
Verraten Sie uns Ihre früheren Berufswünsche?
Ich hatte den Plan, Berufssportler zu werden, weil ich leidenschaftlich gerne Volleyball spielte. Ein anderer Traum von mir war, als Musiker zu arbeiten.
Warum kam es nicht dazu?
Bei uns zu Hause standen immer Grafikkarten und Power-PCs herum. Mein Vater war begeistert von Computern. Daher habe ich auch eine Leidenschaft für PCs und das Schrauben daran entwickelt.
Was wurde aus der Musikerkarriere und dem Volleyball?
Die Musik ist bis heute mein großes Hobby. Ich habe eine A-Capella-Band gegründet und in Coverbands gespielt. Im Volleyball konnte ich immerhin bis in die Oberliga mitspielen. Mit meinen 1,89 Metern war ich dann allerdings zu klein. Das war auch die Zeit, in der ich mein Studium der Wirtschaftsinformatik begonnen habe.



Statt Berufsmusiker sind Sie IT-Geschäftsführer geworden: Was ist für Sie das Verbindende zwischen IT und Musik?
Da gibt es verschiedene Punkte, allen voran die Mentalität: Ehrgeiz, Elan, Leistungsbereitschaft. Das halte ich auch für wichtige Werte in unserer Gesellschaft. Ich persönlich stehe auch sehr gerne auf Bühnen: sei es, um Vorträge zu halten oder Konzerte zu geben.
Wie hat Sie die Musik noch geprägt?
Bis ich zwölf war, habe ich klassische Musik gespielt, bin dann aber auf Jazz-Piano und Soul umgestiegen. Diese Musikrichtungen haben viel mit Kreativität und Freiheit zu tun.
Bei Informatik denkt man als Außenstehender nicht unbedingt an diese Werte.
Das ist richtig. Wirtschaftsinformatik, Datenbanken, Programmiersprachen sind strukturiert. Ehrlich gesagt war ich nie der beste Programmierer. Ich habe mich schnell in Richtung Beratung und Vertrieb orientiert. Ich mag es, frei und kreativ zu sein, in die Zukunft zu denken - einfach zu machen. Diese Herangehensweise in der Jazz-Musik hat sich für mich zu einer wichtigen beruflichen Eigenschaft entwickelt.
Wie fühlt sich das an, seit vier Jahren an der Spitze der Wilken Software Gruppe die Verantwortung zu tragen?
Ich denke da nicht mehr darüber nach. Nach all den Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren gemacht habe, fühle ich mich sehr sicher in meinem Job.
Im Alter von 33 Jahren übernehmen nicht sehr viele Menschen die Verantwortung für eine so große Unternehmensgruppe.
Ich bin in unterschiedlichen Stufen erwachsen geworden.„Business erwachsen“ bin ich durch den Tod von Folkert Wilken geworden, der am 26. Dezember 2021 überraschend verstorben ist. Seit 2019 bin ich Geschäftsführer, dennoch war er für mich ein bewundernswerter Mentor und Freund. Wir haben jeden Tag telefoniert, sehr viel Kontakt gehabt. Mit seinem Tod war ich schließlich allein an der Spitze des Unternehmens. Und natürlich gab es Unsicherheit im Unternehmen und auch im Umfeld.
Und sicherlich viele Fragen?
Ja, zum Beispiel: Wird die Firma jetzt verkauft? Wie wird sie weitergeführt? Wir haben aber schnell Ruhe reingekriegt, sehr schnell vertrieblich große Erfolge eingefahren und uns stabilisiert. Kunden und Beschäftigte haben gespürt, dass das Unternehmen in guten Händen ist und nun ein neuer Kapitän den Kurs vorgibt.
Wie hat Sie diese neue Situation verändert?
Ich habe gelernt, Ruhe auszustrahlen und unser Team in die richtige Richtung zu führen. Neun Monate später kam mit einem Cyberangriff das nächste kritische Ereignis.
Zu dem kommen wir später. Wie fällt Ihre Bilanz im Rückblick aus?
