Frauen unterscheiden sich nun mal von Männern, irgendwie - das ist soweit bekannt. Dazu gehören auch Unterschiede im Bereich der psychischen Gesundheit beziehungsweise psychischer Erkrankungen. Frauen haben andere Voraussetzungen und zeigen teilweise auch andere Symptome als Männer. Wieso das so ist und was es bedeutet, erklärt Prof. Dr. Stephanie Krüger. Sie ist unter anderem Chefärztin der Zentren für Seelische Frauengesundheit an den Vivantes Kliniken Spandau und Humboldt in Berlin.
Warum Frauen spezifisch betrachten und behandeln
Frauen haben eine andere hormonelle Situation als Männer, das sei das Entscheidende, sagt Prof. Krüger.„Daher sind seelische Erkrankungen im Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen spezifisch für Frauen. Dazu gehören Schwangerschaft, Wochenbett, Wechseljahre, die Prämenstruelle dysphorische Störung PMDS, auch hormonelle Veränderungen im Rahmen von onkologischen Erkrankungen.“ Und: Medikamente wirken bei Frauen aufgrund des Körperbaus anders, auch was die Nebenwirkungen angeht.„All das sind Themen, die haben wir bei Männern nicht, und deswegen muss es eine spezifische Beratung von Frauen geben.“
Es sind mehr Frauen betroffen, als man vielleicht denkt
Zur Häufigkeit solcher hormonell (mit-)bedingter seelischer Erkrankungen befragt, meint Prof. Krüger: „Schwangerschafts- und Wochenbettdepressionen betreffen etwa 20 Prozent der Frauen, PMDS haben bis zu 60 Prozent aller Frauen leicht und ungefähr 10 bis 15 Prozent klinisch relevant ausgeprägt. Psychisch relevante Wechseljahresbeschwerden etwa 20 bis 25 aller Frauen.
Symptome können bei Männern und Frauen unterschiedlich sein
Natürlich gibt es auch bei den Anzeichen etwa für eine Depression Überlappungen, aber eben auch Unterschiede: Männer neigen zu auffälligem Verhalten (Acting Out) wie übermäßiges Arbeiten oder Alkoholmissbrauch, während Frauen eher emotionale und körperliche Symptome zeigen (Acting In), erklärt die Medizinerin: Acting In bedeutet, Frauen haben mehr Symptome auf der Gefühlsebene, häufiger auch körperliche Symptome.
Es gibt spezifische Hilfen
Frauen sollten die medizinischen Möglichkeiten nutzen, um ihre Symptome zu lindern, auch medikamentös, rät Krüger, denn: „Es gibt ganz viele Frauen mit einer identischen Symptomatik, und man kann eine Menge machen.“ Scham oder Zurückhaltung seien da völlig unangebracht. Gerade weil immer noch viel stigmatisiert und bagatellisiert werde: „Es gibt Studien, die belegen, dass junge Frauen nicht so ernst genommen werden wie junge Männer mit psychischen Symptomen. Sie werden oft als hysterisch abgestempelt, und da gibt es sicherlich noch sehr viel zu tun.“
Frauen können und sollten selbst etwas für sich tun
Durch bewusste Lebensgestaltung können Frauen Einfluss auf ihr seelisches Wohlbefinden nehmen: „An meiner Genetik kann ich ja nun mal nichts ändern, aber ich kann etwas an meinem Arbeitsleben und möglichen Belastungen in meinem familiären und privaten Leben ändern. Da kann ich schon Dinge beeinflussen, wie ich damit umgehe und wie viel Zeit ich mir für mich selbst nehme“, betont Prof. Dr. med. Stephanie Krüger. „Auch wenn der Begriff Achtsamkeit gerade womöglich überstrapaziert wird es ist wichtig, im Alltag regelmäßig in sich hineinzuhören: „Wie geht es mir? Bin ich an meinen Grenzen angekommen?“ Wenn eine Frau etwa in den Wechseljahren Symptome hat wie starkes Schwitzen und Gereiztheit, sollte sie sich vielleicht ein bisschen zurücknehmen und nicht powern ohne Ende.
dpa
Was ist Gendermedizin?
Gendermedizin oder geschlechtersensible Medizin hat das Ziel, eine verbesserte und individuellere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, indem geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose, Prävention und Behandlung von Erkrankungen berücksichtigt werden.
Die Hauptaspekte betreffen:
Biologische Unterschiede: Männer und Frauen können unterschiedliche Symptome für dieselbe Krankheit zeigen und unterschiedlich auf Behandlungen reagieren. Ein klassisches Beispiel ist der Herzinfarkt, bei dem Frauen oft andere Symptome als Männer haben.
Pharmakologie: Geschlechterunterschiede können die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten beeinflussen. Dosierungen und Nebenwirkungen können zwischen Männern und Frauen variieren.
Epidemiologie: Einige Krankheiten treten bei Männern und Frauen mit unterschiedlicher Häufigkeit auf, was Einfluss auf Präventionsstrategien und Risikobewertungen haben kann.
Psychosoziale Faktoren: Geschlechterrollen und gesellschaftliche Erwartungen können die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten beeinflussen, was in der medizinischen Versorgung berücksichtigt werden sollte.