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Führung im Tandem

Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Teilzeit-Führung und Tandem-Modelle helfen, Fachkräftemangel zu begegnen und Führungskräfte langfristig zu binden

Optimales Zeitmanagement ist Voraussetzung für jede Art von Jobsharing in der Führungsebene. Montage Meschkowski Foto: Panumat/ adobestock.com
Optimales Zeitmanagement ist Voraussetzung für jede Art von Jobsharing in der Führungsebene. Montage Meschkowski Foto: Panumat/ adobestock.com

Wenn Claudia Hoffmeister um 10 Uhr ihren Dienst antritt, hat ihre Kollegin Sandra Wilhelm bereits vier Stunden am gemeinsamen Arbeitsplatz hinter sich. Noch etwa eine halbe Stunde wird sie die Übergabe mit ihrer Kollegin machen und dann nach Hause gehen. Die beiden Frauen, die ihre richtigen Namen an dieser Stelle nicht lesen möchten, sind Teammanagerinnen in der Produktion des Pharmadienstleisters Vetter. In dieser Funktion leiten sie mit ihren Vollzeitkollegen eine Fertigungsgruppe von etwa 65 Mitarbeitern. Vom Hauptsitz in Ravensburg aus steuert das Familienunternehmen mit mehr als 7.000 Beschäftigten an weltweiten Standorten die Entwicklung, Herstellung und Verpackung von injizierbaren Medikamenten, die im Kundenauftrag hergestellt werden. 

Erfolgreich im Tandem

Das Besondere am Job der beiden weiblichen Führungskräfte: Sie teilen sich als Tandem eine Vollzeitstelle. Dabei arbeitet jede von ihnen 60 Prozent Teilzeit - zusammen also mehr Zeit, als die Stelle eigentlich vorsieht. „Das war eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Pilotphase, die wir durchgeführt haben“, erläutert Katharina Drees, Senior Managerin Organisationsentwicklung, den Übergang. Gemeinsam mit Anne-Katrin Schumann, Key Userin Produktionssysteme bei Vetter, hat sie das Projekt „Führung in Teilzeit“ geleitet. 

„Das Führungstandem muss zusätzliche Überlappungszeiten zur Verfügung haben, damit im Tagesgeschäft ausreichend Möglichkeit besteht, um sich abzustimmen.“ Der Betrieb Vetter ermöglicht es den Tandems, die Vollzeitstelle auf bis zu 1,2 FTE (Full Time Equivalent) zu erhöhen. Die genaue Ausgestaltung des Stundenumfangs kann das Duo innerhalb dieses Rahmens individuell gestalten. „Diese Flexibilität kommt den unterschiedlichen Bedürfnissen vor allem unserer Elternzeit-Rückkehrerinnen entgegen“, sagt Katharina Drees. Das Projekt mit Fokus auf die Ebene der Teammanager war initial ein Maßnahmenprojekt der Produktion. Später wurde es mit dem Ziel der Mitarbeiterbindung in die neue Unternehmensstrategie überführt. Die Initiative zur Einführung des Pilotmodells„Führung in Teilzeit“ in der Produktion von Vetter kam vor gut zwei Jahren von den Teams selbst. Inzwischen ist das Modell im Rahmen eines Maßnahmenpakets in die Unternehmensstrategie von Vetter integriert worden.

Dass damit zusätzliche Kosten verbunden sind, nehmen wir bewusst in Kauf.
Anne-Katrin Schumann
Key Userin Produktionssysteme

„Wir wollen uns systematisch Möglichkeiten erschließen, um qualifizierte Führungskräfte langfristig zubinden - und ihnen in verschiedenen Lebensphasen attraktive Arbeitszeitmodelle anbieten können“, sagt Schumann. „Dass damit zusätzliche Kosten verbunden sind, nehmen wir bewusst in Kauf. Denn als Unternehmen profitieren wir im Sinne einer langfristigen Bindung und Entwicklung qualifizierter Führungskräfte, was sich wiederum positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit auswirkt. Und im direkten Vergleich ist es deutlich teurer, neue Führungskräfte zu gewinnen, wenn wir Stellen neu besetzen müssen, weil uns erfahrene Kolleginnen und Kollegen verlassen. Entscheidend ist eine gute Balance zwischen den individuellen Bedürfnissen der Arbeitnehmer und den betrieblichen Anforderungen des Unternehmens, denn es muss ein reibungsloser Schichtbetrieb sichergestellt sein.“

Das Feedback zum Führungsmodell in Teilzeit fällt bislang einhellig positiv aus. „Wesentliche Erfolgsfaktoren im Produktionsalltag sind Präsenz und Erreichbarkeit der Teilzeit-Führungskräfte sowie die Tatsache, dass das Führungstandem die gleichen fachlichen wie auch disziplinarischen Personalführungsaufgaben übernimmt wie Vollzeitkollegen auf gleicher Ebene“, stellt Organisationsexpertin Katharina Drees fest. Aktuell nutzen etwa ein knappes Dutzend Führungstandems das Modell abhängig von der Struktur der jeweiligen Produktionsbereiche.