Das Unternehmen hat sich wirtschaftlich extrem gut entwickelt. Die Zahl unserer Mitarbeitenden ist in den vergangenen Jahren um rund 100 gestiegen, dieses Jahr wollen wir um weitere 70 wachsen und die Marke von 700 knacken. Wir haben Umsatz und Ergebnis kontinuierlich gesteigert und verfügen in unseren Fokusbranchen über eine sehr gute Marktstellung. Einen solchen Schicksalschlag und einen derart bedrohlichen Cyberangriff hatte es zuvor in der Firmengeschichte nicht gegeben. Umso mehr freut mich unser Wachstum und auch die Eröffnung unseres Neubaus am Standort Greven im Mai
Wie erklären Sie Unbedarften, was Wilken macht?
Früher habe ich vergeblich versucht, Menschen unsere komplexen IT-Produkte zu erklären. Als ich vor vier Jahren CEO der Wilken Software Group geworden bin und auch Geschäftsführer der Wilken Gourmet, habe ich gesagt, wir haben Catering, einen Betrieb und ein Restaurant. Mittlerweile ist die IT-Affinität in Deutschland aber deutlich gestiegen. Daher erkläre ich, was wir machen so: Wir sind ein führender Anbieter von IT-Lösungen für die wichtigsten Säulen der Gesellschaft: die Energieversorgung, die Deutsche Rentenversicherung, Krankenkassen, kassenärztliche und kassenzahnärztliche Vereinigungen, die katholische und evangelische Kirche sowie Wohlfahrtsverbände.
Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Die heutige Zeit ist extrem schnelllebig. Früher haben wir pro Jahr ein oder zwei Releases herausgebracht, heute liefern wir teilweise wöchentliche Software-Updates. Unser Anspruch ist es, Technologiepartner Nummer eins zu sein. Was wir tun, wollen wir gut machen, unsere Marktanteile verteidigen und ausbauen und zufriedene Bestandskunden haben. Sie können aber nicht überall die Nummer eins sein. Daher haben wir seit vier Jahren eine Fokussierungsstrategie. Das hat auch bedeutet, dass wir uns aktiv von Kunden getrennt haben, die nicht in unsere Strategie und die Fokusbranchen passen.
Was heißt das konkret?
Wir schließen nur mit Kunden Verträge, die in unsere Zielgruppe passen. Und wir verkaufen nur die Produkte, die perfekt zu den Zielgruppen passen. Im Zuge dieser Strategie haben wir leider auch kleinere Standorte geschlossen. Unsere Hauptstandorte sind Ulm und Greven in Nordrhein-Westfalen.
Wie weit gehen Sie auf Sonderwünsche Ihrer Kunden ein?
Wir sind ein Hersteller von Standardsoftware, die in den Kernbereichen all unserer Kunden zum Einsatz kommt. Wir sind kein Projektdienstleister und machen keine Invidualisierung. Entsprechende Sonderwünsche und Individualisierungsanfragen geben wir an unsere Projektpartner weiter.
Wie kommt es, dass 400 kleine und mittlere der 1200 Stadtwerke hierzulande zu Ihrer Kundschaft gehören?
Weil wir Branchenspezialist sind. In unseren Kernbranchen sind wir aufgrund unserer Qualität, Zuverlässigkeit und der Skalierbarkeit unserer Lösungen Branchenprimus.
Gibt es weitere Gründe für die starke Stellung?
Wir haben zum Beispiel mit der IVU in Hamburg seit 25 Jahren einen sehr guten Partner. Die IVU ist ein klassisches Systemhaus, sie kauft bei uns die Software ein und übernimmt die Implementierung und den Betrieb beim Kunden. Das ist genau die Art, wie wir mehr Potenzial unserer Softwarelösungen heben können - über Partner. Seit zwei Jahren sind wir dabei, weitere Systemhäuser dafür zu gewinnen. Der zweite Punkt war die Übernahme der Neutrasoft in Greven 2009, die ausschließlich für die Energiewirtschaft tätig war. In einem Markt, der stark von Verdrängungswettbewerb geprägt ist, half auch der starke Vertrieb von Wilken und Neutrasoft.
