Prof. Polydorou, seit März leiten Sie die universitäre Klinik für Zahnerhaltung in Ulm. Was sind Ihre Ziele?
Mein Fokus liegt insbesondere darauf, gesundheitliche Risikofaktoren zu erkennen, um präventive Maßnahmen zu entwickeln und so die langfristige Gesundheit der Patient:innen zu sichern. Kurzfristig möchte ich die Klinik so aufstellen, dass Forschung, Lehre und Patientenversorgung noch enger zusammenarbeiten. Langfristig will ich die Zahnklinik Ulm als national und international sichtbares Kompetenzzentrum etablieren – mit starkem wissenschaftlichem Profil, gezielter Nachwuchsförderung und modernen Konzepten universitärer Zahnmedizin. Besonders wichtig ist mir, allen Patient:innen die bestmögliche Versorgung zu bieten. Dazu gehören speziell entwickelte Konzepte für Kinder und vulnerable Gruppen, also Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen, und gleichzeitig die exzellente Ausbildung der nächsten Generation von Zahnärzt:innen. Wir sind weit mehr als eine Zahnarztpraxis: Als universitäre Einrichtung tragen wir Verantwortung für Forschung, Lehre und innovative Behandlungskonzepte, die weit über die reine Patientenversorgung hinausgehen und die zahnmedizinische Entwicklung regional und überregional prägen.
Welche Themen möchten Sie dabei besonders voranbringen?
Ich sehe es als Hauptziel meiner neuen Funktion, andere Menschen in ihrer eigenen Entwicklung begleiten und fördern zu können, sowohl Studierende als auch Mitarbeiter:innen. Besonders reizt mich die Chance, aktiv an der Entwicklung der Klinik mitzuwirken und die interdisziplinäre Zusammenarbeit weiter auszubauen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Kinderzahnheilkunde. Durch spezialisierte Behandlungsmethoden möchten wir eine individuellere und zielgerichtete Versorgung für Kinder und Jugendliche gewährleisten. Für besonders wichtig erachte ich die Möglichkeit, Zahnbehandlungen in Vollnarkose durchzuführen, vor allem bei Patienten aller Altersgruppen mit besonderem Unterstützungsbedarf oder schweren Allgemeinerkrankungen. Diese Option wird zukünftig ein fester Bestandteil der Versorgung vulnerabler Patientengruppen innerhalb des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sein. In der Forschung sehe ich zwei Schwerpunkte für die kommenden Jahre: Einerseits möchte ich Grundlagenforschung etablieren, um innovative Fragestellungen zu den biologischen Effekten von Materialien zu untersuchen, und andererseits ist mir auch die klinische Forschung besonders wichtig. Im Bereich der Patientenversorgung liegen meine persönlichen Schwerpunkte vor allem in der präventiven und restaurativen Zahnerhaltung mit Fokus auf die ästhetische Wiederherstellung des Frontzahnbereichs.
Was bewegt die Zahnerhaltungskunde zu Zeit besonders?
Dank unserer erfolgreichen Präventionsmaßnahmen können Patient:innen heute ihre Zähne bis ins hohe Alter erhalten. Der demografische Wandel bringt neue Herausforderungen: Immer mehr ältere Patientinnen und Patienten benötigen spezialisierte Versorgung, häufig mit komplexen gesundheitlichen Voraussetzungen.
Wo sehen Sie dabei außerdem noch Herausforderungen?
Die Alterszahnheilkunde wird immer wichtiger, nicht nur aus restaurativer Sicht, sondern auch im Hinblick auf die Prävention bei älteren Menschen und Senioren. Auch andere Bereiche verdienen besondere Aufmerksamkeit: Eine der größten Herausforderungen in der Kinderzahnmedizin ist die effektive Prävention und individuelle Behandlung frühkindlicher Karies sowie die Versorgung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Zudem gewinnt die Behandlung der zunehmenden Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) immer mehr an Bedeutung. Dies erfordert innovative Konzepte, interdisziplinäre Zusammenarbeit und spezialisierte Lösungen, um die dauerhafte Mundgesundheit aller Kinder bestmöglich zu sichern. Im Bereich der restaurativen Zahnerhaltungskunde gibt es Herausforderungen, beispielsweise für die Zeit ohne das Material Amalgam, das seit 2025 nicht mehr verwendet werden darf. Hier müssen neue Materialien und Techniken entwickelt beziehungsweise weiterentwickelt werden. In all diesen Bereichen bringen insbesondere Digitalisierung und künstliche Intelligenz einige Innovationen, von denen wir in Zukunft sicherlich stark profitieren werden. Diese Entwicklungen haben gerade erst begonnen und helfen uns vielleicht auch, in Zukunft unsere Präventions- und Behandlungsmethoden noch stärker zu personalisieren.
Welche Forschungsprojekte möchten Sie vorantreiben?
Ein besonderer Fokus meiner Arbeit liegt auf der Biokompatibilität und Umweltverträglichkeit dentaler Materialien. Wir untersuchen, wie Mikro- und Nanopartikel sowie Umweltchemikalien wie Bisphenol A, die in bestimmten Restaurationsmaterialien vorkommen können, auf Zellen, Gewebe und letztlich den Organismus wirken. Ziel ist es, Materialien zu entwickeln, die sowohl gesundheitlich unbedenklich als auch umweltfreundlich sind. Darüber hinaus möchte ich die Verbindung zwischen Zahnmedizin und Medizin weiter stärken, um Zusammenhänge zwischen oralen Erkrankungen, Entzündungen und allgemeinen Gesundheitsrisiken besser zu verstehen.
Ein besonderes Anliegen ist mir außerdem die Reduktion der Freisetzung von Mikro- und Nanoplastik sowie anderer Mikroschadstoffe durch zahnärztliche Behandlungen. Hier verbindet sich zahnmedizinische Verantwortung mit nachhaltigem, umweltbewusstem Handeln – ein Bereich, den ich künftig noch stärker in Forschung und Klinik integrieren möchte. Mein Ziel ist es, dass Ulm zu einem Standort wird, an dem wissenschaftliche Exzellenz, interdisziplinäre Zusammenarbeit und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen – zum Wohl der Patient:innen und der Umwelt. jun
Prof. Dr.med.dent. Olga Polydorou

Prof. Dr. med. dent. Olga Polydorou
Zahnärztin und Spezialistin für präventive und restaurative Zahnerhaltung, seit März 2025 Ärztliche Direktorin der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Ulm. Die Klinik deckt präventive und restaurative Zahnheilkunde ab sowie Parodontologie, Endodontologie und seit Kurzem auch Kinderzahnheilkunde und inklusive Zahnmedizin.
Kontakt

Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Ulm
Albert-Einstein-Allee 11
89081 Ulm
0731 500 64 101
viola.baumeister@uniklinik-ulm.de
www.uniklinik-ulm.de/zahnerhaltungskunde-und-parodontologie