Am Anfang stehen Hormonanalyse und Spermiogramm: Bevor Patientinnen und Patienten mit einer Ärztin oder einem Arzt persönlich sprechen, empfiehlt das Kinderwunsch- und Hormonzentrum UniFee (Universitäres Zentrum für Fertilität und Endokrinologie) eine kurze Untersuchung. Im Anschluss daran wird ein Sprechstundentermin vereinbart, bei dem auf Grundlage der Testergebnisse zielgerichtet beraten und ein individueller Behandlungsplan erstellt werden kann. Das umgeht lange Wartezeiten, denn für die kurzen Tests wird nicht viel Zeit benötigt.
„Zum Kinderwunsch gehören immer zwei“, betont Prof. Katharina Hancke, die Leiterin des Zentrums: „Daher das Spermiogramm. Wenn der Mann sich nicht untersuchen lässt, bieten wir keine Kinderwunschbehandlung an, denn ohne Spermienanalyse macht das schlicht keinen Sinn.“
Interdisziplinäre Expertise
Dass das Thema Kinderwunsch sehr viele Menschen beschäftigt - die Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch sind vielfältig und komplex - zeigt sich daran, dass es neben dem UniFee noch weitere Kinderwunschzentren in der Region gibt. Das UniFee gehört zu jenen, die auch Kassenpatientinnen und -patienten behandeln können. „Wir kennen uns sehr gut und arbeiten oft zusammen, etwa wenn es um die Abklärung und die Behandlung von Nebenerkrankungen geht. Der große Vorteil eines spezialisierten universitären Zentrums wie unserem ist es, dass wir alle Themen behandeln können und in ein interdisziplinäres Netzwerk eingebunden sind, von der Inneren Medizin über die Chirurgie bis zur Endokrinologie auch für Kinder und Jugendliche. Wenn es also Nebenerkrankungen gibt, die durch andere Fachbereiche abgeklärt werden müssen oder wenn ein Eingriff nötig sein sollte, können wir das zentral koordinieren.“
Grundsätzlich ist die Schwangerschaftsrate von Menschen mit Kinderwunsch, verglichen mit den 1980er und 1990er-Jahren, inzwischen viel höher. „Durch die sogenannte Blastozystenkultur, die wir fast immer durchführen, liegt die Chance in der ersten Runde schwanger zu werden, bei rund 40 Prozent. Auch das Auftauen von vorher eingefrorenen, bereits befruchteten Eizellen hat sich mit Blick auf die Erfolgsquote deutlich verbessert“, berichtet Hancke.
Jede hormonelle Veränderung im Blick
Das Zentrum ist für alle Phasen hormoneller Veränderungen zuständig. Jede von ihnen bringt vielfältige Bedürfnisse mit sich. “Wir sind neben dem Kinderwunschthema Anlaufstelle für Fragen und Beratung zur Verhütung, zu den verschiedensten Zyklusstörungen und zur Menopause,“ fährt Hancke fort.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die Transgendermedizin. „Wir behandeln Transmänner und Transfrauen mit der jeweiligen gegengeschlechtlichen Hormontherapie und beraten natürlich auch sie im Falle eines Kinderwunsches.“
BMBF fördert Nachwuchsforscherzentrum
Auch mit Fertilitätserhalt beschäftigt sich das Zentrum. Das betrifft zum einen junge Menschen nach Krebserkrankungen, zum anderen besonders diejenigen Frauen, die nicht gleich mit Anfang 20 schwanger werden möchten.„Viele Frauen verschieben inzwischen den Kinderwunsch aufgrund des gesellschaftspolitischen Wandels und der Tatsache, dass wir als Menschen immer älter werden, auf die Jahre zwischen 30 und 40. Dabei realisieren sie aber oft nicht, dass das sogenannte Social Freezing, also das Entnehmen und Einfrieren von fruchtbaren Eizellen, vor dem 30. Lebensjahr am sinnvollsten ist, um dann in den folgenden Jahren selbstbestimmt den Kinderwunsch realisieren zu können“, betont die Fertilitätsspezialistin.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das im Unifee integrierte interdisziplinäre Nachwuchsforschungszentrum für Fertilitätsprotektion mit über vier Millionen Euro. „Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Forschung und freut uns sehr.“
Gestiegenes Bewusstsein bei Frauen und Ärzten
In Hinblick auf das immer prominenter werdende Thema Endometriose - dabei wachsen gutartige, aber oft sehr schmerzhafte Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle oft in benachbarten Organen und Geweben begrüßt Hancke die Veränderungen der vergangenen 10 bis 20 Jahre: Inzwischen betrage der Anteil an Frauen in der Gynäkologie rund 70 Prozent. Allein deswegen habe ein Wandel stattgefunden, so die Medizinerin. „Außerdem sind die meisten Frauen heutzutage nicht nur selbstbestimmter, sondern auch viel besser aufgeklärt und sehr gut informiert. Das gilt auch für den Einsatz von Hormonen in der Verhütung.“
Mehr Überweisungen bei Verdacht auf Endometriose
Lange war die Gynäkologie eine Männerdomäne. Beschwerdebilder, von denen nur Frauen betroffen sind - etwa starke Regelschmerzen - wurden leider oft als Befindlichkeiten abgetan. Heute steige das Bewusstsein der Ärztinnen und Ärzte immer mehr an: „Das liegt insbesondere an den Endometriose-Selbsthilfegruppen, die viel bewegt haben. In den letzten Jahren kam noch Social Media hinzu.“ Während es früher durchschnittlich sieben Jahre bis zur Diagnose gedauert hat, schätzt Hancke diese Zeit inzwischen als kürzer ein:„Wir bekommen inzwischen viel mehr Überweisungen zur Abklärung bei Vedacht auf Endometriose durch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen.“
In diesem Zusammenhang bemühen sich Prof. Hancke und ihr Team sehr, die Patientinnen emotional aufzufangen und zu begleiten. Gerade beim Thema Kinderwunsch herrsche oft viel Druck, es verlange Ausdauer und viel Geduld:„Wir empfehlen immer eine begleitende Psychotherapie und hoffen, dass sie sich von uns ernst genommen und mit Expertise behandelt und beraten fühlen.“
Julika Nehb
Prof. Dr. med. Katharina Hancke
Prof. Dr. med. Katharina Hancke ist stellvertretende Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsklinik Ulm und die Leiterin des Kinderwunsch- und Hormonzentrums UniFee sowie die stellvertretende Leiterin des Endometriosezentrums. Sie ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit der Schwerpunktweiterbildung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und hat die Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung (FGB). Ihre klinischen Schwerpunkte sind Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie, Fertilitätserhalt, Endometriose sowie minimalinvasive Chirurgie.
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Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
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