Welche Lehren haben Sie aus dem Hackerangriff 2022 gezogen?
Hackerangriff 2022 gezogen? Die Kernaussage ist: Es kann jeden treffen. Mittlerweile ist es wieder ein bisschen ruhiger geworden. Vor drei Jahren gab es eine massive Häufung der Angriffe. Und nein, wir wissen nicht, wer uns angegriffen hat. Der Angriff erfolgte über 117 Server weltweit. Die Zusammenarbeit mit der Ulmer Polizei war sehr gut. Dort hat auch das Cyber Center Süd seinen Sitz. Das ist eine tolle Truppe. Sie sind nett, schnell und technisch richtig gut.
Was hat Wilken verändert?
Wir sind heute deutlich sicherer aufgestellt als früher. Unsere IT-Infrastruktur ist High-End. Welches Unternehmen hat schon die Möglichkeit, das Rechenzentrum drei Monate anzuhalten und komplett neu aufzubauen? Das macht niemand. Ohne Hacker-Angriff wird üblichwerweise unter laufendem Betrieb optimiert.
Wie hat sich der Angriff auf die Belegschaft ausgewirkt?
Wir haben ein ganz anderes, sehr ausgeprägtes Teambewusstsein. Wenn sie einen gemeinsamen Feind haben, der von außen kommt, dann schweißt das zusammen. Bei uns im Unternehmen standen sogar teils Feldbetten: Nachmittags haben dort Mitarbeitende geschlafen, weil sie die Nacht freiwillig durchgearbeitet hatten. Alle waren da und haben geholfen. Wir haben das Glück, dass wir mehr als 500 IT-Spezialistinnen und Spezialisten haben, die alle mit anpacken konnten. Daher brauchten wir wenig Unterstützung von außen. Das war eine tolle Leistung unseres Teams.
Wie haben Ihre Kunden reagiert?
Unsere Kundensysteme waren nie von dem Angriff betroffen. Daher hatten wir, als wir unsere neue Infrastruktur wieder hochgefahren haben, Kundenanfragen ohne Ende. Dass wir einen Cyberangriff eines solchen Schweregrades überstehen, ohne dass Kundensysteme betroffen oder gefährdert waren, war ein Signal an den Markt.
Haben Sie im Nachgang Ihre Erfahrungen geteilt?
Ich habe viele Vorträge gehalten, auch in Ulm. Nur etwa ein Fünftel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten eine Cyberversicherung. Die wenigsten Betriebsinhaber sind sich über die möglichen finanziellen Folgen bewusst und welche Strafen fällig werden, wenn persönliche Daten gestohlen werden. Das sind bis zu 8000 Euro pro Datensatz. Handelt es sich gar um Gesundheitsdaten wie Corona- und Grippe-Impfungen oder Unverträglichkeiten, wird es richtig teuer, weil es sich dann um die höchste Kategorie im Datenschutz handelt. Angesichts der hohen Gefährdung ist es heute aber auch sehr schwierig geworden, eine Versicherung gegen Cyberangriffe abzuschließen.
Wie sollten Unternehmen vorsorgen?
Sie brauchen unbedingt einen Notfallplan, ähnlich wie bei Brandschutzübungen. Wer muss was tun? Wer kommuniziert an wen was? Wer spricht mit der Versicherung? Was machen die Mitarbeiter? Wie arbeiten diese von zu Hause? Erschreckend ist, dass sehr wenige Unternehmen so einen Plan in der Schublade haben.
In diesen Zeiten mit hohem Bedrohungspotenzial haben Sie eine neue cloudbasierte Lösung auf den Markt gebracht namens GY. Was hat es damit auf sich?