Vielen Mittelständlern ist bewusst, dass sie kreativ werden müssen in Sachen Arbeitsmodellen. Denn der Fachkräftemangel stellt die deutsche Volkswirtschaft vor eine der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Zu diesem Ergebnis kommt das Anfang Mai veröffentlichte „Betriebspanel 2024“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demzufolge erwarten mehr als acht von zehn Betrieben zukünftig steigende Probleme beim Anwerben von qualifiziertem Personal. Im Jahr 2010 war es noch weniger als jeder zweite Betrieb. Um vorhandene Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen, achten die Betriebe nach Erkenntnissen der IAB-Experten verstärkt da-rauf, ihre Arbeitsplätze attraktiver zu machen und setzen auf Aus- und Weiterbildung.

Das Führungstandem muss zusätzliche Überlappungszeiten zur Verfügung haben.
Anne-Katrin Schumann
Key Userin Produktionssysteme

Gerade auf Ebene der Führungskräfte gibt es jedoch deutlichen Nachholbedarf. Eine Studie des Kompetenzzentrums für Fachkräftesicherung Kofa aus dem vergangenen Jahr kommt zu dem Ergebnis, dass nur ein Achtel aller Führungskräfte in Deutschland ihre Arbeit in Teilzeit ausführen. Dabei sind insgesamt knapp drei Viertel (74,2 Prozent) Teilzeit-Führungskräfte der Frauen, obwohl diese insgesamt lediglich rund ein Drittel aller Führungskräfte stellen.

Einen Schritt weiter in Sachen Arbeitsteilung sind Katrin Winkler und ihre Kollegin Sandra Niedermeier. Die beiden Professorinnen an der Kempten Business School leiten in einem Shared-Leadership-Ansatz das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft. „Im Unterschied zu Führen in Teilzeit teilen wir uns in Vollzeit die Leitung des Instituts“, erläutert Katrin Winkler. Zwar verfolgt jede von ihnen ihre aktuellen Forschungsprojekte. Aber das Team, das aus rund einem Dutzend Mitarbeitenden besteht, führen die beiden gemeinsam. Ist eine von ihnen dienstlich abwesend oder in Urlaub, übernimmt die jeweils andere die Vertretung in voller Verantwortung.

„Ein Erfolgsbaustein für unser Shared-Leadership-Modell ist, dass wir nach außen hin stets als Einheit auftreten“, beschreibt Winkler den internen organisatorischen Ansatz. „Zum Beispiel präsentieren wir Ergebnisse unserer Projekte gemeinsam vor den entsprechenden Gremien. Und selbstverständlich tauschen wir uns üblicherweise mehrfach am Tag aus zu strategischen Entscheidungen, besprechen Projek-te oder entwickeln gemeinsam Ideen.“

Das schließt nicht aus, dass jede der beiden ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten in die gemeinsame Arbeit einbringt. Während sich Winkler zum Beispiel eher auf die Akquise neuer Projekte und Kunden fokussiert, übernimmt ihre Kollegin Sandra Niedermeier häufig das Management bei Ausschreibungen und Anträgen für Forschungsgelder. „Gerade diese Diversität macht in der Praxis den Mehrwert eines Shared-Leaderships-Modellsaus“, ist Winkler von den Vorteilen der Arbeitsteilung überzeugt. Dennoch haben viele Unternehmen Vorbehalten gegen ein Führungstandem. Winkler sieht aufgrund der eigenen Erfahrungen jedoch keinen Grund, warum das Konzept nicht mehr Nachahmer finden sollte.„Wir führen das Institut wie ein Start-up und müssen gewinnorientiert arbeiten“, hebt die Wissenschaftlerin hervor. Zudem haben selbst sehr große Konzerne wie etwa SAP zeitweise ein Duo als Vorstandsvorsitzende gehabt. „Was jedoch in der Praxis wahrscheinlich viele Verantwortliche zögern lässt, ist der höhere Abstimmungsbedarf“, glaubt Katrin Winkler. „Dem steht jedoch gegenüber, dass durch den gemeinsamen, konstruktiv-kritischen Dialog Kreativität und Innovation auf Führungsebene entstehen. Klar ist aber auch: Damit Shared Leadership funktioniert, muss die gemeinsame Chemie von Anfang an stimmen. Wenn es zwischenmenschlich nicht passt, wirkt das kontraproduktiv.“ [!] Thomas Luther

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Zur Person

Prof. Sandra Niedermeier leitet in einem Shared-Leadership-Ansatz das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft an der Kempten Business School mit Prof. Katrin Winkler.

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Zur Person

Prof. Katrin Winkler leitet mit ihrer Kollegin Sandra Niedermeier das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft an der Business School Kempten.


Fachkräfte finden, halten, qualifizieren

Event Die Industrie- und Handelskammer für die Region Stuttgart Unternehmen bietet ein breites Informationsangebot (ihk.de Stuttgart , Suchbegriff „Fachkräftesicherung“). Dazu hat aktuell eine virtuelle Multiplikatoren-Veranstaltung des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“ stattgefunden. Unter dem Titel „Vereinbarkeit im Fokus: Führungskräfte als Schlüssel zum Erfolg“ ist dort unter anderem die Frage diskutiert worden, wie Führungskräfte eine familienbewusste Unternehmenskultur gestalten können, ohne die wirtschaftlichen Zielvorgaben aus den Augen zu verlieren. Eine Dokumentation des Events steht registrierten Usern kostenfrei unter der Adresse: erfolgsfaktor-familie.de , „Veranstaltungen“ zur Verfügung.