autohausunternehmen. Maier:„Alleine in Deutschland zählen wir rund zehn Handelskonzerne, die ein jährliches Umsatzvolumen von über einer Milliarde Euro schreiben.“ Für die Endkunden ist die Zugehörigkeit von Autohäusern zu solchen Handelsriesen nicht immer wahrnehmbar. „Insbesondere die professionelle Online-Präsenz dieser Häuser erschwert die Online-Sichtbarkeit für kleinere Unternehmen“, so der Geislinger Professor. Zudem drängen in den Niederlanden oder Skandinavien sitzende Handelsgruppen in den deutschen Markt und schlucken ganze deutsche Handelsgruppen. Der Markt befindet sich aber schon seit Jahren in einer starken Konsolidierung, die aktuell nochmals deutlich an Dynamik gewinnt.
Obermeisterin KfZ-Innung Ulm/ Alb-Donau
Autoverkäufe per Internet sind auch für Petra Wieseler ein Thema, bringen sie aber als Geschäftsführerin des Ulmer Autohauses Kreisser nicht aus der Ruhe. Denn auch sie nutzt diese Online-Börse ebenso wie die Hersteller. Speziell im Gebrauchtwagenmarkt ist die Präsenz der Angebote im Netz schon lange Zeit gang und gebe: „Es ist wichtig, dass es diese Plattformen gibt, auf denen wir unsere ganze Bandbreite auch in einem größeren Umkreis präsentieren können.“ Einen großen Vorteil sieht die Obermeisterin der Kfz-Innung Ulm/Alb-Donau auch darin, dass sich potenzielle Käufer schon vor dem Besuch im Schauraum über das gewünschte Modell informieren können - ganz bequem am Computer zuhause:„Das ist ein deutlicher Zeitgewinn.“ Doch eine Probefahrt ist am heimischen Schreibtisch einfach nicht möglich:„Viele Menschen scheuen sich zudem noch immer davor, eine größere Geldsumme per Knopfdruck auszugeben“, so Petra Wieseler, die gelassen bleibt: „Auch der Onlinehandel kann eine persönliche Beratung und die Haptik vor Ort schlicht nicht ersetzen.“ Und: Durch die Sichtbarkeit der aktuellen Fahrzeugangebote im Netz habe sich auch der Umkreis erweitert. Zum Teil kommen Kunden aus Stuttgart in ihre Filiale in Ulm-Söflingen. Zudem helfe die Online-Börse und der Vergleich mit anderen Angeboten aus der Region auch dabei die eigenen Fahrzeuge optimal einzupreisen, so Wieseler.

Für sie ist klar: Punkten kann ein Autohaus noch immer mit professionellen und vor allem persönlichen Beratungen auf Augenhöhe. Petra Wieseler: „Man muss zuhören und individuell auf die Wünsche der Kunden eingehen. Der erste Eindruck ist entscheidend.“ Sehr viel Beratung sei im Bereich E-Mobilität notwendig, da sich viele Kunden bislang noch nicht sehr intensiv mit batteriebetriebenen Autos beschäftigt hätten. Petra Wieseler: „Es geht bei einem Kauf nicht nur rein um die Fahrzeugtechnik und Ausstattung, sondern um die gesamte Ladeinfrastruktur, mit der sich unser Verkaufsteam auskennen muss.“
Die Nachfrage ist verhalten. Im ersten Halbjahr 2025 wurden in Deutschland zwar 248.726 Elektroautos zugelassen. Im Vergleich zu den Gesamt-Zulassungen sind dies 17,7 Prozent. Für die Autohaus-Chefin ist hier noch deutlich Luft nach oben: „Es geht voran, im Vergleich zum Vorjahr sind das 35,1 Prozent mehr. Dieser Wert sollte allerdings relativiert betrachtet werden, denn die Eigenzulassungen der Hersteller und Händler stimulieren die Zulassungsstatistik und nicht die gestiegene Nachfrage bei privaten und gewerblichen Zulassungen.“
Alternative Antriebe haben ihre Berechtigung
Auch Petra Wieseler unterstützt die Entwicklung des E-Pkw Marktes aus Umweltschutzgründen. An eine Zukunft, in der nur noch elektrobetriebene Autos auf den Straßen unterwegs sein werden, glaubt sie nicht: „Alternativen im E-Fuel-Bereich, HVO, Biokraftstoffe aus Pflanzenölen oder wasserstoffbasierte Anwendungen sollten gleichberechtigt sein und gefördert werden, damit sich auch umweltbewusste Verbraucher nicht mehr hinter ihrem Verbrenner-Motor verstecken müssen.“