Wir haben für die Energiewirtschaft zwei Produktlinien. Zusätzlich haben wir uns bewusst für eine dritte, eine so genannte Greenfield-Cloud-native Komplettlösung entschieden, also eine Anwendung, die wir von Grund auf neu entwickelt haben. Einige unserer Mitwettbewerber optimieren teils nur ihre bestehenden Systeme. Dabei kommt man aber an Grenzen - architektonisch und technologisch. Insbesondere wenn es darum geht, KI-Komponenten tief zu integrieren. Die Automatisierung lässt sich zwar bis zu einem gewissen Grad erhöhen, aber deren Philosophie nicht neu denken.
Was ist bei GY anders?
Was ist bel GY anders? Wir haben bei der Plattform eine Philosophie verfolgt, die im Idealfall Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter bei den Energieversorgern so entlastet, dass sie kaum mehr eingreifen müssen und sich ihre Rolle stattdessen stark zu Prozessüberwachenden verlagert.
Worin steckt der Vorteil?
Mit herkömmlichen Systemen kommt man nicht über einen Automatisierungsgrad von 60 Prozent hinaus. Mit GY wollen wir mehr als 90 Prozent erreichen. Das ist eine andere Dimension. GY wurde Cloud-native entwickelt, kombiniert verschiedene IT-Lösungen mit einer flexiblen Entwicklungskultur und basiert auf dem Wissen und der Erfahrung vieler Mitarbeiter und Unternehmen aus der Branche. Der Hintergrund ist, dass die Zahl der Kundenanfragen an Energieversorger und Stadtwerke immer stärker ansteigt und von immer stärker ansteigt und von ihren Mitarbeitenden gar nicht mehr bewältigt werden kann. Gleichzeitig kämpfen diese Unternehmen mit einem drastischen Personalmangel, der sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Hier hilft ein möglichst hoher Automatisierungsgrad.
Wie gefährdet ist ein solch offenes System in der Cloud?
Die technologischen Standards für Einsatzbereiche in der Cloud und damit die Sicherheit sind deutlich höher als bei einem klassischen Rechner unter dem Schreibtisch oder in klassischen Rechenzentren. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir im Gegensatz zu fast allen Mitbewerbern plattformunabhängig sind. Sie können GY in jeder beliebigen Cloud betreiben, bei weltweit anerkannten Sicherheitsmaßnahmen.
Was ist der Grund dafür, dass Sie GY für Partner zugänglich gemacht haben?
Wir sehen GY nicht nur als Wilken-Produkt, sondern auch als Kollaborationsoffensive marktführender Anbieter in der deutschen Energiewirtschaft. Der Lösungskern kommt von uns, also alles, was zum Thema Abrechnung gehört: Messwesen, Zähler und entsprechende Informationen. Aber Komponenten wie Bilanzkreismanagement, Energiedatenmanagement, Kundenportale und Zusatz-Apps stammen nicht von uns, sondern von sorgfältig ausgewählten Partnern, die wir auf eine sehr sichere Art und Weise integriert haben.
Haben Sie ein Beispiel, wie die Stadtwerke von GY profitieren?
Wenn Sie heute als Stadtwerk in den Vertrieb von Photovoltaik (PV) und Wärmepumpen oder generell in neue Geschäftsmodelle einsteigen wollen, dann haben Sie mit sogenannten Templates die passende Lösung bereits im System. Per Mausklick können Sie so neue Geschäftsmodelle ausprobieren. Früher haben Sie vier Monate für so ein Projekt gebraucht. Heute sind es wenige Tage.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Statt einmalig 250.000 Euro an Lizenzen zu bezahlen, startet das Stadtwerk mit beispielsweise 800 Euro im Monat. Je mehr Anlagen, Zählpunkte etc. eingehen und je mehr Abrechnungen erfolgen, desto mehr verdienen wir mit. Wir partizipieren am Erfolg unserer Kunden und haben daher höchstes Interesse an einem effizienten System. Wir übernehmen für Stadtwerke die Technologiestrategie, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
Welche Rolle spielen dabei Kl und Big Data?
