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Vertrauen kann sich lohnen

Ist Misstrauen beim Kleingedruckten immer angebracht? Illustration: Max Meschkowski

Vertrauen kann sich lohnen

Vertragspsychologie: Vertrauen zeigen, ohne naiv zu sein - Prof. Dr. Martin Hörmann über Vertrauensintelligenz.

Verträge - mühsam und zäh ausgehandelt. Oft Meisterwerke des Kleingedruckten mit unzähligen Klauseln, Fußnoten und Nachträgen. Und trotz aller Anstrengung: Der perfekte Vertrag existiert nicht. Irgendetwas bleibt immer offen - ein Detail, das übersehen wurde, eine Veränderung, mit der keiner gerechnet hat. Und dann zeigt sich: Papier allein reicht nicht. Die wichtigste Frage ist oft nicht, was drinsteht, sondern: Wem habe ich da gegenübergesessen? Was einen Vertrag am Leben hält, ist etwas, das man nicht unterschreiben kann: Vertrauen.

Wichtige Voraussetzungen

Wie entsteht Vertrauen? Drei Faktoren sind entscheidend: Kompetenz, Integrität und Wohlwollen. Menschen vertrauen uns, wenn sie glauben, dass wir wissen, was wir tun. Dass wir ehrlich sind. Und dass wir es gut mit ihnen meinen.

Als Abraham Flexner in den 1930er-Jahren Albert Einstein für sein neu gegründetes Forschungsinstitut in Princeton gewinnen wollte, fragte er den berühmten Physiker nach seinen Gehaltsvorstellungen. Einstein antwortete bescheiden: 3.000 Dollar im Jahr würden reichen - „es sei denn, Sie glauben, ich könne von weniger leben.“ Flexner bot ihm daraufhin das Dreifache. Warum? Weil es ihm nicht um den Preis ging, sondern um den Menschen. Weil er spürte, dass echte Zusammenarbeit auf Vertrauen beruht - nicht auf Misstrauen. Flexner zeigte Einstein: Wir wissen, was du kannst. Wir sind ehrlich. Wir meinen es gut mit dir. Vertrauen ist der Anfang von allem. Nicht nur im Labor, auch am Verhandlungstisch. Einstein sagte ja. Und blieb bis zu seinem Tod.

„Menschen vertrauen uns, wenn sie glauben, dass wir wissen, was wir tun.

Um Vertrauen zu schaffen, braucht es manchmal Außenstehende. Wie in der Geschichte von der Steinsuppe. In ein Dorf, in dem die Menschen wenig hatten und noch weniger miteinander teilten, kam ein Fremder. Er hatte nur einen Topf und einen Stein. Er stellte alles auf den Dorfplatz, zündete ein Feuer an, goss Wasser in den Topf mit dem Stein und rührte um. „Steinsuppe“, sagte er, „köstlich. Aber mit ein paar gelben Rüben wäre sie noch besser“. Einer der Dorfbewohner zögerte, dann stand er auf. „Ich habe gelbe Rüben“, sagte er. „Darf ich mitessen?“ „Natürlich. Setz dich.“ Dann kamen Kartoffeln, Lauch, Kräuter. Und plötzlich saßen sie alle zusammen. Um einen Topf. Um eine Idee. Um eine Gemeinschaft, die es vorher nicht gab. Wer schon einmal an einer Wirtschaftsmediation teilgenommen hat, weiß, wovon ich spreche. Die Geschichte zeigt: Vertrauen beginnt oft mit einem kleinen Wagnis.

Natürlich hat Vertrauen auch Schattenseiten. Wer vertraut, öffnet sich. Macht sich verletzlich, riskiert enttäuscht zu werden. Doch wer alles kontrollieren will, steht am Ende allein da - sicher, aber einsam. Vertrauen heißt bewusst loslassen, wo Beziehung mehr trägt als Regeln. Deshalb braucht es „Vertrauensintelligenz“: die Fähigkeit, zu spüren, wann Kontrolle notwendig ist - und wann sie Vertrauen im Keim erstickt. Ein Beispiel für geniale Vertrauensintelligenz ist die legendäre Vertragsklausel der Rockband Van Halen. Darin ging es um bunte Schokolinsen. Im Tourvertrag der Band stand auf Seite 40: „Schokolinsen - unter keinen Umständen braun“. Ein typischer Rockstar-Spleen? In Wirklichkeit war es eine clevere Qualitätskontrolle. Van Halen tourte mit einem spektakulären Bühnenaufbau durch die USA, für den jede Halle ganz bestimmte Anforderungen erfüllen musste - von den Stromanschlüssen bis zu den Traglasten. Die Technik war kompliziert, das Risiko hoch. Der 53-seitige Vertragsanhang las sich wie ein technisches Drehbuch. Doch woher wusste man, ob der Veranstalter diesen Wälzer auch wirklich gelesen hatte? Ganz einfach: Man kontrollierte hinter der Bühne die Schokolinsen-Schale. Waren da braune drin, war klar: Da hatte jemand den Vertrag nicht genau gelesen. Und wer bei den Süßigkeiten schlampig war, war es vielleicht auch beim Bühnenscheinwerfer. Ein Lehrstück in Vertragspsychologie. Vertrauen braucht Maß und Mitte. Die Dosis macht das Gift - oder das Vertrauen. Wie klug, wie knapp und wie zeitlos sich dieses Spannungsverhältnis beschreiben lässt, zeigt ein Gedicht von Wilhelm Busch:
„Wer andern gar zu wenig traut,
Hat Angst an allen Ecken;
Wer gar zu viel auf andre baut,
Erwacht mit Schrecken.“

„Um Vertrauen zu schaffen, braucht es manchmal Außenstehende.

Wer seinem Gegenüber zeigt: Ich glaube an deine Integrität, aber ich sichere mich trotzdem ab, kommuniziert keine Schwäche, sondern Reife. Verhandlungen, die auf Vertrauen bauen, sind oft die besten. Sie dauern nicht unbedingt kürzer. Aber sie halten länger. [!]

Zur Person

Prof. Dr. Martin Hörmann ist Partner und Geschäftsführer der Anchor Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sowie Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Wirtschaftsmediator.