Ein Umdenken verspürt Petra Wieseler beim Kaufverhalten der Kundschaft, das heute deutlicher auf einen von vornherein persönlich gesteckten Kostenrahmen ausgerichtet ist als noch vor ein paar Jahren. Zeitgleich habe sich die Modellpalette eben durch die E-Autos deutlich vergrößert. Dennoch entscheiden sich immer mehr Menschen für ein im Verbrauch günstigeres Modell - auch mit Blick auf die Nachbarn. Petra Wieseler: „Für viele ist das Auto noch immer das persönliche Aushängeschild und oftmals spielt das schlechte Gewissen in Bezug auf die Umwelt eine Rolle.“ Einen weiteren Trend sieht sie in einer verkürzten Bindung an das eigene Auto, so dass Leasing-Modelle noch populärer werden: „Speziell bei den E-Autos möchten die Kunden mit der stetig voranschreitenden Batterieforschung und zum Beispiel einer Verbesserung von Reichweiten mitgehen. Die Menschen möchten ein Auto erst einmal für zum Beispiel drei Jahre testen und dann eventuell ein neues Fahrzeug ausprobieren.“
Viele Auflagen der Hersteller
Dass die Branche im Umbruch ist, spüren die Händler unter anderem auch an den Beziehungen zu den Herstellern. So seien heute eine Fülle an leistungsbezogenen Auflagen zu bewältigen, damit man als Vertriebspartner die notwendigen Bonus-Vergütungen der Hersteller erhalte. Petra Wieseler: „Die Anforderungen und Verpflichtungen steigen permanent.“ Nicht zu sehr sorgt Petra Wieseler der Fachkräftemangel, dem sie mit einer bewussten Nachwuchsarbeit begegnet: „Die Ausbildungszahlen sind nach Corona wieder auf einem Rekordhoch.“ Bis zu sechs neue Kfz-Mechatroniker und Kfz-Mechatronikerinnen werden pro Lehrjahr auf die Zukunft im eigenen Service-Bereich vorbereitet und damit auf Jahre, in denen die Digitalisierung und Automatisierung unaufhörlich weiter Fahrt aufnehmen werden.
Darauf gilt es vorbereitet zu sein, so die Obermeisterin der Kfz-Innung Ulm/Alb-Donau: „Durch den technologischen Wandel wird es ein geringeres Reparatur-Aufkommen geben, so dass die durch den Fachkräftemangel verursachte Schere sich auf Dauer vermutlich nicht weiter öffnen wird.“ Und deshalb gilt auch hier: Die Automobilbranche muss ihre Chancen nutzen und auch für die Beschäftigten attraktiv bleiben. Dazu benötigt es weiterhin ein offenes Ohr für die Mitarbeitenden und gute Ideen für innovative Arbeitsprozesse. Dank der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen holt sich Petra Wieseler auch dort Impulse und Anregungen für ihr Team.[!] Stefan Löffler

Zur Person
Prof. Dr. Benedikt Maier, Jahrgang 1987, ist mit einer Professur für Automobildistribution und -vertrieb an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt betraut und verantwortet zahlreiche Forschungsaktivitäten und Sonderprojekte.
Emotionale Bindung zur Automarke wächst

Die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern haben sich nach dem Corona Einbruch noch nicht stabilisiert. Gleichzeitig ist der Wunsch nach Verbesserung klar erkennbar. Das bezeugen die aktuellen Werte der Händlerzufriedenheitsanalyse im IfA Marken Monitor 2025.Mehr als 1.100 Vertragspartner deutscher und internationaler Automobilmarken haben ihre Hersteller bzw. Importeure anhand von 42 Einzelkriterien bewertet. Zeitgleich fließen der Einsatz von Kl oder der Umgang mit wirtschaftlichem Handlungsdruck in die aktuelle IfA-Studie ein.

„Die diesjährigen Ergebnissezeigen, wie tief Unsicherheit und wirtschaftlicher Druck in der Handelsstruktur verankert sind. Gleichzeitig beobachten wir eine steigende Bedeutung der emotionalen Bindung zur Marke, unabhängig von rationalen Aspekten der Vertriebsbeziehungen“, so Prof. Dr. Stefan Reindl, Wissenschaftlicher Leiter der Studie.