KI spielt eine große Rolle. Aber nicht überall. Der Vertrieb neuer KI-Anwendungen steht für uns nicht im Fokus. Natürlich stecken in einer neuen Anwendung wie GY viele KI-Komponenten, und es ist ein selbstlernendes Produkt mit hoher Lösungsintelligenz. Wenn wir wollen, dass der Sachbearbeiter nicht ständig eingreifen muss, dann haben sie Themen wie eine künstliche Intelligenz, die sofort auf Basis von Big Data erkennt, ob der Zählerstand stimmt, oder ob ein Zahlendreher vorliegt. Dabei können wir auch den Endkunden in unsere Prozesse integrieren. Das heißt, die Verbraucher bekommen automatisch einen Link zugeschickt, über den sie selbst Daten nachliefern oder korrigieren.
Wo sehen Sie das wichtigste Einsatzgebiet für KI?
KI wird für Tech-Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Herstellung und Absicherung der Systeme spielen, beispielsweise als Entwicklungswerkzeug oder für die Qualitätssicherung.
Was heißt das konkret?
Wir starten gerade intern einen Rollout der KI-Assistenten CoPilot Chat und ChatGPT, haben aber auch einen eigenen Wilken-Chatbot in der Pilotierung. Den können Sie in Zukunft fragen: Wie muss ich den 24-Stunden-Lieferantenwechsel bei einem Energieversorger oder das Thema Preisbremsen oder Mehrwertsteuersenkungen in den Systemen einrichten? Dann sagt Ihnen unser GY:PT, was Sie tun müssen und fragt: Oder soll ich das für dich übernehmen? Das macht eine KI. Warum? Weil die KI unsere Benutzerhandbücher und Datenbank-Strukturen kennt.
Welche Änderungen gibt es noch bei Wilken?
Wir durchleben als Wilken Software Group gerade die größte Transformation der Unternehmensgeschichte. Das Stichwort heißt „Going agile“.
Wie muss man sich das vorstellen?
Teammitglieder, die am selben Projekt arbeiten, sitzen zum Beispiel räumlich möglichst nah beieinander, gerne in einem Raum, damit sie sich eng abstimmen können: Also etwa Produktmanager, Berater, Entwickler, Service und Betrieb für diesen Bereich. Dann haben wir noch sogenannte Team- und Agile-Coaches. Sie verfügen über großes methodisches Wissen, programmieren und beraten nicht, sind aber dafür da, die Teams zu entwickeln und in Sachen agile Arbeitsweisen zu befähigen.
Warum stellen Sie sich so auf?
Ich möchte nicht, dass jede Entscheidung nach oben delegiert wird. Ich möchte, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo das Know-how ist, und das ist in den Teams. Daher verändern wir uns gerade massiv. Vor ein paar Jahren hat man von der Führungsspanne von eins zu zwölf geredet. Mit einer agilen Organisation wie der unseren halte ich auch eine Führungskraft auf 80 Mitarbeiter für möglich. Beim Thema Urlaub beispielsweise müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch ohnehin im Team abstimmen. Hier hat eine disziplinarische Führungskraft kein To-do.
Welches Ziel verfolgen Sie mit diesem Ansatz?
Ich will Verantwortung verteilen. Aus meiner Sicht brauchen wir dafür weniger Führungskräfte und mehr interdisziplinäre Teams. Die Rolle einer Führungskraft muss sich massiv ändern. Sie werden nicht mehr über Kontrolle agieren, sondern sind Coach, Sparringspartner, Ratgeber und befähigen die Mitarbeiter.
Ändert sich damit auch das Vergütungssystem?
Das Gehalt darf kein Nasenfaktor sein. Wir haben Peer-Groups über unterschiedliche Disziplinen aufgebaut, also Gruppen von Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Rollen zusammengefasst. Zudem haben wir Gehaltsbänder erstellt, die im Intranet für alle einsehbar sind. Mitarbeiterinnen und Mitabeiter, die in die nächste Stufe aufsteigen wollen, können sehen, welche Fähigkeiten sie sich dafür aneignen müssen. Das muss ein Automatismus sein, der auf Leistung beruht, auf Fähigkeiten, auf sozialer Kompetenz und persönlichen Fähigkeiten.
Wie kommt das bei den Mitarbeitern an?
Wir haben mittlerweile deutlich weniger klassische Führungskräfte als im vergangenen Jahr. Und klar ist ebenfalls, dass nicht jeder diesen Weg mitgehen möchte. Aber das System etabliert sich gut und unsere Kolleginnen und Kollegen erkennen die Vorteile und nehmen auch die Gestaltungsmöglichkeiten und die damit verbundene Verantwortung an.
Wie schwierig ist es, neue Fachkräfte zu gewinnen?
Wir haben ein sehr gutes Recruiting und fahren starke Employer-Branding-Kampagnen, auch mit den Basketballern von Ratiopharm Ulm und im Radio. Wir sponsern viel und sind sehr präsent.
Wie wirkt sich das aus?
Im Januar und Februar hatten wir mehr als 700 Bewerbungen pro Monat. Dabei profitieren wir auch von der Krise in der Automobilindustrie und deren Zulieferern. Die Unternehmen lassen befristete Verträge auslaufen. Wir freuen uns über sehr gut ausgebildete Bewerberinnen und Bewerber.
Welche Frage hätten Sie gerne gestellt bekommen?
Was treibt Sie jeden Tag an?
Wie lautet die Antwort?
Ich habe Spaß an Erfolg, aber nicht im Sinne von Gewinnmaximierung. Wir könnten ganz andere Gewinne einfahren, wenn wir nicht 10 Millionen Euro in die Zukunft also ins Unternehmen - investieren würden. Erfolg heißt für mich, wenn wir jeden Tag Menschen haben, die gerne zum Arbeiten kommen und ein Leuchten in den Augen haben, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und die weiter wollen. Wenn sie Menschen im Unternehmen haben, die Lust auf ihre Arbeit haben, muss ich nicht über Qualität und Innovation reden, weil die Menschen das selbst erzeugen wollen. Mir ist es wichtig, dieses Feuer zu entfachen. Der Rest kommt dann von allein.
Wichtiger Technologiepartner für Krankenkassen, Kirchen und Stadtwerke

Mit aktuell 650 Beschäftigten ist die Wilken Software Group aus Ulm einer der führenden Technologiepartner für Unternehmen und Organisationen aus Deutschlands kritischer Infrastruktur: Zu den Kunden des 1977 gegründeten Unternehmens zählen 80 Prozent der gesetzlichen Krankenversicherungen, 60 Prozent der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen, über 30 Prozent der deutschen Energie- und Wasserversorger sowie zahlreiche (Erz-) Bistümer und Diözesen. 2024 erwirtschafteten die 630 Mitarbeitenden einen Umsatz von 70 Millionen Euro (plus 13 Prozent). Neben dem Stammsitz in Ulm verfügt Wilken noch über Standorte im nordrhein-westfälischen Greven (zum Jahresende 2024: 165) und im spanischen Gijon (25 Beschäftigte). Dachgesellschaft ist die Wilken Holding GmbH. Dort bilden Andrea Wilken und Dominik Schwärzel die Geschäftsführung.
Zur Person
Dominik Schwärzel
(37, verheiratet, drei Kinder) steht seit 2021 an der Spitze der Wilken Software Group. Seine Karriere startete er als Prozessberater, bevor er 2014 bei Wilken in die Bereichsleitung Sozialwirtschaft einstieg. 2018 wurde er zum Referenten des geschäftsführenden Gesellschafters Folkert Wilken, der ihn 2018 zum Geschäftsführer beförderte. Schwärzel hat an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg Wirtschaftsinformatik studiert. Von 2013 bis 2015 besuchte er die Akademie der Führungskräfte (General Manager) und von 2017 bis 2018 die Management School St. Gallen. Privat engagiert er sich im Vorstand des SV Ellwangen und begeistert sich fürs Bauen. Er verfügt über Bagger und Lkw, mit denen er gelegentlich die Gärten von Bekannten kostenfrei gestaltet. Zudem restauriert er historische Traktoren.